Nun also ein Berg südwestlich von Teheran, ein ausgehöhlter Berg nahe der heiligen Stadt Qom. Tunnel, Infrastruktur, erste Vorrichtungen zur Installation von Gasultrazentrifugen. Eine geheime Anreicherungsanlage, die man innerhalb der kommenden Monate in Betrieb nehmen könnte.
Zum dritten Mal nun wurde der Iran erwischt, wie er die Welt über sein Atomprogramm belog. Erst war es die hochgeheime Anreicherungsanlage von Natans, später ging es um Bauanleitungen für einen atomaren Sprengkopf. Und jetzt, als ob es eines letzten Beweises bedurft hätte, die zweite Anreicherungsanlage. Seit Jahren wissen westliche Geheimdienste davon, man ist also offenbar gut informiert über den Stand des iranischen Atomprogramms. Man entschloss sich zur Veröffentlichung, weil der Iran erfahren hatte, dass westliche Geheimdienste die Sicherheitsstrukturen geknackt hatten. Aber der Zeitpunkt hätte kaum günstiger sein können: am 1. Oktober sollen in Genf erste Gespräche zwischen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, Deutschland und dem Iran beginnen. Gesprächsbereitschaft des Iran? Bislang nahe Null.
US-Präsident Obama hatte Verstärkung aus Frankreich und Großbritannien dabei, als er gestern die Bombe in Pittsburgh platzen ließ, live auf allen Fernsehkanälen, auch Kanzlerin Merkel versicherte ihre Solidarität, nur Außenministerin Hillary Clinton weilte irgendwo anders. Es war ein gelungener PR-Coup, ein Beispiel für das, was Obamas Berater „smart diplomacy“ nennen, kluge, clevere Diplomatie. Denn damit zwingt Obama gleich zwei Seiten zur Reaktion: den Iran. Und zwei Mitglieder des wichtigen UN-Sicherheitsrates, die bislang keine wirklich schmerzhaften Sanktionen verhängen wollen: Russland und China.
Denn Obama hat bislang seine Versprechen gehalten, zumindest, was den Iran betrifft. Kein Wort mehr von der Achse des Bösen – vielmehr ein stetes Angebot zum Dialog. Kein Wort mehr von "Regime change" - selbst bei den iranischen Wahlen und ihren Fälschungen hielt er sich auffällig zurück.
Für den Iran wird es jetzt immer schwerer, den Rest der Welt vom friedlichen Zweck des Atomprogramms zu überzeugen. Immer drängender der Verdacht, dass der Iran jahrelang auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA an der Nase herumführte. Und fast hätte sich die Welt ja schon mit dem Gedanken abgefunden, dass eine iranische Atombombe eigentlich unvermeidlich ist. Denn mehr als 1,5 Tonnen schwach angereichertes Uran sind bereits produziert. Genug Material, um daraus waffenfähiges Uran für eine bis zwei Bomben herzustellen. Das könnte man nach Experten-Schätzungen innerhalb von sechs Monaten schaffen. Man müsste dazu allerdings die Atominspektoren aus dem Land werfen – und machte sich damit zum Paria wie Nordkorea. Dies will der Iran unbedingt vermeiden. In der Geheimanlage bei Qom sollten offenbar bis zu 3000 moderner Zentrifugen spinnen – genug, um jedes Jahr Material für eine Bombe herzustellen.
Jetzt tickt die Uhr. Lässt der Iran innerhalb der kommenden Tage, wie am Samstag versprochen, Inspektoren in die geheime Anlage, muss er eventuell sehr unangenehme Fragen beantworten. Verweigert oder verzögert die iranische Führung eine internationale Inspektion, liefert sie faktisch den Beweis für böse Absichten. Bleibt eine dritte, erwünschte Variante: der Iran setzt sein Anreicherungsprogramm zunächst aus und nimmt das westliche Gesprächsangebot an. Aber auch Russland und China müssen nun reagieren. Denn es geht um die Verabschiedung echter UN-Sanktionen. Eine entsprechende Resolution soll im November eingebracht werden. Und dann soll auch Sanktion drin sein, wo „Sanktion“ draufsteht. Soll weh tun, was bislang allenfalls Piekser verursachte. Und weh tut etwa ein Einfuhrstopp für Benzin oder ein faktisches Finanzembargo.
Barack Obama hat auf die absurden Raketenabwehrstellungen in Tschechien und Polen verzichtet – eine wichtige Geste gegenüber Russland. Russlands Präsident zumindest kann sich jetzt auf einmal eine härtere Gangart gegenüber Teheran vorstellen. China hingegen spielt auf Zeit. Man setze weiter auf Verhandlungen, heißt es in Peking. Kein Wunder: gerade hat China lukrative Aufträge über die Lieferung von Benzin in den Iran erhalten. Noch zwei Monate. Der Showdown hat begonnen. Zunächst ist Teheran am Zug.