Die Zeit des Verhandelns ist vorbei: "Wir haben umfangreiche Operationen zur Ausschaltung der Miliz begonnen", bestätigte der amerikanische Major David Holahan. In der ganzen Stadt waren heftige Schießereien zu hören. An der Offensive nehmen nach Angaben des Offiziers mehrere tausend US-Soldaten teil. In den vergangenen Tagen haben die Truppen bereits die Altstadt von Nadschaf mit dem Imam-Ali-Schrein und dem angrenzenden Friedhof abgeriegelt, wo sich Kämpfer des radikalen Schiiten Muktada al Sadr verschanzt halten. Ein Konvoi von Panzern und anderen Militärfahrzeugen rollte nach Nadschaf ein. In der Nähe des Schreins waren schwere Explosionen zu hören.
Milizen drohen mit Pipeline-Sprengung
In Reaktion auf das Vorgehen der US-Streitkräfte drohten Anhänger al Sadrs damit, Öl-Pipelines und Hafenanlagen in der südirakischen Industriestadt Basra in die Luft zu jagen. Auch Schiiten, die den Kurs al Sadrs ablehnen, sind aufgebracht über die militärische Offensive gegen Nadschaf, das den Schiiten mit seinem Imam-Ali-Schrein als Heilige Stadt gilt.
Bei den seit einer Woche andauernden Gefechten sind nach Schätzungen der US-Streitkräfte bislang mehrere hundert Aufständische ums Leben gekommen. Die Verluste in den eigenen Reihen werden mit fünf US-Soldaten und 20 irakischen Soldaten angegeben.
Beeindruckender Widerstand
Ein amerikanischer Hauptmann zeigte sich beeindruckt von der Hartnäckigkeit des Widerstands. "Das kommt mir so vor, als ob sie sich klonen", sagte Hauptmann Patrick McFall. Während er sprach, explodierte ganz in der Nähe eine Mörsergranate. Im Norden Iraks kamen beim Absturz eines Hubschraubers zwei US-Marineinfanteristen ums Leben gekommen, wie die Streitkräfte am Donnerstag mitteilten. Drei weitere Personen wurden verletzt. Dem Absturz in der irakischen Provinz Anbar ging nach Militärangaben kein feindliches Feuer voraus. In der sunnitisch geprägten Provinz Anbar westlich von Bagdad liegen unter anderem die Widerstandshochburgen Falludscha und Ramadi.
Augenzeugen zufolge sind tausende Zivilisten auf der Flucht aus der Stadt. Augenzeugen hatten kurz zuvor von heftigen Gefechten in der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf berichtet. Ein örtlicher Führer erklärte, das mehrere Quadratkilometer große Gräberfeld, das den Schiiten heilig ist, werde weiter von seinen Kämpfern kontrolliert. Etwa 80 Prozent der Bewohner des Altstadtkerns hätten der Aufforderung des US-Militärs Folge geleistet, ihre Wohnungen zu verlassen, um bei einer Offensive nicht zwischen die Fronten zu geraten.
Fast 50 Tote
Unterdessen weitet sich der Aufstand radikaler Schiiten auf weitere Städte im Süd-Irak aus. Britische Truppen gingen am Mittwoch gegen Anhänger des Schiiten-Predigers Muktada el Sadr in Basra, Amara, Nassirija, Samawa und Diwanija vor. Dieser rief seine Truppe dazu auf, auch dann weiterzukämpfen, wenn er selbst gefangen genommen oder getötet werde. Zu den heftigsten Kämpfen kam es in Amara. Laut Gesundheitsministerium in Bagdad wurden hier 15 Iraker getötet und 78 verletzt. In Basra starben bei bewaffneten Auseinandersetzungen vier Menschen, in Diwanija drei. Bei den Kämpfen in Nadschaf kamen bis Mittwochabend in 24 Stunden zwölf Menschen ums Leben, 27 wurden verwundet.
Derweil kehrte der per Haftbefehl gesuchte frühere Exilpolitiker und US-Verbündete Ahmed Chalabi nach Bagdad zurück. In Washington erklärte Tamara Chalabi, ihr Vater wolle sich dem Vorwurf der Geldfälschung stellen. Ein Richter im Irak hatte am Samstag Haftbefehl gegen Chalabi, ein einstiges Mitglied des Provisorischen Regierungsrats, erlassen. Tamara Chalabi sagte, ihr Vater habe bei einem Bundesgericht in Washington im Zusammenhang mit der Schließung einer von ihm gegründeten Bank in Jordanien vor etwa 15 Jahren Sachdensersatzklage gegen die jordanische Regierung eingereicht.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich auf eine Verlängerung der UN-Mission im Irak um ein Jahr verständigt. Eine entsprechende Resolution sollte am Donnerstag in New York angenommen werden. Die Vereinten Nationen sollten eine führende Rolle bei der Unterstützung der Iraker und der irakischen Regierung spielen, heißt es in dem Text. Spätestens in zwölf Monaten werde das Mandat überprüft.
Wieder UNO-Präsenz im Irak
Der neue Irak-Gesandte der Vereinten Nationen, Ashraf Jehangir Qazi, soll bereits in den nächsten Tagen in Bagdad eintreffen. Aus Sicherheitsgründen wird Qazi sein Amt zunächst jedoch nur mit einem kleinen Mitarbeiterstab antreten. Erstmals seit Oktober erhalten die UN damit wieder eine Präsenz im Irak: Das Personal war damals nach einer Reihe von Anschlägen abgezogen worden, denen am 19. August auch Qazis Vorgänger Sergio Vieira de Mello zum Opfer fiel.