Iran hat am Montag trotz aller Warnungen der Europäischen Union Teile seiner umstrittenen Atomanlage in Isfahan wieder in Betrieb genommen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur IRNA wurden "einige Bereiche" der Anlage geöffnet, darunter ein Forschungszentrum, das nicht versiegelt war. Der Vizepräsident der iranischen Atomenergie-Behörde, Mohammed Saidi, erklärt: "Die Urananreicherung in Isfahan ist unter Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) wieder aufgenommen worden." IAEO-Inspekteure hatten zuvor die ersten Überwachungskameras in den Gebäuden montiert. Die Anlage war seit Dezember 2004 geschlossen.
EU reagiert zunächst zurückhaltend
Die Europäische Union hat zunächst zurückhaltend auf die Berichte über eine teilweise Wieder- Inbetriebnahme der Atomanlage in Isfahan reagiert. "Wir versuchen zunächst einmal Klarheit darüber zu gewinnen, was wirklich passiert ist", sagt eine Sprecherin des EU-Chefdiplomaten Javier Solana. "Wir sind bisher davon ausgegangen, dass die Zeitabläufe anders sein würden."
Zu Berichten, die iranische Regierung habe den Vorschlag der EU-Mitglieder Deutschland, Großbritannien und Frankreich abgelehnt, im Gegenzug zu umfassender wirtschaftlicher Kooperation auf die Urananreicherung zu verzichten, wollte sie sich nicht äußern.
"Wir bevorzugen eine Verhandlungslösung"
Ein Sprecher der EU-Kommission hatte zuvor in Brüssel gesagt: "Wir hoffen, dass Iran wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Wir sind überzeugt, dass der Vorschlag der EU eine eingehende Prüfung wert ist." Die EU habe kein Interesse daran, den UN- Sicherheitsrat mit der iranischen Urananreicherung zu befassen: "Wir bevorzugen eine Verhandlungslösung."
Am Mittag übergab Teheran den EU-Botschaftern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens im Außenministerium die Antwort Irans auf Vorschläge des so genannten EU-Trios für ein umfassendes Kooperationsabkommen. Iranische Sprecher, darunter der scheidende Außenminister Kamal Charrasi, hatten die Vorschläge am Wochenende bereits als unzureichend abgelehnt, weil Iran danach auf die Anreicherung von Uran verzichten müsste. In der Atomanlage von Isfahan wird aufbereitetes Uranerz in das Gas Uranhexafluorid umgewandelt, die Grundsubstanz für die Anreicherung von Uran. Hochangereichertes Uran dient vor allem zum Bau von Atomwaffen.
Nuklearpläne Teherans wirksam beschränken
Angesichts der krisenhaften Entwicklung fordert die Bundesregierung in Berlin Iran noch einmal auf, die Vorschläge Brüssels für eine weit reichende Zusammenarbeit in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft "ernsthaft und sorgfältig zu prüfen". Der Vorschlag biete Iran die Perspektive einer umfassenden Zusammenarbeit in politischer, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Verteidigungsminister Peter Struck sprach sich für ein enges gemeinsames Vorgehen der Europäer mit den USA aus. Nur so könnten die Nuklearpläne Teherans wirksam beschränkt werden, sagte der Minister zum Auftakt seiner Gespräche in New York.
In Teheran herrschte am Montag zunächst völlig Verwirrung über die Absichten Irans. Anfangs hatte ein Sprecher angekündigt, man werde die Inbetriebnahme Isfahans auf Bitten von IAEO-Chef Mohammed al Baradei um einige Tage verschieben. In Wien bemühten sich einen Tag vor der Sondersitzung des IAEO-Gouverneursrats EU-Diplomaten um den Text einer Resolution, mit der Iran am Dienstag noch einmal zur Einhaltung des so genannten Pariser Abkommens vom November 2004 aufgefordert werden soll. Darin hatte Teheran sich bereit erklärt, sämtliche Arbeiten zur Urananreicherung bis zum Abschluss eines Abkommens mit der EU auszusetzen. Mit einer "Verurteilung" Irans wird nicht gerechnet. Sämtliche Resolutionen des Gouverneursrats müssen einstimmig gefasst werden.
Ultrakonservativer löst Gemäßigten ab
Teheran gab unterdessen bekannt, dass der neue Präsident Mahmut Ahmadinedschad den ultrakonservativen Ali Laridschani zum Chef des Nationalen Sicherheitsrats und Chefunterhändler für Atomfragen ernennen wird. Laridschani wird den gemäßigten Hassan Ruhani ablösen, der in den vergangenen zwei Jahren für einen Kompromiss mit dem EU- Trio eingetreten war. Laridschani gilt als Gegner jeder Vereinbarung, die Irans Recht auf Urananreicherung in Frage stellt.