Fall Timoschenko Ukraine weist die Gewalt-Vorwürfe zurück

Wurde Julia Timoschenko in der Haft tatsächlich geschlagen? Erste Zweifel an ihrer Darstellung kommen auf. Die Bundesregierung aber erwartet von der Ukraine generell die Beachtung der Menschenrechte.

Der ukrainische Regierungschef Nikolai Asarow hat den Westen im Fall Julia Timoschenko vor Voreingenommenheit gewarnt und zur Mäßigung aufgerufen. Angaben der Oppositionsführerin zu angeblichen Misshandlungen in der Haft dürften nicht ungeprüft übernommen werden, schrieb Asarow im sozialen Netzwerk Facebook.

Er riet dem Westen zur Vorsicht: "Jede Information, vor allem wenn es um aufsehenerregende Politik geht, sollte maximal geprüft werden mit verschiedenen Mitteln." Niemanden lasse es kalt, wenn behauptet werde, dass eine Frau im Gefängnis misshandelt worden sei. Die Ermittlungen der vergangenen Tage hätten die Anschuldigungen Timoschenkos gegen den ukrainischen Strafvollzug allerdings widerlegt, schrieb der Regierungschef. "Eins lässt sich genau sagen: Schläge oder Gewalt gegen Timoschenko hat es nicht gegeben."

Hat sich Timoschenko selbst verletzt?

Zuvor hatten auch unabhängige Medien in Kiew Zweifel an Timoschenkos Darstellung geäußert, dass Wächter sie verprügelt hätten. Die wegen Amtsmissbrauchs inhaftierte 51-Jährige hatte Fotos mit blauen Flecken an Bauch und Armen präsentiert. Die Staatsanwaltschaft hatte indirekt die Vermutung geäußert, dass die Politikerin sich die Hämatome selbst zugefügt haben könnte, um die internationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Timoschenkos Familie wies die Vorwürfe zurück.

Die deutsche Bundesregierung begründet ihre Kritik an der ukrainischen Führung nicht allein mit der Behandlung der früheren Regierungschefin. Vielmehr erwarte man von dem Land im Umgang mit Oppositionellen generell die Beachtung der Menschenrechte, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) der "Bild am Sonntag". "Sollten wir hier in den kommenden Wochen Fortschritte erleben, wäre das ein gutes Zeichen."

Steinmeier sieht Boykott skeptisch

Die Boykott-Drohungen gegen die teils in dem Land ausgetragene Fußball-Europameisterschaft begrüßte der für den Sport zuständige Innenminister ausdrücklich: "Die ukrainische Führung weiß, Europa schaut auf sie, und insofern ist die aktuelle Debatte im Sinne unseres Anliegens durchaus hilfreich." Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ermahnte die Ukraine in der "Bild"-Zeitung ebenfalls, die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier reagiert skeptisch auf Forderungen, die Spiele aus der Ukraine in ein anderes Land zu verlegen. Dieser sagte den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe: "Die sportlichen Wettbewerbe sollten nicht in den Dienst der Politik gestellt werden. Die Europameisterschaft sollte stattfinden. Sie sollte auch in der Ukraine stattfinden."

Timoschenko wird in der Ukraine behandelt

Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt, der zum Endspiel nach Kiew fahren will, forderte ebenfalls eine humanitäre Lösung für Timoschenko: "Die EM kann dazu beitragen, weil jetzt die Scheinwerfer der europäischen Öffentlichkeit stark auf dieses Land gerichtet sind", sagte er der "Passauer Neuen Presse" zur Begründung seiner Reisepläne.

Timoschenko, die an einem Bandscheibenvorfall leidet, hatte am Freitag eingewilligt, sich in der Ukraine behandeln zu lassen. Wie der Chef der Berliner Charité-Klinik, Karl Max Einhäupl, mitteilte, soll sie am kommenden Dienstag ins Zentrale Eisenbahnerkrankenhaus von Charkow gebracht werden. Dort werde ein Arzt der Charité mit Unterstützung einheimischer Kollegen sofort mit der Behandlung beginnen. "Das wird ein allgemeiner Schritt zur Lösung der Frage", sagte Einhäupl.

Zwangsernährung nicht ausgeschlossen

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich über die Behandlung Timoschenkos unter Beteiligung deutscher Ärzte erleichtert. Damit sei ein "erster Schritt" getan. "Jetzt muss die Gesundheit von Julia Timoschenko im Mittelpunkt stehen", sagte er in New York.

Die Oppositionsführerin ist nach eigenen Angaben seit zwei Wochen im Hungerstreik. Wie ihre Tochter Jewgenija Timoschenko mitteilte, hat sich ihr Befinden in den vergangenen Tagen weiter verschlechtert. Bei Fortdauer ihres Hungerstreiks wollten die ukrainischen Behörden eine Zwangsernährung nicht ausschließen.

Timoschenko, erbitterte Gegnerin von Präsident Viktor Janukowitsch, war im vergangenen Jahr in einem international umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Kritiker sprachen von Rachejustiz.

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nik/DPA