Die Rettung Griechenlands ist wieder ein Stück weiter in die Ferne gerückt. Weil die Athener Regierung die von den internationalen Geldgebern geforderte Sparsumme von 3,3 Milliarden Euro nicht vollständig im Detail nachweisen kann, verschieben die anderen Euro-Staaten abermals die Entscheidung über frische Hilfsmilliarden. Das für Mittwoch angesetzte Treffen der Finanzminister der 17 Euro-Länder in Brüssel über das zweite Rettungspaket für Hellas ist abgesagt worden. Als Grund nannte Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker, dass verlangte Kürzungen von 325 Millionen Euro nach wie vor nicht durch belastbare Haushaltsschritte untermauert seien.
Die Entscheidung kam unerwartet. Unmittelbar vor Junckers Erklärung hatte sich EU-Währungskommissar Olli Rehn noch zuversichtlich gezeigt, dass das neue Hilfspaket über mindestens 130 Milliarden Euro rasch beschlossen werden könnte: "Ich erwarte, dass wir bald in der Lage sein werden, über das neue zweite Programm für Griechenland zu entscheiden, und auch über das Angebot für die Privatsektorbeteiligung." Der Schuldenschnitt unter Beteiligung von Banken, Versicherungen und Fonds ist weitere Voraussetzung dafür, dass Hellas vor der Pleite bewahrt werden kann.
Lieber telefonieren anstatt treffen
Juncker bescheinigte der Athener Regierung, die geforderten Einsparungen nicht pünktlich geliefert zu haben. Angesichts des endlosen Geschachers in Athen teilte er mit, unter diesen Umständen mache ein persönliches Treffen der Minister keinen Sinn. Stattdessen sollten sie in einer Telefonkonferenz beraten. Es gebe die Sorge, dass die Verpflichtung der griechischen Parteien auf das Reformprogramm nicht klar und deutlich genug sei. Auch seien weitere Abstimmungen zwischen Athen auf der einen und der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) auf der anderen Seite nötig.
Das nächste reguläre Treffen der Euro-Finanzminister ist kommenden Montag in Brüssel. Die österreichische Vertreterin Maria Fekter äußerte sich zuversichtlich, dass die frischen Milliarden freigegeben würden. Ihr deutscher Kollege Wolfgang Schäuble (CDU) stellte jedoch klar, dass die Euro-Zone für den Fall einer Staatspleite mittlerweile besser gerüstet sei als vor zwei Jahren.
Ein Sparvorschlag liegt auf dem Tisch
Die Regierung in Athen war am Dienstag unter Vorsitz von Ministerpräsident Lukas Papademos zusammengekommen mit dem erklärten Ziel, die noch ausstehenden Sparschritte über 325 Millionen Euro festzulegen. Ein entsprechender Vorschlag dazu liege auf dem Tisch, sagte ein Regierungsvertreter, ohne konkret zu werden. Dieser sollte eigentlich am Mittwoch wie verlangt den Euro-Finanzministern präsentiert werden. "Die Regierung wird eine Lösung gefunden haben noch vor dem Euro-Gruppentreffen", hatte es geheißen.
Antonis Samaras, der Chef der griechischen Konservativen, soll für den Konflikt verantwortlich sein. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters soll er seine Unterschrift unter dem Sparprogramm verweigert haben. Samaras habe das das Dokument bislang nicht unterzeichnet, sagte ein Insider. Giorgos Papandreou, der die sozialistische Pasok führt, wiederum habe das Papier abgezeichnet.
Begleitet von friedlichen, aber auch gewaltsamen Protesten Zehntausender Griechen hatte das Athener Parlament in der Nacht zum Montag ein umfassendes Sparpaket beschlossen, das weiten Teilen der Gesellschaft erhebliche Opfer abverlangt. Rentner und sozial Schwache müssen einen starken Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen.
Mitte März droht der Staatsbankrott
Die regierenden Parteien suchen aktuell nach letzten Einsparungsmöglichkeiten, die Lücke von 325 Millionen Euro zu schließen, konnten sich aber bisher offenbar nicht einigen. Die internationalen Geldgeber verlangen, dass die geforderte Sparsumme von 3,3 Milliarden Euro vollständig erbracht wird, und bestehen darauf, dass jeder einzelne Euro, der weniger ausgegeben werden soll, durch konkrete Haushaltsschritte untermauert wird.
Am 20. März muss das Land Anleihen von knapp 15 Milliarden Euro ablösen. EU und IWF üben massiven Druck auf Athen aus, sich auf konkrete Einschnitte und Reformvorhaben zu verpflichten - ansonsten werde kein weiteres Geld fließen. Erfolgt bis 20. März keine Einigung, ist der Staatsbankrott faktisch besiegelt.
Griechenlands Wirtschaft am Boden
Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die griechische Wirtschaft dramatisch abgestürzt ist und die Rezession sich verschärft hat. Die Wirtschaftsleistung von Hellas brach auch 2011 massiv ein. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging um 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Das teilte die nationale Statistikbehörde (ELSTAT) mit. 2010 war die Wirtschaft um 4,5 Prozent geschrumpft. Die neuen Daten kamen nur wenige Tage, nachdem gemeldet worden war, dass die Arbeitslosigkeit weiter gestiegen ist. Die griechische Zentralbank war bis vor kurzem noch davon ausgegangen, dass die Wirtschaft des Landes 2011 um knapp vier Prozent geschrumpft ist. Ursache der rasanten Talfahrt ist nach übereinstimmender Einschätzung von Finanzexperten die Sparpolitik, die die Wirtschaft des Fast-Pleitestaates abwürgt.
Die Arbeitslosenquote betrug im November 20,9 Prozent und übertraf damit erstmals in der jüngeren Geschichte Griechenlands die Grenze von einer Million Menschen. Insgesamt waren 1.029.587 Bürger ohne Job. Noch vor zwei Jahren lag die Quote im gleichen Monat bei 13,9 Prozent und im Oktober 2011 waren es 18,2 Prozent.
Bosch-Chef fordert Austritt Griechenlands
Bosch-Chef Franz Fehrenbach fordert den Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union und der Euro-Zone. Das griechische System sei "marode und in einer Solidargemeinschaft eine untragbare Belastung", sagte Fehrenbach dem "Manager Magazin". Falls die Griechen den Schritt nicht freiwillig gingen, müsse die Gemeinschaft ihre Gesetze ändern und das Land ausschließen. Die EU-Verträge sehen den Ausschluss eines Mitgliedslandes nicht vor. Fehrenbach sagte, einem Staat wie Griechenland solle die EU den Austritt mit einer Strukturhilfe erleichtern. Nach der seiner Meinung nach fälligen Abwertung der Drachme wäre das Land vielleicht wieder wettbewerbsfähig. Derzeit habe "dieser Staat mit Phantomrentnern und reichen Nichtsteuerzahlern, ein Staat ohne funktionierende Verwaltung", in der EU nichts zu suchen. Die Mehrheit der deutschen Führungskräfte verliert einer Umfrage des Magazins zufolge die Geduld mit Athen. Demnach wollen 57 Prozent von 300 befragten Managern, dass Griechenland die Drachme wieder einführt.