Hillary Clinton Evita vermeidet die Katastrophe

Von Jan Wiechmann, New York
Es war ein harter Kampf, dieser so wichtige Super Tuesday. Und Hillary Clinton hat ihn nicht unbeschadet überstanden. Immerhin hat die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gegen ihren Konkurrenten Barack Obama wichtige Siege errungen - getragen von einer ganz bestimmten Wählergruppe.

Der Abend beginnt für Hillary Clinton mit einem Schock. Als ihre Wahlkampfleute gegen 18.30 Uhr in das Manhattan Center auf der 34.Straße einziehen, kennen sie nicht viel mehr als die frühen Hochrechnungen dieses so bedeutenden Super Tuesdays. Obama, so heißt es dort, gewinnt nicht nur - wie erwartet - in Illinois und Georgia, sondern auch im umkämpften Massachusetts und Arizona und selbst in New Jersey, dem Hinterland im Reich der Clintons. Und schon beginnen unter den Journalisten die Abgesänge auf Hillary Clinton, die Begräbnisreden, die sie schon vor vier Wochen in New Hampshire anstimmten und vor einer Woche in South Carolina.

Doch wie so oft in diesem langen, spannenden Vorwahlkampf, der noch lange kein Ende gefunden hat, wird alles anders. Um 21.42 Uhr vermeldet CNN auf dem Großbildschirm im Grand Ballroom des Manhattan Centers: "Hillary Clinton gewinnt Massachusetts." Jubel bricht aus. 21.52 Uhr: "Clinton gewinnt New Jersey." Riesengroßer Jubel. Die Senatorin gewinnt auch in New York und Arkansas und in den umkämpften Staaten Oklahoma und Tennessee und im wichtigsten von allen - in Kalifornien. "Thank you New Jersey", rufen zahlreiche Studenten im Saal. "Thank you Massachusetts." Und dann, im Wechselgesang: "Madam President, Madam President." Ihr Wahlkampfteam hat an diesem Abend extra viele junge Leute hereingelassen. Sie sollen Hillary jünger machen.

Wie Evita

Hillary Clinton hat für diesen so wichtigen Abend ihren Heimatstaat New York ausgewählt, obwohl sie gern auch von Illinois (wo sie geboren wurde) als ihrer Heimat spricht und Arkansas (wo Bill zehn Jahre lang Gouverneur war) und Kalifornien (wo ihre größten Geldgeber sitzen). Um kurz vor elf betritt sie die Bühne mit ihrer Tochter Chelsea und ihrem Mann Bill und schickt die beiden schnell wieder hinunter. Die Botschaft ist klar: Sie ist hier die Kandidatin, die Oberkommandierende. Sie steht für sich allein. Sie braucht Bill nicht als Beilage. Sie tanzt ein wenig zur Musik und versucht ihre Rede zu beginnen, aber die Zuschauer lassen sie nicht. Sie jubeln unentwegt und halten Schilder hoch mit der Aufschrift "Hillary". Nicht mehr: "Lösungen für Amerika". Oder: "Wandel durch Erfahrung". Nur noch "Hillary". Ein Wort. Das reicht. Hillary. Wie Evita.

"Heute hören wir die Stimmen Amerikas", sagt sie, "nicht jene, die in den Schlagzeilen stehen, sondern jene, die immer schon Amerikas Geschichte geschrieben haben." Sie hält eine Rede für die Underdogs der Gesellschaft, für die Vergessenen und Geschundenen, für die Opfer der Rezession. Es ist eine Ankündigung jener Botschaft, die sie in den kommenden Wochen verstärkt durchs Land treiben wird: Sie ist die Kämpferin für die Armen, die Hoffnung für die Kinder, die Arbeiterin für die Arbeiter. "Ich werde nicht zuschauen, wie andere unser Land zum Kentern bringen", ruft sie. Und zum Schluss hat sie einen besonderen Dank parat, der ihre Strategie auf den Punkt bringt: "Ich möchte mich bei meiner Mutter bedanken, die zur Welt kam, bevor Frauen wählen durften, und die nun ihre Tochter hier auf dieser Bühne sieht." Da bricht der größte Jubel dieses Abends aus.

"Frauen werden sie zur Präsidentschaft treiben"

Die Frauen. Es geht um die Frauen in den nächsten Wochen, in den Wahlkämpfen von Louisiana und Maine, von Maryland und Virginia. Vor allem um weiße, ältere Frauen, die ihr bisher immer die Siege garantierten. Um Frauen wie Karen D'Onofrio. Sie ist extra aus Long Island angereist, zwei Stunden im Auto für diese lange Nacht. Sie hat ein Schild dabei mit einem Dankessatz für Kalifornien, als habe sie geahnt, dass der Staat im Westen Hillary in dieser Nacht einen großen Erfolg bescheren würde. "Wir Frauen haben ihr den Sieg gebracht und werden sie", so sagt D'Onofrio, "auch zur Präsidentschaft treiben, endlich eine Frau, das lassen wir uns nicht mehr nehmen."

Am Tag vor dem Superwahltag hatte Hillary Clinton einen letzten Angriff auf weibliche Wähler gestartet, die bis zu 60 Prozent des demokratischen Wahlvolks stellen. Sie hatte eine einstündige Sendung auf dem Frauensender Hallmark veranstaltet, für die sie 500.000 Dollar bezahlte. Sie wählte ihre "schlimmsten Outfits aller Zeiten" für das Entertainment Magazin "US Weekly" aus. Auch vergoss sie wieder ein paar Tränen bei einem Auftritt in Yale, hinter der ihre Kritiker wieder Kalkül vermuteten, als könnte sie tatsächlich auf Knopfdruck weinen, als könnte sie sich die Unterstützung tatsächlich durch einen Mitleideffekt unter Frauen sichern.

Eine gute Nachricht, drei schlechte

Die letzten Wochen liefen nicht gut für Hillary Clinton. Sie hat es mit dem Motto "Experience" versucht und mit "Change" und wieder mit "Experience" und mit einigen schmutzigen Angriffen auf Barack Obama und Halbwahrheiten, sie wirkte selten wie der souveräne Frontrunner, sondern eher wie eine Gejagte, die das Ende schon kommen sah. Sie gewann zwar die Vorwahlen in New Hampshire, aber schon die nächsten in South Carolina wurden zum Debakel. Sie erhielt Rückendeckung von Filmstar Jack Nicholson, aber Obama bekam Robert de Niro und George Clooney. Zu jeder guten Nachricht gesellten sich drei schlechte Nachrichten, und die meisten Reporter hatten sich längst auf Obamas Seite geschlagen. Er ist die bessere Geschichte. Das frischere Gesicht. Sie kämpfte an gegen den Zeitgeist. Gegen die Wechselstimmung im Land. Gegen die Sehnsucht nach einer radikalen neuen Zukunft für Amerika.

Aber wie schon so oft zuvor, ist sie zurückgekommen. Das Comeback Girl. Sie hat an diesem Super Tuesday nicht jenen entscheidenden Durchbruch gelandet, den sie vor wenigen Wochen noch eingeplant hatte. Aber wieder einmal hat sie die Katastrophe verhindert. Sie hat nur 9 der 22 Staaten gewonnen, dafür aber jene mit den größten Delegiertenzahlen: Kalifornien, New York, New Jersey.

Der Zweikampf geht nun unerbittlich weiter. Die nächsten Vorwahlen jedoch liegen eher Barack Obama. Am 9. Februar wird in Louisiana abgestimmt, wo etwa die Hälfte der Wähler Schwarze sind. In Nebraska und Washington finden Caucus-Wahlen statt, die Obama zu Gute kommen. Am 12. Februar wählen Washington DC, Virginia und Maryland, in denen Obama ebenfalls favorisiert ist. Zudem hat er mehr Geld in der Wahlkampfkasse, allein im Januar nahm er 32 Millionen Dollar ein. Hillary kam nicht mal auf die Hälfte.

Aber aufgeben wird sie nicht. Der Wahlkampf, so glauben ihre Leute, wird sich bis in den März hinziehen, womöglich in den April oder sogar den Sommer. Am Mittwochmorgen schon wird sie im Norden Virginias sein und wieder von einer besseren Zukunft für die Armen und Geplagten dieses wunderbaren Landes sprechen.