Verlegung in Charkiwer Klinik Deutscher Arzt behandelt Timoschenko

Julia Timoschenko soll ab Dienstag von einem deutschen Arzt in der Ukraine behandelt werden. Zuvor hatte die frühere ukrainische Regierungschefin auf einer Behandlung in der Charité bestanden.

Die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko soll ab Dienstag von einem deutschen Arzt in der Ukraine behandelt werden. Sie habe ihre vorläufige Zustimmung erteilt, dafür in ein Krankenhaus in Charkiw verlegt zu werden, teilte der Chef der Berliner Klinik, Karl Max Einhäupl, am Freitag in Charkiw mit. Timoschenko hatte bislang auf einer Behandlung in der Charité bestanden.

Der Fall Timoschenko belastet unterdessen auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine. Ein hochrangiger Politiker aus Kiew warnte Deutschland vor den Konsequenzen seiner harten Haltung. Sollten Vereinbarungen wie das derzeit auf Eis liegende EU-Assoziierungsabkommen an der Affäre Timoschenko scheitern, würden auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern leiden, sagte der für Außenpolitik zuständige Vize-Chef der Regierungspartei, Leonid Koschara, "Spiegel Online". Ohne das Abkommen werde der deutsche Zugang zum ukrainischen Markt begrenzt bleiben.

Außenhandelsverband-Präsident Anton Börner stellte sich dennoch hinter die Position der EU-Länder, das Assoziierungsabkommen nur nach Fortschritten bei der Rechtsstaatlichkeit zu unterzeichnen. Jedes Land, das sich enger an die Europäische Union binden wolle, müsse die europäischen Grundwerte respektieren, sagte er dem "Handelsblatt Online". Freiheit und Rechtstaatlichkeit stünden nicht zur Disposition.

Deutschland lieferte 2011 Waren im Wert von 5,3 Milliarden Euro in die Ukraine. Das entspricht einem Anteil von 0,5 Prozent der deutschen Exporte und reicht gerade noch zu einem Platz unter den 40 wichtigsten Abnehmern von Produkten "Made in Germany".

EU-Kommission will Spiele geschlossen boykottieren

Rund drei Viertel der Deutschen plädieren einer Umfrage zufolge für einen politischen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine. 74 Prozent halten ein Fernbleiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Minister für eine angemessene Reaktion auf die Inhaftierung der Ex-Regierungschefin, wie der Deutschlandtrend der ARD ergab. 23 Prozent teilten diese Auffassung nicht. Mit 53 Prozent gibt es auch eine Mehrheit für politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepublik.

Die Ukraine ist mit Polen Gastgeber der Fußball-Europameisterschaft im Juni und Juli. Die Gruppenspiele der deutschen Mannschaft finden in Charkow - nur wenige Kilometer von Timoschenkos Gefängnis entfernt - und in Lemberg statt. Die EU-Kommission hat am Donnerstag angekündigt, die Spiele in der Ukraine geschlossen zu boykottieren. Dazu gehört auch das Finale, das am 1. Juli in Kiew ausgetragen werden soll.

Timoschenko leidet an einem nicht behandelten Bandscheiben-Vorfall und hat aus Protest gegen Misshandlungen in der Haft vor zwei Wochen einen Hungerstreik begonnen. Deutsche Ärzte, die sie vor Wochen untersuchen konnten, bezeichneten ihren Zustand als besorgniserregend. Der ukrainische Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka betonte am Freitag jedoch, die einheimischen Staatsanwälte hätten keine Beweise für eine Misshandlung Timoschenkos durch Gefängniswärter gefunden hätten. Daher werde auch kein Strafverfahren eingeleitet.

AFP
fro/AFP