De Maiziére über Tunesien-Flüchtlinge "Wir können nicht die Probleme der ganzen Welt lösen"

Deutschland will keine Flüchtlinge aus Lampedusa aufnehmen. Das hat der Innenenminister Thomas de Mazière (CDU) betont. Die Polizeigewerkschaften fordern derweil, dass Europa eine Grenzschutzpatrouille aufbaut.

Der Ansturm tunesischer Bootsflüchtlinge auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa sorgt auch in Deutschland weiter für Diskussionen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärte, er lehne eine Aufnahme der Flüchtlinge in Deutschland strikt ab. Die Polizeigewerkschaften warnten derweil vor einem wachsenden Flüchtlingsstrom und forderten den Aufbau einer EU-Küstenwache.

"Wir können nicht die Probleme der ganzen Welt lösen", sagte de Maizière am Dienstagabend im "heute journal" des ZDF. Deutschland habe im vergangenen Jahr rund 40.000 Asylbewerber aufgenommen, dies sei bereits ein "großer Anstieg". Italien dagegen habe 2010 "nicht einmal 7000" Asylbewerber aufgenommen. "Wenn es einen Grund gibt, Tunesien nicht mehr zu verlassen, dann jetzt, wo dort eine Demokratie aufgebaut wird."

Die Intergrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sieht den Flüchtlingsansturm auf Italien mit Sorge. "Verzweifelte Menschen begeben sich in der verständlichen Hoffnung auf eine bessere Zukunft in höchste Lebensgefahr." Umso wichtiger sei es, den Menschen in ihren Heimatländern Perspektiven aufzuzeigen. "Gerade jetzt nach seinem Weg in die Freiheit braucht Tunesien die Menschen für einen Neuanfang", sagte Böhmer am Dienstag in Berlin.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte in der "Welt" (Mittwochsausgabe), entscheidend sei, "dass wir gemeinsam daran arbeiten, die Bedingungen in den Ländern zu verbessern, aus denen die Flüchtlinge kommen". Natürlich müsse Europa seine Grenzen sichern. Noch viel wichtiger aber sei es, präventiv zu handeln. "Wenn die Menschen sehen, dass sie im eigenen Land gebraucht werden, und wenn sie dort auch Chancen sehen, sind das die besten Rezepte gegen Migrationsdruck", sagte Westerwelle.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, forderte ein Sofortprogramm für Tunesien und eine europaweite Verteilung der tunesischen Flüchtlinge. "Wenn ich die Größe der Aufgaben, die die Tunesier vor sich haben, sehe, dann erscheint mir das Flüchtlingsproblem relativ überschaubar", sagte Oppermann dem Sender "N-TV". Zum einen müsse den Menschen geholfen werden, zum anderen dürften die Italiener nicht alleine gelassen werden.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte den Aufbau einer EU-Küstenwache mit 2500 Grenzschützern, die im Mittelmeer rund um die Uhr patrouillieren. Diese Küstenwache solle aus der europäischen Grenzschutzagentur Frontex hevorgehen, sagte Wendt der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). Bisher seien allein in den Mittelmeerländern etwa 50 Behörden für Grenzschutz zuständig, während Frontex die nationalen Einsatzkräfte nur dirigiere. "Bis alle Beteiligten sich abgestimmt haben, sind die illegalen Migranten aber längst in Europa angekommen", warnte der Gewerkschaftschef.

Die EU-Kommission in Brüssel hatte zuvor erklärt, angesichts des Flüchtlingsstroms eine Mission der Grenzschutzagentur Frontex vorzubereiten. Der Einsatz soll in einigen Tagen unter Beteiligung von 30 bis 50 Beamten beginnen, zudem sollen mehrere Schiffe und Flugzeuge in der Region patrouillieren.

In den vergangenen Tagen hatten rund 5000 Bootsflüchtlinge aus Nordafrika, die meisten von ihnen aus Tunesien, die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa erreicht. Am Dienstag kamen nach UN-Angaben zudem zwei Boote mit ägyptischen Flüchtlingen auf Sizilien an.

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liri/AFP/DPA