Grenztourismus Russen fahren für Shopping-Touren nach Finnland. Die Regierung in Helsinki will das erschweren

Russische Kundinnen und Kunden in einem finnischen Supermarkt nahe der Grenze
Russische Kundinnen und Kunden in einem finnischen Supermarkt nahe der Grenze. Die Regierung will solche Kurztrips für russische Bürgerinnen und Bürger unterbinden.
© Alessandro RAMPAZZO / AFP
Seit einigen Wochen sind die Corona-Beschränkungen an den Grenzen aufgehoben, was viele Russen dazu verleitet, ins Nachbarland Finnland zu fahren. Dort wird dann munter eingekauft. Der Regierung in Helsinki und manchen Finnen ist das ein Dorn im Auge.

Der Grenzübergang Imatra im Südosten Finnlands, nicht weit von der Stadt Lappeenranta. Über Jahre war das der meist genutzte Grenzübergang zwischen Russland und dem nordischen Staat. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Grenzverkehr im Jahr 2020 eingeschränkt, Anfang 2021 wurde der Personenverkehr sogar ganz geschlossen. 

Zum 1. Juli hat Finnland aber seine Einreiseregeln gelockert; ein Impfnachweis muss nicht mehr gezeigt werden. Eine Regeländerung, die vor allem Reisende außerhalb des Schengenraums betrifft – und somit auch Russland, mit dem Finnland eine rund 1400 Kilometer lange Grenze teilt. Auch Russland selbst lockerte am 15. Juli seine Corona-Restriktionen an den Grenzen.

Und die Menschen in Russland machen von diesen Lockerungen Gebrauch, denn trotz Sanktionen können sie, wenn sie die notwendigen Dokumente haben, nach Finnland per Auto oder Bus einreisen. 

Russen kaufen Käse, Cola und Kaffee in Finnland ein

An einem Wochenende Mitte Juli haben zwischen 7000 und 8000 Menschen die Grenze von Russland nach Finnland passiert. Rund 80 Prozent davon seien russische Bürgerinnen und Bürger gewesen, wie der finnische Rundfunk Yle berichtete. 

Die meisten hätten ihren Finnland-Trip zum Besuch ihrer Immobilien oder für Wellness genutzt. Reisebusse fahren wieder von St. Petersburg über die Grenze. Ein weiterer großer Teil nutze die Fahrt nach Finnland zum Einkaufen. 

Besonders in Lappeenranta gehen die Russinnen und Russen auf Shopping-Tour, wie die finnische Zeitung "Ilta-Sanomat" berichtet. Oft würden Käse, Kaffee, Süßigkeiten, Fisch und Coca-Cola in den Einkaufswagen landen. 

Doch nicht allen gefällt der russische Einkaufstourismus. "Wir können nicht wissen, wer wirklich Touristen und wer Putins Handlanger sind. Ich denke, wir sollten die Grenze schließen oder zumindest die Visaerteilung einschränken", sagt eine Frau der Zeitung. Ein Mann meint hingegen: "Gewöhnliche Menschen sollten nicht bestraft werden." 

Mehrheit der Finnen will Visa-Vergabe an Russen einstellen

Laut einer neuen Yle-Umfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut Taloustutkimus durchgeführt wurde, sind mehr als die Hälfte der Menschen in Finnland der Meinung, dass das Land die Ausstellung von Visa für russische Touristen einstellen sollte.

Eine Einheimische erklärt der Nachrichtenagentur AFP: "Es ist nicht richtig, dass Russen frei nach Finnland reisen können. Das nimmt den Sanktionen die Grundlage." Die russischen Touristinnen und Touristen sind allerdings eine Einnahmequelle für Grenzstädte. Viele Ladenbesitzer in Lappeenranta machen sich laut AFP Gedanken darüber, was passiert, wenn der Besucherstrom aus Russland wieder abebbt. 

"Das ist die absurdeste Idee. Was haben sie davon, die normalen russischen Bürger zu isolieren?" fragte Mohamad Darwich, Chef des Supermarkts Laplandia Market, nur wenige Minuten von der russischen Grenze entfernt, die AFP. 

Dennoch will die Politik in Finnland die russischen Einkaufstouristen und Urlauberinnen begrenzen. 

Das Außenministerium in Helsinki hat laut Yle Geschäften davon abgeraten, Russinnen und Russen keine Luxusgüter zu verkaufen. Viele Firmen hätten dies auch schon getan. 

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Zoll findet unerlaubte Waren bei Kontrollen

Dies gelte insbesondere für den Verkauf von steuerfreien Waren, da der Verwendungszweck leichter nachvollzogen werden könne. Bevor ein Kauf getätigt werde, müsse der Händler nämlich den Reisepass des Kunden sehen. 

EU-Sanktionen gegen Russland verbieten bereits den Export von sogenannten Luxusgütern oder Waren im Wert von mehr als 300 Euro nach Russland, berichtet Yle weiter. Ausgenommen seien jedoch Ausfuhren von Elektrogeräten oder Smartphones bis 750 Euro oder sogar Autos bis 50.000 Euro. 

Nach Angaben des Außenministeriums muss ein Geschäft den Verkauf eines Produkts ablehnen, wenn klar ist, dass der Kunde beabsichtigt, das sanktionierte Produkt nach Russland zu exportieren.

Trotz des Verbotes gab es Versuche, solche Waren nach Russland zu schaffen. Wie die "Ilta-Sanomat" berichtet, wurden bei 2500 Kontrollen des finnischen Zolls zwischen dem 22. Und 26. Juli einhundert Mal Waren gefunden, die unter die Sanktionsliste fielen. Einem AFP-Bericht zufolge wurden bei Zollkontrollen allerdings auch Waren entdeckt, die die Moskaus "industrielle und militärische Fähigkeiten" stärken könnten, darunter Drohnen.

Regierung in Helsinki arbeitet an Visa-Beschränkungen 

Regierung und Parteien in Helsinki wollen dem russischen Shopping nun einen Riegel – oder besser gesagt einen Schlagbaum vorschieben. Die größten Fraktionen im finnischen Parlament wollen die Vergabe von Touristen-Visa an Russinnen und Russen erschweren, schreibt die finnische Zeitung "Helsingin Sanomat". Eine Idee sei es, die Visa-Vergabe ähnlich den ehemaligen Corona-Auflagen zu gestalten. Laut der Zeitung will Finnlands Präsident Niinistö das Thema mit der Regierung erörtern. Er habe dazu bereits mit dem Außenminister gesprochen. 

Außenminister Pekka Haavisto sagte laut "Ilta-Sanomat", dass eine Lösung für die Visa-Frage noch im August gefunden werden soll. Mitarbeitende des Außenministeriums hätten ihre Sommerferien unterbrochen und intensiv an Alternativen gearbeitet, so Haavisto laut dem Blatt. 

Russische Touristen kommen mit dem Bus am Grenzübergang Nuijamaa an
Russische Touristen kommen mit dem Bus am Grenzübergang Nuijamaa an
© Alessandro RAMPAZZO / AFP

Dem finnischen TV-Sender MTV sagte der Außenminister am Donnerstag, er habe der Regierung ein Modell vorgestellt, bei dem die Zahl der russischen Touristenvisa-Anträge begrenzt würde. Laut Haavisto wird sein Vorschlag vom Rest der Regierung unterstützt, so MTV. Der Außenminister betonte aber, dass die neuen finnischen Regelungen mit den anderen Schengenländern abgestimmt werden müssten. Auch mit den EU-Außenministerinnen und -ministern wolle man sich abstimmen. 

Mehrere Staaten, etwa die baltischen Länder und Polen, stellen bereits Touristen-Visa aus Russland nicht mehr aus oder akzeptieren diese. 

Kreml droht mit Konsequenzen

Finnland stellt mit seiner noch offenen Visa-Politik für russische Bürgerinnen und Bürger einen letzten Weg in die EU dar. Flüge zwischen Russland und der EU sind wegen Sanktionen kaum noch möglich. Ein Schengen-Visum ermöglicht es aber theoretisch, im gesamten Schengen-Raum zu reisen, worin sich auch die meisten EU-Länder befinden. 

Laut einem Yle-Bericht suchen viele junge Russinnen und Russen über den Messenger-Dienst Telegram nach Mitfahrgelegenheiten nach Finnland, viele davon zum Vantaa-Flughafen nahe Helsinki. Eine Reise von St. Petersburg nach Helsinki koste dabei um die 250 Euro. 

Russland drohte bereits Finnland, sollte man sich dazu entschließen, keine Touristen-Visa mehr an Russinnen und Russen zu erteilen. Russland werde laut Kreml-Pressesprecher Dmitri Peskow "sehr negativ" reagieren, so Yle. "Alle derartigen Aktionen gegen russische Bürger würden Gegenmaßnahmen und eine Reaktion erfordern – das sollte verständlich und zu erwarten sein", sagte Peskow. 

Auch Finnen fahren nach Russland – vermutlich wegen billigen Benzins

Es sind allerdings nicht nur Menschen aus Russland, die nach Finnland reisen, um dort einzukaufen. Auch finnische Bürgerinnen und Bürger passieren die Grenze nach Russland, allerdings in einem geringeren Ausmaß, berichtete MTV kurz nach der Öffnung der russischen Grenze. Es seien "einige Dutzend" auf der russischen Seite gewesen, sagte der Grenzschutzbeamte Juhani Saari vom Grenzübergang Vaalimaa gegenüber MTV. 

Er vermutete, dass einer der Gründe möglicherweise der billigere Treibstoff Russlands sei. "Es wird davon ausgegangen, dass einige der Fahrten im Zusammenhang mit dem Tanken und der Suche nach Kraftstoff stehen." 

Quellen: Yle, AFP, MTV, "Helsingin Sanomat", "Ilta-Sanomat"