Alter des US-Präsidenten Biden erreicht einen Meilenstein, den niemand feiern will. Auch der Präsident selbst nicht

US-Präsident Joe Biden
US-Präsident Joe Biden
© Susan Walsh/AP / DPA
Joe Biden feiert seinen 80. Geburtstag, seine Demokraten versetzt das nur bedingt in Feierlaune. Der US-Präsident lässt seine Partei warten: Macht er es noch einmal oder nicht? Und sollte er?

Da hilft dann vielleicht nur noch Humor, so hat es schon Ronald Reagan gehalten. Auch dem bis dahin ältesten amtierenden Präsidenten in der US-Geschichte, der 1989 mit 77 Jahren aus dem Amt schied, wurde sein Alter immer wieder als wunder Punkt ausgelegt. Der Diskussion konnte sich der rüstige Republikaner zwar nicht entziehen, mit jovialer Selbstironie aber des öfteren die heraufbeschworene Feuersnot nehmen – und möglicherweise sogar einen verloren geglaubten Wahlkampf zu seinen Gunsten drehen.  

Als mittlerweile legendär gilt Reagans Replik in einer Fernsehdebatte gegen Walter Mondale, in der er seinem Gegenkandidaten – nachdem er auf sein Alter von seinerzeit 73 Jahren angesprochen wurde – versicherte, dass er die "Jugend und Unerfahrenheit" seines Kontrahenten nicht für politische Zwecke ausnutzen werde. Da musste sogar Mondale, 56, herzhaft lachen. Reagans missliche Umfragewerte sprangen in die Höhe, die Demokraten wurden bei den Präsidentschaftswahlen 1984 spektakulär düpiert.  

Nun hält Joe Biden den Rekord, und auch der 46. Präsident der Vereinigten Staaten – der heute seinen 80. Geburtstag feiert – versucht den wiederholten Fingerzeig auf sein fortgeschrittenes Alter mit Pointen zu parieren. "Hin und wieder mache ich einen Fehler", scherzte Biden bei einem Auftritt im Mai, "nun ja, einmal pro Rede." 

Das mag nicht so viel Schlagkraft entfalten wie einst bei Reagan, der sein Alter hier schön rechnete und dort in Relation zur Antike setzte, zeugt aber von einer gewissen Gelassenheit und Überzeugung des Pragmatikers Bidens, der Ergebnisse als belastbares Gegenargument versteht.

"Sehen Sie mich an, Mr. President", sagte er schon im August 2020 an Donald Trump gewandt, der damals wie heute seine Fitness infrage stellte – und in den darauf folgenden Jahren dabei zusehen durfte, wie Biden mehrere gewaltige Investitionspakete durchsetzte, den von Trump hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenfegte und zuletzt einen Achtungserfolg bei den Kongresswahlen einfuhr.

Kann es Joe Biden noch? 

Anders als Reagan wird es Biden aber nicht gelingen, der Diskussion um sein Alter auszuweichen – das dürften schon die Republikaner zu verhindern wissen, die sich mit bemerkenswertem Eifer am angeblich "tattrigen" (Ron DeSantis) und "verminderten" (Marco Rubio) Präsidenten abarbeiten und sich auf jeden rhetorischen Lapsus stürzen, den Biden ihnen in aller Regelmäßigkeit hinwirft. 

Auch unter den Demokraten gibt es viele, die sich nicht sicher sind, ob Biden der geeignete Frontrunner im Rennen um das Weiße Haus 2024 ist. Seine Umfragewerte sind bei allen Errungenschaften nach wie vor mies, angesichts seiner dürftigen Beliebtheitswerte sprachen sich im Juli drei Viertel (75 Prozent) der Wählerschaft in einer CNN-Umfrage für einen anderen Kandidaten als Biden aus, folglich mieden viele Demokraten bei den Zwischenwahlen gemeinsame Auftritte mit dem Präsidenten. 

Und dann wäre da noch das Alter. Sollte Biden tatsächlich eine zweite Amtszeit anstreben, dem im für US-Präsidenten üblichen Gesundheitscheck schon jetzt ein "steifer Gang" und allgemeiner "Verschleiß" attestiert wird, würde er mit 86 Jahren aus dem Amt scheiden. Es wäre abermals ein Novum in der US-Geschichte – das offenbar mit großer Ungewissheit verbunden ist, 

So hielten ihn zwar 71 Prozent der demokratischen Wähler für "geistig fit und in der Lage, mit Herausforderungen umzugehen", ergab eine aktuelle Umfrage von Reuters und Ipsos, jedoch äußerten 46 Prozent den Zweifel, ob er 2024 der Herausforderung einer Kandidatur gewachsen sei. Die "New York Times" sprach gar mit zehn Experten über das Altern, "um ein Bild davon zu zeichnen, wie die nächsten sechs Jahre für eine Person im Alter des Präsidenten aussehen könnten", wie die Zeitung schreibt.

Und nicht zuletzt fragte sich das "Wall Street Journal" in einem Meinungsbeitrag, ob ein hochbetagter Biden aggressiven Autokraten wie Chinas Staatspräsident Xi Jinping noch mit genügend Biss begegnen könnte. Die Antwort lieferte das Blatt zwischen den Zeilen mit: "Wenn ich nur 80 Jahre alt wäre", zitierte die Zeitung den früheren US-Präsidenten Jimmy Carter im Alter von 94 Jahren, "glaube ich nicht, dass ich die Aufgaben übernehmen könnte, die ich als Präsident erlebt habe."

Demokraten warten auf ihren Präsidenten

Biden hat für den Jahresbeginn eine Entscheidung dazu in Aussicht gestellt, ob er noch mal antritt. "Meine Absicht ist es, wieder zu kandidieren", sagte er. "Aber ich habe großen Respekt vor dem Schicksal. Und dies ist letztlich eine Familienentscheidung."

Doch die Zeit drängt, das eilige Vorpreschen von Donald Trump und vielsagende Abwarten von Ron DeSantis versetzen die Demokraten bei der Kandidatenkür unter Zugzwang – und teils in Sorge: "Ich wünschte, er wäre 30 Jahre jünger, 20 Jahre jünger, 10 Jahre jünger. Aber es ist, wie es ist", sagte der demokratische Abgeordnete David Trone, 67, zu CNN. Auf die Frage, ob Biden der richtige Kandidat für 2024 sei, sagte Trone: "Ich fände es besser, wenn wir jemanden mit etwas mehr Schwung hätten." Aber wenn Biden wieder antrete, dann werde er ihn unterstützen – ähnlich reserviert formulieren es auch andere Demokraten. 

Wenn nicht Joe, wer dann? In den Startlöchern stünden einige sehr profilierte Kandidaten zur Auswahl (die Sie hier sehen können), gegen Biden antreten will aber keiner von ihnen. Die Partei wartet auf ihren Präsidenten, der seinen runden Geburtstag unter anderem bei einem Brunch mit der Familie feiern will, wie seine Sprecherin mitteilte, und den Meilenstein wohl selbst nicht wahrhaben will. 

"Jemand hat gesagt, mein Geburtstag steht bevor", sagte er kürzlich. "Und ich sagte: 'Nein, das muss jemand anderes sein'." Als er gefragt wurde, was der 80-jährige Biden dem 50-jährigen Biden sagen würde, antwortete er: "Dass ich noch 50 bin!" Und fügte hinzu, dass er "diese Zahl", 80, "nicht einmal sagen" könne.  

Gregory Magarian, Verfassungsrechtler von der Washington University in St. Louis, sagt, Biden denke zwar jetzt über die Kandidatenfrage nach. "Aber in Wirklichkeit muss er darüber nachdenken, wie seine Energie und seine Fähigkeiten in sechs Jahren aussehen werden, wenn er am Ende einer zweiten Amtszeit stehen würde." Der Job erfordere ein hohes Maß an Energie und Scharfsinnigkeit. "US-Präsident zu sein, ist sicherlich einer der härtesten Jobs der Welt." Und sicher auch mit 80.

Reagan feierte seinen Geburtstag übrigens mit einem großen Empfang im Beverly Hilton Hotel, wie die "Los Angeles Times" seinerzeit berichtete, und soll die Kerzen seiner Geburtstagstorte derart engagiert ausgeblasen haben, dass ihm Glasur auf das Revers seines Smokings flog. "Wenn ich nur vor Jahren über solche Dinge nachgedacht hätte, wäre ich in Bildern doppelt so gut gewesen", sagte er. Eine Rede wolle er nicht halten, so Reagan. "Ich vermute, Sie haben im Laufe der Jahre sowieso ein oder zwei davon gehört."