Die Uhr läuft ab, bald müssen im griechischen Schuldendrama Entscheidungen her. Möglicherweise fallen die schon am kommenden Wochenende beim Treffen der Eurogruppe oder bei einem möglichen EU-Sondergipfel direkt im Anschluss. Spätestens aber Ende nächster Woche sollten sich die Geldgeber und Athen auf ein Reform- und Finanzierungspaket geeinigt haben – denn ohne grünes Licht droht Griechenland Ende des Monats die Pleite und damit womöglich das Ausscheiden aus dem Euro.
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+++ US-Finanzminister fordert Griechen zu "ernsthaften" Anstrengungen auf +++
Die USA fordern Griechenland im Schuldenstreit mit seinen Gläubigern zu "ernsthaften" Anstrengungen auf. Wie das US-Finanzministerium mitteilt, telefonierte Finanzminister Jacob Lew mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras. Dabei ermahnte Lew die griechische Regierung, "ernsthaft" Initiative zu zeigen, um einen "pragmatischen Kompromiss mit den Gläubigern" zu erzielen.
Ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen wäre nicht nur mit unmittelbaren Problemen für Griechenland verbunden, sondern würde auch eine "generelle Unsicherheit für Europa und die Weltwirtschaft" bedeuten, warnte Lew nach Angaben seines Ministeriums. Lew sagte Tsipras zudem, dass die USA, obgleich sie kein direkter Verhandlungspartner bei den Gesprächen sind, "mit allen Seiten zusammenarbeiten".
+++ Juncker wirft griechischer Regierung Wählertäuschung vor +++
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wirft der griechischen Regierung vor, ihre Wähler über Vorschläge der EU zur Lösung der Schuldenkrise zu täuschen. "Die Debatte sowohl in als auch außerhalb Griechenlands wäre einfacher, wenn die griechische Regierung genau das wiedergeben würde, was die Kommission wirklich vorschlägt", sagt Juncker. "Ich werfe den Griechen vor, der griechischen Bevölkerung Dinge gesagt zu haben, die nicht mit dem übereinstimmen, was ich dem griechischen Ministerpräsidenten gesagt habe."
+++ Tsipras spricht von "krimineller Verantwortung" +++
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras wirft dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine "kriminelle Verantwortung" für die Finanzkrise vor. Das Vorgehen der Geldgeber sei "Teil eines politischen Plans", ein gesamtes Volk zu demütigen.
+++ FDP fordert Varoufakis-Entlassung +++
FDP-Chef Christian Lindner hat den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras aufgefordert, seinem Finanzminister Yanis Varoufakis den Laufpass zu geben. "Ministerpräsident Tsipras sollte der Euro-Zone sein ernsthaftes Interesse an einer Stabilisierung seines Landes zeigen, indem er seinen Finanzminister entlässt", sagte Lindner der Nachrichtenagentur DPA. Varoufakis blockiere mit Schimpf-Tiraden und Tricksereien die Chance auf eine Einigung. Tsipras müsse eine Wahl treffen: "Will er weiter mit Varoufakis die Euro-Zone als Spielwiese nutzen, oder kehrt er an den Tisch seriöser Gespräche zurück?"
+++ Volker Kauder: "Schlaft alle ganz ruhig +++
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hält ein Einlenken Griechenlands bei der Bewältigung der Schuldenkrise für möglich. "Ich habe den Eindruck, dass die Griechen sich schon überlegen, dass die Regierung eine große Verantwortung auch für die Griechinnen und Griechen selbst hat. Denn die griechischen Rentner wollen ihre Rente in Euro und nicht in Drachme", sagte er vor einer Sitzung der CDU/CSU-Fraktion und plädiert für Gelassenheit: "Schlaft alle ganz ruhig. Die Entscheidung kommt auf uns zu, und dann werden wir schon den richtigen Weg finden."
+++ Tsipras und Varoufakis: Unser Spielraum ist ausgereizt +++
Die griechische Regierung ist bereit, an den Verhandlungstisch mit den Gläubigern zurückzukehren. Das Land habe aber nichts mehr zu geben. Es habe die Grenzen dessen erreicht, was es ertragen könne, sagte Regierungschef Alexis Tsipras bei einer Rede vor seiner Parlamentsfraktion in Athen. "Ich glaube, wir sind auf der Zielgeraden", so Tsipras weiter, Europa müsse aber "aufhören, sich selbst ins Bein zu schießen". Auch Finanzminister Varoufakis sieht keinen Spielraum für ein weiteres Entgegenkommen im Schuldenstreit. Die griechischen Spar- und Reformvorschläge seien bereits so "hart und unmenschlich", wie es die Deutschen für sich selbst nie akzeptieren würden, sagte er "Spiegel Online".
+++ Dax dämmt Verluste ein +++
Die anhaltende Zitterpartie um Griechenland hat den Dax am Dienstagnachmittag nur noch etwas belastet. Nachdem das Börsenbarometer am Morgen noch unter die Marke von 10.800 Punkte gesackt war, machte sich zuletzt ein wenig Entspannung breit: Zuletzt lag der deutsche Leitindex nur noch mit 0,30 Prozent im Minus bei 10.951,68 Punkten. Seit dem Rekordhoch vom 10. April hat der Dax aber inzwischen mehr als elf Prozent eingebüßt.
+++ Merkel ruft Griechenland zu Einigung auf +++
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ruft Athen eindringlich zu einer Einigung mit den Gläubigerinstitutionen auf. Auch beim Treffen der Finanzminister der Eurogruppe am Donnerstag und Freitag in Luxemburg könne "nur etwas entschieden werden, wenn es einen gemeinsamen Vorschlag der drei Institutionen mit Griechenland gibt", so Merkel nach einem Treffen mit Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel in Berlin. Es gehe "im Kern darum, dass Griechenland notwendige Reformen durchführt". Sie wolle aber "alles dafür tun, was möglich ist, um Griechenland in der Eurozone zu halten".
+++ Deutsche Urlauber bleiben Griechenland treu +++
Die Gefahr einer Staatspleite Griechenlands schreckt deutsche Urlauber nicht. Im Gegenteil: Die Geschäfte laufen nach Aussagen der beiden großen Reisekonzern TUI und Thomas Cook ("Neckermann") gut. "Die Buchungen liegen knapp über dem Niveau des bereits sehr guten Jahres 2014", sagte ein Sprecher von TUI Deutschland. Es gebe keine besorgten Anrufe in den Call Centern oder Stornierungen. Auch der Zahl der Buchungen tut die Zuspitzung der Krise in dem Mittelmeer keinen Abbruch. "Wir haben eine akzeptable Zahl von Neubuchungen für den Sommer", sagte ein Sprecher von Thomas Cook.
+++ Griechenland hält Milliarden-Rückzahlung an IWF offen +++
Der griechische Regierungschef Tsipras will sich Medienberichten zufolge nicht mehr auf eine Rückzahlung der Tilgungsrate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) festlegen. Das habe er bei einem Treffen mit den Chefs pro-europäischer Oppositionsparteien gesagt, berichteten griechische Medien. Tsipras behalte sich als eine Option vor, die am 30. Juni fällige, gebündelte Tilgungsrate an den IWF in Höhe von knapp 1,6 Milliarden Euro nicht zu bezahlen, falls es bis Ende des Monats zu keiner Einigung mit den Gläubigern kommen sollte. Laut "Bild"-Zeitung soll die Zahlung um sechs Monate verschoben werden. Viele Experten trauen dem Krisenland nicht mehr zu, den Milliardenbetrag aus eigener Kraft zu stemmen.
+++ EU berät über "weniger vorteilhafte" Szenarien +++
Die Euro-Staaten sprechen EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis zufolge auch über die Folgen eines Scheiterns der Griechenland-Verhandlungen. "Es gibt einige Diskussionen in der Euro-Arbeitsgruppe, was die möglichen Auswirkungen von weniger vorteilhaften Szenarien sind", sagte Dombrovskis in Vilnius. Es sei verständlich, dass die Euro-Staaten nervös seien. Die EU-Kommission arbeite aber weiter daran, eine Einigung zu erreichen. Es sei jedoch politische Bewegung auf der griechischen Seite nötig, damit dies gelinge.
+++ In der Union rumort es gewaltig +++
Angesichts der stockenden Verhandlungen der internationalen Geldgeber mit Griechenland schwindet bei CDU und CSU die Geduld mit der Regierung in Athen. "Ich bin mir nicht mehr sicher, ob die griechische Regierung wirklich Schaden von ihrem Volk abhält", sagt Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Auch die Stimmen gegen weitere Finanzhilfen werden lauter. Die Union gibt die Schuld an der Blockade der linksgeführten Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Deren "permanente Verweigerungshaltung" sei für viele in der Unionsfraktion "nur noch schwer nachzuvollziehen", sagte Grosse-Brömer. Wenn Griechenland kein "solides Reformpaket" vorlege, sei "notfalls ein Grexit hinzunehmen".
+++ EU erwägt Sondergipfel +++
Angesichts des festgefahrenen Schuldenstreits mit Griechenland denkt die Europäische Union bereits an einen Sondergipfel am Wochenende. Ein Krisentreffen der EU-Staats- und Regierungschefs sei "möglich" und würde dann "wahrscheinlich" am Sonntag stattfinden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus einer EU-Quelle in Brüssel. Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis erklärte, er werde beim Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag und Freitag keine neue Reformliste vorlegen. Auch ein zweiter EU-Vertreter in Brüssel sagt, ein Sondergipfel sei "nicht ausgeschlossen". Alles hänge "von den Ergebnissen der Eurogruppe" ab. "Ein Gipfel ist nicht völlig auszuschließen", sagte ein dritter Verantwortlicher. Ob dieses nur die Euroländer oder alle 28 EU-Mitgliedstaaten betreffen werde, sei aber noch unklar.
+++ Putin trifft Tsipras in St. Petersburg +++
Der russische Präsident Wladimir Putin und Alexis Tsipras sehen sich nach Kremlangaben an diesem Freitag in St. Petersburg. Beim internationalen Wirtschaftsforum sei ein Arbeitstreffen der beiden geplant, so Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Es ist bereits der zweite Besuch Tsipras' in Russland seit seinem Amtsantritt Ende Januar.
+++ Weiter keine neuen Reformvorschläge aus Athen +++
Die EU-Kommission hat nach eigenen Angaben keine neuen Reformvorschläge aus Griechenland zur Lösung des Schuldenstreits erhalten. "Bisher wurden keine neuen Dokumente ausgetauscht oder Treffen abgehalten", sagt der Chefsprecher der Brüsseler Behörde, Margaritis Schinas. Die Kommission sei aber 24 Stunden am Tag besetzt, falls etwas Neues passiere. Am Sonntagabend hatte die Kommission einen Vermittlungsversuch mit Vertretern der griechischen Regierung abgebrochen.
+++ Tsipras zu "zwei, drei Gesten" bereit +++
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras ist nach Angaben eines Oppositionsführers noch zu Zugeständnissen an die Geldgeber bereit, falls diese Athen auch noch entgegenkommen. Tsipras habe ihm gesagt, es gebe "noch zwei, drei Gesten, die er machen könnte", sagt Stavros Theodorakis von der Mitte-links-Partei To Potami nach einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten. Tsipras hoffe im Gegenzug auf entsprechende "Gesten" der Gläubiger und dass diese "einige Schritte zurückgehen". Der To-Potami-Chef war der erste von mehreren Parteiführern der Opposition, die Tsipras am Dienstag über den Stand der Verhandlungen mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) unterrichtete.
+++ Europäischer Gerichtshof genehmigt der EZB Kauf von maroder Staatsanleihen +++
Die Europäische Zentralbank (EZB) darf Anleihen von notleidenden Euro-Staaten kaufen, um damit auch die Stabilität des Euro zu sichern. Die EZB müsse dabei aber sicherstellen, dass der Ankauf nicht zu einer verbotenen direkten Finanzierung der Staatshaushalte führt, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Auslöser für die Entscheidung war die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi im Jahr 2012, die EZB werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen kaufen, um Finanzspekulationen gegen den Euro zu stoppen und dessen Preisstabilität gewährleisten. Gegen diese Aufkaufsankündigung hatte unter anderem der CSU-Politiker Peter Gauweiler geklagt.
+++ Tsipras-Äußerungen erzürnen SPD +++
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat mit seinem Vorwurf, die Sparauflagen plünderten sein Land aus, erneut Verärgerung bei deutschen Abgeordneten hervorgerufen. "Tsipras ist offenkundig in einer solch verzweifelten Lage, dass er nur noch mit Diffamierung ablenken will", sagt der SPD-Politiker Joachim Poß. Vielmehr sei Griechenland über Jahrzehnte von Oligarchen und wirtschaftlich Mächtigen ausgeplündert worden. "Zu den wichtigsten griechischen Problemen gibt es von der populistischen Syriza-geführten Regierung bis heute keine zielführenden Vorschläge", bemängelt Poß. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte zuletzt deutlich schärfere Töne gegenüber Athen angeschlagen.
+++ Athen weißt Notfall-Pläne zuürck +++
Griechenland widerspricht einem Zeitungsbericht, nach dem die Euro-Länder sich auf einen Notfallplan verständigt hätten. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, der Plan beinhalte auch die Vorbereitung von Kapitalverkehrskontrollen an diesem Wochenende. Zunächst wollten die Gläubiger aber abwarten, ob eine Einigung bis Ende der Woche gelingt. Diese Kontrollen würden Geldüberweisung begrenzen oder sogar völlig unmöglich machen. Seit Wochen ziehen Griechen aus Furcht vor einem Grexit täglich viele Millionen Euro von ihren Konten ab oder transferieren das Geld ins Ausland.
+++ Große Mehrheit der Griechen will Euro behalten +++
Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GPO sprechen sich 69,7 Prozent der Griechen für den Verbleib in der Eurozone aus - auch wenn dies mit harten Sparmaßnahmen verbunden sein würde. Fast ebenso viele (67,8 Prozent) glauben, dass trotz der Streitigkeiten mit den Gläubigern Athen am Ende nachgeben und die Sparmaßnahmen der
Geldgeber akzeptieren werde. Der Unterstützung der Regierungspartei tut dies aber keinen Abbruch. Würde jetzt gewählt werden, bekäme Tsipras' Linkspartei Syriza mit 35,1 Prozent die meisten Stimmen. Die Konservativen würden auf 23 Prozent kommen, die pro-europäische Partei To Potami auf sechs Prozent.
+++ Varoufakis warnt vor Auflösung Europas +++
Wenige Tage vor den entscheidenden Sitzung über die Zukunft Griechenlands als Euroland gibt Finanzminister Yanis Varoufakis fleißig Statements ab. Auf Kreta spricht er nun davon, dass die von den Gläubigern Griechenlands geforderten Sparmaßnahmen zur Auflösung Europas führten. Sie böten keine Lösung der Finanzkrise, sondern eine Erniedrigung der Griechen Griechenland werde weiterhin logische Gegenvorschläge machen. Aber wenn es drauf ankomme, dürfe Athen einen Bruch nicht ausschließen.
+++ "Süddeutsche Zeitung": Euro-Länder beschließen Griechenland-Notfallplan +++
Die Euro-Partner haben sich angesichts des festgefahrenen Schuldenstreits mit Athen auf einen Notfallplan für Griechenland verständigt, berichtet die "Süddeutsche". Dieser sehe im Falle eines endgültigen Scheiterns der Verhandlungen eine Kontrolle des griechisch-europäischen Zahlungsverkehrs vor, so das Blatt unter Berufung auf Quellen in Berlin und Brüssel. Der Notfallplan sieht vor, am eine Kontrolle des griechisch-europäischen Zahlungsverkehrs vorzubereiten. Dazu müssten die Banken in Griechenland einige Tage geschlossen bleiben. Nach deren Wiedereröffnung könnten tägliche Abhebungen an Geldautomaten und der elektronische Zahlungsverkehr im Inland eingeschränkt sowie der ins Ausland gesperrt werden. Solche Kapitalverkehrskontrollen dienen dazu, einen Bankensturm und den massenhaften Abfluss von Banknoten zu verhindern. Sie wurden erstmals 2013 zwischenzeitlich in Zypern eingeführt, als der Staat ein Rettungsprogramm beantragt hatte. Da der freie Waren- und Geldverkehr ein Grundprinzip der Europäischen Union ist, müsste die Regierung in Athen ein Sondergesetz verabschieden.