US-Präsident George W. Bush hatte sich den Feldzug so schön vorgestellt. Hier die technisch hochgerüstete Supermacht, dort der Despot mit einer Armee, deren Ausrüstung im nächsten Antiquariat zusammengekauft schien. Für die meisten Beobachter war die Sache klar, der Krieg eine Sache von Tagen.
Hundert Iraker halten die hochgerüstete US-Armee in Atem
Doch eine knappe Woche nach Kriegsbeginn ist der alliierte Vormarsch auf zäheren – und vor allem unorthodoxeren – Widerstand gestoßen als erwartet. Mehr als zwanzig US-Soldaten sind bereits gefallen oder werden vermisst; von den Kämpfern, die im "friendly fire" einer verwirrten Technik starben, gar nicht zu reden. In der kleinen, aber wegen ihres für den Nachschub dringend benötigten Hafens strategisch wichtigen Stadt Umm Kasr kämpfen britische und amerikanische Truppen noch immer gegen einen Feind, der nur schwer zu fassen ist. Die Einnahme der Stadt, schon in den ersten Kriegstagen voreilig verkündet, mussten die USA inzwischen kleinlaut zurücknehmen. Ganze hundert irakische Soldaten vermuten britische Militärkreise in Umm Kasr. Doch die halten die alliierten Kämpfer seit Tagen in Atem.
Auch in Basra, der zweitgrößten Stadt des Irak, wird weiterhin erbittert gekämpft. "Das kommt nicht unerwartet", sagte der britische Oberstleutnant Ronnie McCourt, "dies ist kein Videospiel, in dem alles klar und sauber und eindeutig ist." Zu Beginn des Krieges klang das noch ganz anders, war die Rede von "präzisen Schlägen", prahlte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gar damit, man werde "nur das treffen, was wir auch treffen wollen."
Die neue Taktik: Schwierigkeiten lieber ausweichen
Angesichts des unerwarteten Widerstands haben sich Amerikaner und Briten jetzt offenbar auf die Strategie verlegt, schwieriges Terrain lieber gleich zu umgehen. So verzichteten die Alliierten auf eine Besetzung der Stadt Nassarijah, wo am Wochenende noch heftige Gefechte getobt hatten. Man habe "feindliche Truppen absichtlich umgangen", musste US-Oberbefehlshaber Tommy Franks zerknirscht einräumen.
Unversehens finden sich die USA und ihre Verbündeten in der Rolle des bis an die Zähne hochgerüsteten Goliath wieder, der trotz aller Technik nicht mit dem mittelalterlichen Waffenarsenal des kleinen David fertig wird. Denn was in Basra und Umm Kasr passiert, steht den Amerikanern in Bagdad in verschärfter Form bevor: Zähe, verlustreiche Häuserkämpfe ohne klare Fronten. Schon mehren sich die Warnungen von Militärexperten, die USA hätten für einen solchen Krieg alten Stils gar nicht genug "Stiefel am Boden", also Truppen in der Region. Die Entsendung britischer Sondereinheiten, die aus Nordirland Erfahrung im Straßenkrieg haben, spricht Bände.
Dass die alliierten Soldaten ständig auf "Widerstandsnester" treffen, obwohl doch der Südirak "im Wesentlichen unter Kontrolle" sei, ist vor allem ein Ergebnis einer offenbar ziemlich effizienten Guerilla-Taktik der irakischen Streitkräfte. Die kämpfen mit allen Tricks: So warf Franks der irakischen Seite vor, Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde einzusetzen. Sie würden vorsätzlich in der Nähe von militärischem Gerät oder Truppenverbänden positioniert, sagte der General.
Weiße Fahne schwenken, dann schießen
Britische Offizielle berichteten zudem von einem Katz-und-Maus-Spiel irakischer Kämpfer. Es sei vorgekommen, dass sie die weiße Fahne schwenken und auf die heranrückenden Gis warten, um dann plötzlich zur Waffe zu greifen. Andere als Zivilisten getarnte Soldaten hätten vorrückende US-Truppen freundlich winkend begrüßt, kurz danach aber versteckte Waffen gezückt und geschossen. Irakische Panzer mit offener Luke und hochgestelltem Rohr, von den Amerikanern auf Flugblättern als Zeichen der Kapitulation beschrieben, entpuppen sich nicht selten als tödliche Falle: Nur wenige Meter weiter lauern Iraker mit einem Maschinengewehr hinter der Hecke. Angesichts solch rustikaler Tricks wirken die Klagen der Alliierten wie das Jammern eines Kindes, die Spielkameraden hielten sich nicht an die Regeln.
Die Guerilla-Taktik zeigt offenbar Erfolg: Der US-Nachrichtensender CNN berichtete, dass die Eroberung Basras frustrierend langsam vorangehe. Ein Ende der Kämpfe sei derzeit nicht absehbar. Die Straße in die Stadt ist extrem unsicher, immer wieder gibt es Feuerüberfälle kleinerer Miliz-Einheiten. Auch der Verlust eines teuren Apache-Hubschraubers dürfte die Amerikaner schwer treffen. Der Irak reklamierte sogar, ein Bauer habe das hochmoderne Kampfgerät abgeschossen.
Saddams virtuoses Spiel auf der Medienklaviatur
Auch anderswo zeigt sich die irakische Führung einfallsreich: Brennende Öl-Gräben sollen anfliegenden Bombern die Sicht vernebeln. Auch das Kopfgeld von 15.000 Dollar pro gefangenem Amerikaner, das Saddam Hussein ausgesetzt hat, scheint seine Wirkung zu tun: Nach dem angeblichen Absturz einer Maschine über Bagdad suchten Hunderte Iraker begeistert nach dem Piloten.
Um sich solch schmutzige Tricks einfallen zu lassen, hatte Iraks Diktator Saddam Hussein in diesem seit Monaten diskutierten Krieg wahrhaft genug Zeit. Doch er greift auch auf Altbewährtes zurück: Das Verwirrspiel um die eigene Person oder der Trick, sich nicht in einem seiner Paläste, sondern einem schäbigen Privathaus aufzuhalten, wie er es schon im Golfkrieg 1991 tat.
Hinzu kommt sein virtuoses Spiel auf der Medienklaviatur: Die Bilder amerikanischer Kriegsgefangener wirken so erschreckend, wie die Aufnahmen verletzter oder getöteter Zivilisten verstörend wirken. Bilder wie das eines toten irakischen Kindes, dem die Schädeldecke fehlte, wühlen die Menschen besonders in der arabischen Welt auf. Zusammen mit einem stockenden Vormarsch könnte Bush dies noch zum Verhängnis werden.