Israel beschuldigt Hisbollah Raketeneinschlag auf Golanhöhen: Trauer um tote Kinder – Sorge vor Eskalation

Angehörige der drusischen Minderheit trauern bei der Beerdigung ihrer Angehörigen in den israelisch kontrollierten Golanhöhen
Angehörige der drusischen Minderheit trauern bei der Beerdigung ihrer Angehörigen in den israelisch kontrollierten Golanhöhen
© Ilia Yefimovich / DPA
Eine angeblich von der Hisbollah abgefeuerte Rakete auf die von Israel besetzten Golanhöhen hat mindestens zwölf Kinder und Jugendliche getötet. Israel schlug bereits zurück, die Angst vor einer Eskalation wächst.

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Nach dem tödlichen Raketenangriff auf den Golanhöhen sendet der Iran widersprüchliche Signal zu einer möglichen Ausweitung des Kriegs mit Israel und der Hisbollah. Das iranische Außenministerium machte Israel selbst für den Angriff in Madschdal Schams verantwortlich, bei dem mehrere Kinder und Jugendliche getötet wurden. "Dieses Massaker ist ein Krieg gegen die Menschheit und verstößt gegen alle international anerkannten Gesetze und Vorschriften", sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani laut der Nachrichtenagentur Isna. Israel hatte dagegen die vom Iran unterstützte Hisbollah verantwortlich gemacht, die jede Verantwortung bestritt.

Israel übt bereits Vergeltung

Als Vergeltung hat Israel nach eigenen Angaben mehrere Ziele im Libanon angegriffen. Dabei handele es sich unter anderem um Waffenlager der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Der Vorfall löste international Angst vor einer Eskalation der Gewalt in der Region aus. UN-Vertreter riefen beide Parteien nachdrücklich zu "größtmöglicher Zurückhaltung" auf. Auch die USA und die EU verurteilten den Angriff.

Bei dem Raketeneinschlag sind mindestens zwölf Kinder und Jugendlich getötet worden. Das berichteten israelische Medien und ein ranghoher Mitarbeiter im israelischen Außenministerium. Sie seien bei einem direkten Treffer in dem arabischen Dorf Madschdal Schams gestorben, gab der Rettungsdienst Magen David Adom in einer aktualisierten Bilanz an. 20 weitere Jugendliche seien bei dem Angriff auf einen Fußballplatz verletzt worden. Der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, sprach vom "tödlichsten Angriff gegen israelische Zivilisten seit dem 7. Oktober".

Israel beschuldigt Hisbollah

Hagari erklärte, bei dem Geschoss handele es sich um eine Falak-1-Rakete iranischer Bauart mit einem 50 Kilogramm schweren Sprengkopf. Dieses Modell befinde sich "ausschließlich im Eigentum der Hisbollah". "Die Terrororganisation Hisbollah steckt hinter dem Raketenbeschuss eines Fußballfeldes in Madschdal Schams", so die israelische Armee. Die Hisbollah habe rund 40 Raketen vom Libanon auf die Golanhöhen abgefeuert. "Hisbollah-Terroristen haben heute Kinder brutal angegriffen und ermordet, deren einziges Verbrechen es war, zum Fußballspielen rauszugehen. Sie sind nicht zurückgekehrt", sagte der israelische Präsident Isaac Herzog.

"Es gibt keinen Zweifel, dass die Hisbollah alle roten Linien überschritten hat", sagte Außenminister Israel Katz dem Fernsehsender Channel 12. "Wir stehen vor einem umfassenden Krieg." Das könne mit hohen Kosten für Israel verbunden sein, aber die Kosten für die Hisbollah würden noch höher sein, warnte der Chefdiplomat. Kurz darauf kündigte Israel eine "Reaktion" an. "Wir werden uns auf eine Reaktion gegen die Hisbollah vorbereiten, wir werden unsere Auswertungen abschließen und wir werden handeln", sagte Militärsprecher Daniel Hagari.

Hisbollah habe "keine Verbindung" zu Einschlag auf Golanhöhen

In einer Erklärung der Hisbollah hieß es, man habe mit dem Vorfall nichts zu tun. "Der Islamische Widerstand hat keine Verbindung zu diesem Vorfall", gab die Hisbollah in Bezug auf ihren militärischen Flügel an.

Die geschäftsführende Regierung des Libanon hat nach dem Einschlag "alle Gewalthandlungen und Attacken gegen Zivilisten" verurteilt. Sie rief zu einem "umgehenden Ende der Kampfhandlungen an allen Fronten auf", wie die geschäftsführende Regierung der Staatsagentur NNA zufolge mitteilte. Angriffe gegen Zivilisten seien ein "eklatanter Bruch des Völkerrechts". 

Der Libanon hat die USA derweil gebeten, mäßigend auf Israel einzuwirken. Ein signifikanter israelischer Angriff auf sein Land könnte einen regionalen Krieg auslösen, sagte der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib der Nachrichtenagentur Reuters. Im Gegenzug solle seine Regierung einen US-Appell zur Mäßigung an die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz übermitteln.

Experte: Rakete kam nicht von Israels Abwehrsystem

Die Hisbollah soll gegenüber den Vereinten Nationen erklärt haben, dass eine israelische Abwehrrakete die Explosion verursacht habe. Dies berichtete die Nachrichtenseite Axios unter Berufung auf US-Regierungsvertreter.

Ein Militärexperte für den Nahen Osten hält diese Theorie für sehr unwahrscheinlich. Der Gründer des Militärinstituts INEGMA in Dubai, Riad Kahwadschi, sagte der DPA, die große Explosion im Ort Madschal Schams deute auf einen "großen Sprengkopf" hin.

Die beim Abwehrsystem Iron Dome eingesetzten Sprengköpfe seien meistens kleiner, sagte Kahwadschi. "Ihr Ziel ist, bei einem Angriff auf israelisches Gebiete eine Rakete schon in der Luft zur Explosion zu bringen." Die Explosion in Madschdal Schams sei aber deutlich größer gewesen, sagte Kahwadschi. Zudem sei ihm bisher kein Vorfall bekannt, bei dem eine israelische Abwehrrakete so viele Menschen getötet habe. Möglich sei dieses Szenario höchstens dann, wenn viele Menschen nah beieinander stünden.

Gefechte an der Grenze zum Libanon werden immer heftiger

Die israelische Militärexpertin Sarit Zehavi verwies darauf, dass die Schiiten-Miliz zuvor Angriffe auf eine israelische Militärbasis auf dem Berg Hermon für sich reklamiert habe. "Es ist sehr leicht, die Basis auf dem Berg Hermon mit ungenauen Raketen, wie etwa der Falak, zu verfehlen", meinte sie. Madschdal Schams liege unmittelbar darunter. 

Die israelischen Streitkräfte und die Hisbollah liefern sich seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Zuletzt nahm die Intensität deutlich zu. Auf beiden Seiten gab es bereits Tote. Die Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Seit langem wird befürchtet, dass sich der Konflikt ausweiten könnte. 

In dem nun angegriffenen Dorf leben vor allem Drusen. Die arabischsprachige Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen und siedelt heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien. 

Die Golanhöhen sind ein strategisch wichtiges Felsplateau, etwa 60 Kilometer lang und 25 Kilometer breit. 1967 hat Israel die Region erobert und 1981 annektiert. International ist das aber nicht anerkannt, die Gebiete gelten als von Israel besetztes Territorium Syriens.

DPA · AFP · Reuters
mkb / yks