Politische Differenzen Scholz und Macron suchen nach Lösungen beim gemeinsamen Lunch. Sie haben viel zu besprechen

Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (r.)‚
Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (r.)‚
© Action Press
Die deutsch-französischen Beziehungen sind angespannt. Beim gemeinsamen Mittagessen wollen Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron die Verkrampfung allmählich lösen. Die Differenzen auf wichtigen Feldern sind groß.

Werden Olaf Olaf Scholz und Emmanuel Macron ihre Differenzen beim Lunch ausräumen können? Im Nachgang sind jedenfalls keine großen Worte über das heutige Arbeitsmittagsessen zu erwarten, die über ein rituelles Bekenntnis zur deutsch-französischen Freundschaft hinausgehen. 

Eine ursprünglich von der Bundesregierung angekündigte Pressekonferenz wird offenbar doch nicht stattfinden, somit würden der Bundeskanzler und der französische Präsident auf einen gemeinsamen Auftritt vor den Kameras verzichten. Schon wieder. Auch nach Macrons kürzlichem Besuch in Berlin trat das Duo nicht vor die Presse – das Treffen sei nunmal "sehr informell" gewesen, "ohne Statements und alles Mögliche", erklärte der Kanzler später.

Ob Statements (und alles Mögliche) oder nicht: Frankreich und Deutschland wähnen sich in einer kleinen Beziehungskrise. Davon zeugt auch das gemeinsame Mittagessen in Paris.

Eigentlich hätten die beiden Länder am heutigen Mittwoch beim deutsch-französischen Ministerrat in Fontainebleau den ganz großen Schulterschluss gesucht. Die Regierungskonsultationen der EU-Kernstaaten wurden jedoch kurzerhand auf Januar verschoben.

Hintergrund seien etwa logistische Schwierigkeiten, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, der von Parallelterminen sprach – und nicht von Urlaubsplänen deutscher Kabinettsmitglieder, wie "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" berichteten. Als Grund für die Verschiebung nannte Hebestreit aber auch anhaltenden Abstimmungsbedarf in "bilateralen Fragen", ohne näher ins Detail zu gehen.

Als Alternative nun also das Arbeitsmittagessen zwischen Scholz und Macron, ohne ihre Minister. Die Regierungschefs wollen sich dabei "über aktuelle bilaterale und europapolitische Fragen austauschen", wie es im Kalender des Kanzlers notiert ist. Tatsächlich dürften die beiden einiges zu besprechen haben. Die Differenzen auf wichtigen Feldern wie Verteidigung und Energie sind groß – und traten zuletzt offen zu Tage.

Wo es zwischen Emmanuel Macron und Olaf Scholz hakt

So dürfte Macron beim EU-Gipfel in Brüssel mindestens für Verstimmungen in Berlin gesorgt haben, als er vor einer deutschen Isolation gewarnt hatte. Gemeint war der deutsche Widerstand gegen einen europäischen Gaspreisdeckel in Kombination mit dem "Doppelwumms" des Kanzlers zur Abfederung der hohen Energiekosten. Einige EU-Länder – inklusive Frankreich – sehen darin die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Scholz meint hingegen, Frankreich und viele andere Länder handelten auch nicht anders. 

In Paris sah man sich vom deutschen 200-Milliarden-Euro-Rettungsschirm offenbar überrumpelt. "Der Élysée-Palast hat es als ernstes Problem angesehen, dass die Ampel-Regierung den engsten Partner nicht vorab über das 200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket informiert hat", zitierte "n-tv.de" die Frankreich-Expertin Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Macron-Team sei man sauer, dass Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt einen Tag vor der "Doppel-Wumms"-Entscheidung in Paris war und dort das 200-Milliarden-Paket nicht erwähnt haben soll. 

Aber auch Macron nimmt es mit der deutsch-französischen Abstimmung nicht immer so genau. So preschte er etwa mit der Idee der Europäischen Politischen Gemeinschaft alleine voran, anstatt den Vorschlag, den Berlin später unterstütze, gemeinsam mit Scholz zu präsentieren (mehr dazu lesen Sie hier).

Doch neben dem Zwist um die Bewältigung der Energiekrise gibt es weitere Streitthemen, insbesondere in der Verteidigungspolitik hakt es. Angesichts des Kriegs in der Ukraine wollen beide Länder die europäische Verteidigung stärken, doch bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten wie der Entwicklung des neuartigen Kampfflugzeugs FCAS geht es nicht so richtig voran.

Und während Deutschland mit 14 anderen Staaten ein besseres europäisches Luftverteidigungssystems aufbauen will, hält Frankreich sich raus, sorgt sich Berichten zufolge um ein mögliches Wettrüsten. Grund für die französische Zurückhaltung könnte aber auch sein, dass das Abwehrsystem aus Israel oder den USA kommen könnte – und das französisch-italienische System Mamba außen vor bleibt.

Doch bei allen Dissonanzen sollten auch die Fortschritte in den deutsch-französischen Beziehungen nicht außer Acht gelassen werden.

So liefert Frankreich seit Anfang Oktober erstmals Gas nach Deutschland und wird im Gegenzug mit (Atom-)Strom versorgt, wenn es die Lage erfordert. Darüber hinaus hat Macron seinen Widerstand gegen die spanische Anbindung an das europäische Gasnetz zumindest aufgeweicht – die umstrittene "Midcat"-Pipeline wird zwar nicht vollendet, wofür Scholz geworben hatte, allerdings durch den Bau einer dritten Energie-Pipeline ersetzt

Das deutsch-französische Verhältnis mag aktuell mehr einer Verkrampfung gleichen – doch Scholz und Macron dürften gewillt sein, sie bei ihrem Essen allmählich zu lösen. 

Quellen:  "Handelsblatt", "Süddeutsche Zeitung", "Der Spiegel", n-tv, mit Material der Nachrichtenagentur DPA