Europa-USA Eine Ehe in der Krise

Angeführt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld stellen vor allem die Erzkonservativen in den USA die traditionellen Allianzen in Frage. Selbst zurückhaltendere Beobachter überlegen sich, ob die transatlantische Partnerschaft die «neue Ära» unbeschadet überstehen wird.

Im Zorn über den Widerspruch gegen einen Irak-Krieg stellen vor allem die Erzkonservativen in den USA die traditionellen Allianzen in Frage. Angeführt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verweisen sie das «alte Europa» mit Frankreich und Deutschland in die Ecke der Bedeutungslosen. Aber auch bedächtigere Beobachter überlegen sich, ob die transatlantische Partnerschaft die «neue Ära» und den von US-Präsident George W. Bush angeführten Krieg gegen den Terrorismus unbeschadet überstehen wird.

Es ist zunächst offen, ob die Breitseiten des Rumsfeld-Lagers gegen Deutsche und Franzosen mehr sind als der Versuch, Berlin und Paris auf Vordermann zu bringen. Der Rumsfeld-Vertraute Richard Perle, für den die Deutschen «keine Rolle mehr spielen» und der die Franzosen «frühere Alliierte» nennt, ist als Draufgänger bekannt. US-Außenminister Colin Powell glaubt an eine vorübergehende Eintrübung des Klimas. Er sieht in Europa keinen grundlegenden Anti-Amerikanismus, der das Bündnis gefährden würde, sondern eine gegen eine bestimmte Politik gerichtete Haltung. Wenn sich diese Politik ändere oder erfolgreich sei, würde sich rasch ein Wandel abzeichnen.

Erklärungen mit US-Nachhilfe

Dass die vom Weißen Haus genüsslich begrüßte «Spaltung» Europas zum Irak nur kurzfristig-taktisch bedingt ist, bezweifeln einige Analytiker allerdings. Sie schätzen die von Washington nachhaltig betriebene und unterstützte Erweiterung der NATO und der Europäischen Union (EU) als ein Mittel ein, den Schwerpunkt von den zusehends US-kritischen Gründerstaaten hin zu den von wirtschaftlicher Unterstützung abhängigen pro-amerikanischen Neuen im Osten zu verlagern. Kaum jemand in Washington glaubt, dass die Erklärung von zehn ost-und südosteuropäischen Ländern zu Gunsten der Irak-Politik ohne US-Nachhilfe erfolgte.

William R. Hawkins vom «US Business and Industrial Council» hielte es für keine Überraschung wenn mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg die damals geschmiedeten Bündnisse eine «neue Form» annähmen. Die französische und deutsche Opposition in den Vereinten Nationen habe nicht nur etwas mit den wirtschaftlichen Interessen oder Gegensätzen in der Nahost-Politik zu tun: «Es geht um ihre Vision von Europas Position in der Welt den USA gegenüber.» Wie Russen und Chinesen sähen die Europäer die Vorherrschaft der USA als Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit.

Andere betrachten die Politik von Bush als den Hauptgrund für die drohende transatlantische Entfremdung. Die Ankündigung des Präsidenten, er werde den Krieg gegen den Irak mit einer «Koalition der Bereiten» führen, wird als Modell für die Zukunft gehandelt. «Man kann sich heute vorstellen, dass Amerikas wichtigste Allianz der Zukunft nicht entlang der historischen und geographischen Trennungslinien in Europa gebaut wird, so wie die NATO,» schrieb der Kolumnist Jim Hoagland, sondern sich an demokratischen Werten und gemeinsamen Interessen in der Auseinandersetzung mit religiös begründetem Terrorismus und staatlicher Feindseligkeit orientiere. Die USA, Israel, Indien und Russland fielen unter diese Kategorie.

Differenzen «nichts neues»

Philipp Gordon meinte in der Zeitschrift «Foreign Affairs», dass amerikanisch-europäische Differenzen über Politik und globale Strategien nichts Neues seien. Neu und beängstigend seien die Zweifel daran, dass die Basis der Gemeinsamkeiten halte. Die europäischen Demokratien stünden den USA gewiss näher, als andere Länder es auf absehbare Zeit könnten. Der Texaner Bush und seine erzkonservativen Kabinettsmitglieder hätten allerdings mit den meisten europäischen Kollegen wenig gemein, stellte Gordon fest. Auf beiden Seiten des Ozeans müsse man höllisch aufpassen, dass aus der europäisch-amerikanischen «Scheidung» keine Wirklichkeit werde.

DPA
Herbert Winkler