Pelz-Affäre in Donezk Witwen russischer Soldaten bekommen Pelze geschenkt – und müssen sie wohl wieder abgeben

Bei minus 31 Grad ist ein Pelzmantel oft die einzige Rettung, wie hier in Omsk
Bei minus 31 Grad ist ein Pelzmantel oft die einzige Rettung, wie hier in Omsk. In Russland sind Pelzmäntel daher immer noch heiß begehrt. In Donezk sollten damit Witwen und Mütter von toten Soldaten beglückt werden.
© Dmitry Feoktistov/TASS PUBLICATION / Imago Images
21 Frauen aus dem okkupierten Donezk konnten ihr Glück kaum fassen, als sie Pelzmäntel spendiert bekamen. Doch die Freude soll nicht lange gewährt haben. Nachdem die Frauen und Mütter von gefallenen Soldaten für die Kamera posiert hatten, sollen die Geschenke wieder einkassiert worden sein. 

Während der Krieg die einen das Leben kostet, bietet er anderen ungeahnte Möglichkeiten. Zu der letzten Kategorie gehören vor allem Russlands Politiker und Beamte. Sie nutzen die Gelegenheit, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken: mit milden Gaben an ihr armes Volk. Ein paar Kameras sind stets dabei, wenn die Geschenke verteilt werden.

In der Region Sachalin bekamen einige glückliche Familien von eigezogenen Soldaten fünf Kilogramm Fisch überreicht. In der Region Moskau durften sich Angehörige der mobilisierten Männer über zehn Kilogramm Kartoffeln und zehn Kilogramm Karotten freuen. 

Im Stadtkreis Baltijsk kam die Verwaltung der verzweifelten Bitte von 15 Familien um Brennholz nach. In Jakutien verteilte man an Familien von Mobilisierten Eisbrocken, die aus dem nächsten Fluss herausgebrochenen wurden – als Wasservorrat. Fließendes Wasser gibt es hier nicht. (Der stern berichtete.)

Pelze für Witwen und Mütter 

Auch die Hinterbliebenen von Gefallenen werden ab und zu mit Schenkungen bedacht. So geschehen in der vergangenen Woche im okkupierten Donezk. 21 Frauen und Mütter von gefallenen Soldaten bekamen hier aus heiterem Himmel Pelzmäntel überreicht.

Ein Pelzmantel ist bis heute in Russland und anderen GUS-Staaten für viele Frauen ein heiß ersehnter Traum. Jeder europäische Tourist, der im Winter schon einmal in Moskau oder Sankt Petersburg war, hat sich gefragt, wie die Frauen dort es schaffen, bei minus 20 Grad mit nichts anderem als einer Strumpfhose und einem Minirock irgendwo aufzutauchen. Des Rätsels Lösung ist der Pelzmantel – gleichzeitig Retter bei eisiger Kälte und begehrtes Statussymbol. 

Und so konnten die 21 beschenkten Frauen aus Donezk ihr Glück kaum fassen, als sie die Pelze in die Hände gedrückt bekamen. "Wir sind so dankbar! (...) Einen riesigen Dank für solch eine Hilfe! Nicht alle dachten, dass es so eine Möglichkeit geben würde", erklärte die Wortführerin der Frauen in eine Kamera. Stolz posierten die Beschenkten mit den Neuheiten für ihre Garderobe.

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Wer hinter der Aktion in Donezk steckt 

Ihr Dank ging an eine gewisse Miroslawa und einen Alexander. Miroslawa Reginskaja ist keine andere als die Ehefrau von Igor Girkin. Der ehemalige FSB-Offizier war derjenige, der 2014 den Krieg in den Donbass brachte. Lange war Girkin unter dem Decknamen Strelkow das Gesicht der Separatisten. Unter seiner Ägide wurde der MH17-Flug abgeschossen. Danach wurde er für den Kreml zu unbequem. Im August 2014 legte der berühmte Rebellen-Kommandant sein Amt nieder und verschwand von der ostukrainischen Bühne. Seitdem macht Girkin als Putin-Kritiker von sich reden. Der Kreml-Chef ist ihm nicht radikal genug. 

Miroslawa ist seit neun Jahren mit Girkin verheiratet und hat sich eigenen Angaben zufolge der humanitären Hilfe für den Donbass verschrieben. In ihren sozialen Netzwerken berichtet sie immer wieder von Spendenaktionen. Am 2. Februar schwärmte sie auf VKontakte, dem russischen Pendant zu Facebook, von einem "überraschenden Geschenk" von Alexander Borjak. Er habe "unentgeltlich 21 Pelzmäntel für die Witwen unserer gefallenen Beschützer" überreicht. 

Borjak ist ein Unternehmer aus Moskau und handelt vor allem mit Pelzen. Ihm gehört unter anderem die Boutique "Sobolluxury" im Zentrum der russischen Hauptstadt. Die reguläre Preisspanne der Pelze, die hier angeboten werden, liegt zwischen einer und drei Millionen Rubel (umgerechnet etwa 13.000 bis 38.000 Euro). Im aktuellen Sale kann man aber ein Zobel-Jäckchen für 9600 Euro ergattern.

Welche Modelle genau die Witwen in Donezk bekommen haben, ist nicht bekannt. Organisiert wurde die Aktion von Jewgeni Skripnik, einem Mitstreiter Girkins. Er ist derjenige, der die Frauen mit ihren Geschenken vor die Kamera brachte und die Aufnahmen in sozialen Netzwerken verbreitete. Fast jeden Tag berichtet er von Spendenaktionen. Meistens verteilt er an Soldatenwitwen 10.000 Rubel (128 Euro). Für das Protokoll lassen sich die Frauen mit den Geldscheinen ablichten. 

Pelze wieder weggenommen? 

Pelze, die ein Vielfaches wert sind, sind da eine Klasse für sich. Doch kaum waren die Mäntel überreicht, tauchten auch schon Gerüchte auf. Nach dem Posieren für die Kamera, sollen die Kleidungsstücke wieder eingesammelt worden sein. Auf Telegram behauptete eine Frau, eine der Beschenkten gewesen zu sein. "Diese Pelze wurden uns direkt nach den Dreharbeiten weggenommen", schrieb sie.

Manche der Beschenkten seien bereits weggewesen, aber sie und mindestens drei weitere Frauen hätten die Geschenke wieder abgeben müssen. Die ausgegebenen Pelzmäntel seien von schlechter Qualität. Man werde ihnen andere bringen, hieß es am Anfang. Später habe man ihnen mitgeteilt, dass die Geschenke für jemand anderen bestimmt worden waren.

Diese Geschichte bestätigte die Frau gegenüber dem Telegram-Kanal "Feministischer Antikriegswiderstand" und der unabhängigen Online-Zeitung "Nowaja Gazeta Europa"

"Heute hat mir das Geschäft geschrieben, das die Pelzmäntel verschenkt hat. Aber sie wissen überhaupt nichts, weder an wen sie die Pelze übergeben haben, noch für wen sie bestimmt waren. Wir denken, dass Skripnik dies ausgenutzt hat", erklärte die Frau. Und sie äußerte noch einen Verdacht. Von der bevorstehenden Aktion habe sie an ihrem Arbeitsplatz erfahren. "Das kommt oft vor, es wird etwas aus Moskau gebracht und gefilmt", sagte die Frau. Gleichzeitig behauptete sie, dass die Frauen, die für solche Videos und Fotos posieren, oft gar keine Witwen oder Mütter gefallener Soldaten seien.

Unabhängig überprüfen lassen sich beide Anschuldigungen nicht. Doch selbst Kreml-treue Telegram-Kanäle, die sonst nur Propaganda verbreiten, greifen die Geschichte auf – und sind geneigt, sie zu glauben. 

Wurden die Pelze geklaut? 

Unterdessen gibt es Hinweise darauf, dass die Pelzmäntel gar nicht aus Moskau geschickt worden sein könnten, sondern aus einem Geschäft in Cherson geraubt worden sind. Auf Telegram meldete sich eine Frau zu Wort, die eigenen Angaben zufolge die Besitzerin ist: "Das sind unsere Pelze. Aus unserem Geschäft in Cherson. Ich bin mir zu 200 Prozent sicher. (...) Man sieht sogar noch die Etiketten unseres Geschäfts", verwies sie auf die Videoaufnahme. 

Die Frau gab an, am 24. Februar die Ukraine verlassen zu haben und sich bis heute im Ausland aufzuhalten. Im Mai soll ihr Geschäft geplündert worden sein. 

Eine Stellungnahme zu den Beschuldigungen gab es seitens der Organisatoren der angeblichen Spendenaktion bislang nicht.