Türkei Opposition hält Istanbul und Ankara: Erdogans Partei verliert Kommunalwahlen

Anhänger der CHP feiern den Sieg in Istanbul.
Anhänger der CHP feiern den Sieg in Istanbul.
© Imago Images
Ein knappes Jahr nach seinem Sieg bei der Präsidentenwahl wollte Erdogan die Metropole Istanbul und andere Städte für seine AKP zurückerobern. Doch seine Kandidaten fallen krachend durch.
 

Die oppositionelle CHP ist bei den Kommunalwahlen in der Türkei offenbar stärkste Kraft geworden. Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Wahlzettel gewann die sozialdemokratisch orientierte Partei landesweit 37 Prozent der Stimmen und verteidigte die Bürgermeisterposten in den Metropolen Istanbul und Ankara, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Die islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan kam auf 36 Prozent. Im Südosten der Türkei war die prokurdische Partei DEM auf dem besten Weg, in vielen Kommunen die Mehrheit gewinnen.

In Istanbul lag Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der CHP laut Anadolu mit 50,6 Prozent der Stimmen vor seinem AKP-Herausforderer Murat Kurum, der auf 40,5 Prozent kam. "Laut den Daten, die wir erhalten haben, scheint es, dass sich das Vertrauen unserer Bürger in uns, ihr Glaube an uns ausgezahlt hat", sagte Imomoglu. Umfragen vor der Wahl hatten ein knappes Rennen vorhergesagt.

Deutlicher Vorsprung für Opposition in Ankara 

In Ankara lag Bürgermeister Mansur Yavas sogar 25 Prozentpunkte vor seinem Herausforderer. Die CHP gewann auch in Gebieten Stimmen hinzu, die als AKP-Hochburgen gelten. Sie siegte laut Anadolu in 36 der 81 Provinzen und verzeichnete damit ihren größten Erfolg, seit Erdogan vor mehr als 20 Jahren an die Macht kam. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 76 Prozent, nach 87 Prozent bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai vergangenen Jahres.

"Die Wähler haben sich für eine neue politische Ordnung in der Türkei entschieden", sagte CHP-Chef Özgür Özel vor jubelnden Anhängern. "Heute haben die Wähler beschlossen, das 22 Jahre alte Bild in der Türkei zu verändern und die Tür zu einem neuen politischen Klima in unserem Land zu öffnen."

Kurden fürchten Behinderung 

In den von Kurden dominierten Gebieten im Südosten lag die DEM zwar vielerorts vorn, doch war fraglich, ob ihre siegreichen Kandidaten ihre Ämter auch antreten können. In der Vergangenheit hat die AKP gewählte prokurdische Bürgermeister unter dem Vorwurf abgesetzt, sie hätten Verbindungen zu kurdischen Terroristen.

Erdogan räumte die Niederlage seiner AKP ein. Die Partei habe in der gesamten Türkei "an Höhe verloren", sagte er. "Leider konnten wir neun Monate nach unserem Sieg bei den Wahlen am 28. Mai bei den Kommunalwahlen nicht das gewünschte Ergebnis erzielen", sagte Erdogan. Das Volk habe der AKP eine Botschaft übermittelt, die sie mit mutiger Selbstkritik analysieren werde. "Wir werden unsere Fehler korrigieren und unsere Unzulänglichkeiten beseitigen", fügte er hinzu

Erdogan räumte Niederlage ein

Die Abstimmung am Sonntag galt als Barometer für die Popularität Erdogans, der die Kontrolle über wichtige städtische Gebiete zurückzugewinnen wollte, die seine AKP bei den Wahlen vor fünf Jahren an die Opposition verloren hatte. Der damalige Sieg der CHP in Ankara und Istanbul hatte den Nimbus der Unbesiegbarkeit Erdogans erschüttert.

Die Kommunalwahl in diesem Jahr fand vor dem Hintergrund einer hohen Inflation statt und die AKP musste sich mit neuer Konkurrenz auseinandersetzen: Die religiös-konservative Neue Wohlfahrtspartei YRP warb um konservative Wähler, die mit Erdogans Wirtschaftspolitik unzufrieden sind.

Wirtschaftskrise schlägt durch 

Für Erdogan war Istanbul mit seinen 16 Millionen Einwohnern besonders wichtig, wo er geboren und aufgewachsen ist und früher selbst Bürgermeister war. Der beliebte Imamoglu gilt als möglicher Herausforderer Erdogans bei der Präsidentenwahl 2028.

Der Direktor der in Istanbul ansässigen Denkfabrik Edam, Sinan Ülgen, sprach von einem überraschenden Wahlergebnis. Die Wähler hätten die AKP für die wirtschaftlichen Malaise bestrafen wollen. Die in die Höhe geschnellte Inflation habe dazu geführt, dass sich viele türkische Haushalte grundlegende Güter nicht mehr leisten können. AKP-Anhänger seien zu Hause geblieben oder hätten andere Parteien gewählt.

Kra/AP

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