Die Regierung von US-Präsident George W. Bush habe Bedenken geäußert, die geplante einseitige Räumung der Siedlungen könne die Unruhe in den Palästinenser-Gebieten anfachen und damit während des US-Wahlkampfs politische Probleme verursachen, hieß es am Freitag in den Kreisen. Scharon wolle mit dem Aufschub diesen Bedenken Rechnung tragen. Der Regierungschef steht wegen seines Plans auch innenpolitisch unter Druck. Erstmals seit seinem Amtsantritt hat sich in einer Umfrage eine Mehrheit der Israelis für einen Rücktritt Scharons ausgesprochen.
Kein Chaos vor der US-Wahl
"Die Amerikaner wollen kein Chaos in den Palästinenser-Gebieten vor der Wahl", hieß es in den Kreisen. Ihren Wunsch nach einem Aufschub der Räumung hätten sie bei den jüngsten Gesprächen mit hochrangigen israelischen Vertretern in Washington deutlich gemacht, berichtete die Zeitung "Maariv". Die Gespräche dienten der Vorbereitung des nächsten Besuchs Scharons bei Bush, der Ende März oder Anfang April stattfinden soll.
Scharon hat für seinen Plan bislang keinen zeitlichen Rahmen genannt, jedoch erklärt, sein Vorhaben umzusetzen, wenn der von den USA unterstützte Friedensplan weiterhin nicht voran kommen sollte. Die von Scharon geplante einseitige Regelung sieht zudem im Westjordanland die Räumung einiger Siedler-Enklaven und eine Sperranlage zu den Palästinenser-Gebieten vor. Deren Verlauf war zuvor sowohl von den USA als auch von der Europäischen Union (EU) kritisiert worden. Die Umsetzung des Friedensplans, der ein Ende der Gewalt und einen Palästinenser-Staat bis 2005 vorsieht, stockt seit Monaten.
Popularitätsverlust durch Gaza-Plan
Ein Vertrauter Scharons machte den innenpolitischen Streit um den Gaza-Plan für die schlechten Umfrage-Werte des Regierungschefs verantwortlich. Radikal rechte Politiker hätten Scharon mit ihrem Widerstand geschadet, sagte er. Zugleich steht Scharon aber auch unter Korruptionsverdacht.
In einer am Freitag veröffentlichten Umfrage der Zeitung "Jedioth Ahronoth" sprachen sich 53 Prozent der Befragten für einen Rücktritt Scharons aus. 43 Prozent waren der Ansicht, der Regierungschef solle im Amt bleiben.
Kommt es zur Anklage gegen Scharon?
Der seit 2001 amtierende Scharon hat einen Rücktritt abgelehnt und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Mit Spannung wird erwartet, ob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 76-Jährigen erhebt. Neben zwei Korruptionsfällen, in die Scharon verwickelt sein soll, wurden in dieser Woche auch Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Gefangenenaustausch im Januar mit der israelfeindlichen Hisbollah-Miliz im Libanon laut.
"Maariv" zufolge soll Scharon in den siebziger Jahren Geschäfte mit dem Schwiegervater des von der Hisbollah freigelassenen israelischen Geschäftsmannes Elhanan Tannenbaum gemacht haben. Dies habe Scharons Entscheidung beeinflusst, berichtete die Zeitung. Israel hatte im Gegenzug rund 400 arabische Häftlinge freigelassen.
Scharon hat stets erklärt, keine Hintergedanken bei dem Gefangenenaustausch gehabt zu haben. Gegen Tannenbaum wird in Israel wegen des Vorwurfs illegaler Geschäfte zurzeit seiner Entführung im Jahr 2000 ermittelt.