John Edwards Das soziale Gewissen der Demokraten

In den US-Präsidentschaftswahlkampf kommt frischer Wind aus Süden. Mit der Nominierung von John Edwards als "running mate" von John Kerry machen die Demokraten die Kluft zwischen Arm und Reich zum Wahlkampfthema.

Der Strahlemann John Edwards (51) soll dem Wahlkampf des demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry richtig Schwung geben. Gemeinsam wollen sie bei den Präsidentschaftswahlen Anfang November die Bush-Regierung aus dem Weißen Haus drängen. Edwards Aufgabe: Ein Herz für Minderheiten, Benachteiligte und Arme zeigen. Das ist die traditionelle Wählerschaft der Demokraten

"Ideale Ergänzung für Kerry"

Der Senator aus dem Südstaat North Carolina hegte lange Zeit selbst Ambitionen auf das Präsidentenamt. Am 3. März warf er schließlich das Handtuch, nachdem er am so genannten "Super-Dienstag" dem jetzigen Präsidentenkandidaten Kerry deutlich unterlegen war. Schon damals war für viele Demokraten klar, dass Edwards die ideale Ergänzung für den lange Zeit als hölzern beschriebenen Kerry sein würde.

"Ihn beim Wahlkampf zu beobachten, zeigt, wie gut er seine Fähigkeiten aus dem Gerichtssaal auf die politische Arena übertragen kann", schrieb die Tageszeitung "Washington Post". Bevor Edwards in die Politik ging und 1999 Senator wurde, hatte er 20 Jahre als Strafverteidiger und Opferanwalt gearbeitet und ein Millionenvermögen damit verdient.

Junge Politikkarriere

Lange Zeit waren auch Namen anderer Kandidaten im Gespräch wie die der demokratischen Politveteranen Richard Gephardt aus Missouri und des ehemaligen Gouverneurs von Florida, Bob Graham. US-Kommentatoren meinten jedoch, dass Edwards mit seiner relativ jungen Politikkarriere unverbrauchter und frischer wirke und weniger Angriffsfläche biete. Edwards übte nie ein Regierungsamt aus und er "herrschte" nie über einen größeren Mitarbeiterstab als in seinem derzeitigen Senatorenbüro.

Parallelen zum erfolgreichen Wahlkampf des demokratischen Präsidenten John F. Kennedy aus dem Jahr 1960 sind unübersehbar. Kennedy war wie Kerry Katholik und beide stammen aus dem liberalen Bundesstaat Massachusetts an der Ostküste. Um auch Wählerschichten in den überwiegend konservativen Südstaaten zu mobilisieren, wurde damals der Texaner Lyndon B. Johnson an die Seite Kennedys gestellt. Mit Edwards hat nun auch Kerry die Südstaaten-Karte gezogen.

Arm trotz Arbeit

Für die traditionelle Wählerschaft der Demokraten wird die Lage wegen rasant steigender Gesundheits- und Bildungskosten immer prekärer. Die "working poor" - Menschen, die trotz Arbeit arm bleiben - waren der Zeitschrift "Business Week" schon eine Titelgeschichte wert.

Ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung in den Vereinigten Staaten, rund 28 Millionen Menschen, verdient nicht mehr als 9 Dollar die Stunde, an der Kasse eines Supermarkts, als Schwesternhelferin im Krankenhaus, oder als Wachmann etwa. So mancher Niedrigverdiener lebt noch bei den Eltern, oder hat einen Ehepartner, der auch zum Familieneinkommen beiträgt. Doch viele Menschen müssen von dem kargen Lohn ihr Leben bestreiten.

"Es ist wie ein Albtraum"

Wie Joseph Schrialdi (41), der in New York das Empire State Building bewacht, für 7,50 Dollar die Stunde. Renten- und Krankenversicherung zahlt sein Arbeitgeber nicht. Oder Edward Plesniak (36), der für 6 Dollar die Stunde in Pittsburgh Böden bohnert. Er hat drei Kinder. "Es ist wie ein Albtraum, aus dem ich nicht aufwachen kann", sagte er der Zeitschrift "Business Week".

US-Präsident George W. Bush hat drei Mal massiv die Steuern gesenkt, um mehr als 1,8 Billionen Dollar über zehn Jahre. Nach Berechnung des Steuerzahlerverbandes "Citizens for Tax Justice" kommen davon aber den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung in diesem Jahr nur 0,9 Prozent zugute. Das oberste Prozent auf der Einkommensskala profitiert dagegen mit 29,8 Prozent.

Die Statistiker des Arbeitsministeriums erwarten, dass die zehn am stärksten wachsenden Beschäftigungsfelder in den nächsten zehn Jahren am unteren Einkommensende liegen: Reinigungskräfte, Verkäufer, Kassierer, Hilfskräfte.

Ausbildung der Kinder für viele unbezahlbar

Der Weg aus der Armut über eine gute Ausbildung wird immer schwieriger: Die Studiengebühren steigen rasant, in diesem Jahr um 14 Prozent. An einem öffentlichen College liegen sie nach Angaben des College-Verbandes ACE inzwischen bei rund 4000 Dollar im Jahr. Es gibt Stipendien und Steuernachlässe, doch selbst damit sehen sich viele Familien außer Stande, die Ausbildung der Kinder zu bezahlen.

Krankenversicherungen sind eine andere Kostenfalle. Katrina Gill (36) bekommt als Schwesternhelferin in Portland (Oregon) gut neun Dollar die Stunde. Mit ihrem Mann, einem Mechaniker, kratzt sie 640 Dollar im Monat für die Krankenkasse zusammen. Die zahlt aber nicht alles. Ihr Sohn Brandyn hat Krebs, und die Familie sitzt wegen der Behandlung auf einem Schuldenberg von 160 000 Dollar.

"Kein Kind darf in Amerika abends hungrig zu Bett gehen"

Hier kommt John Edwards ins Spiel. Als der Senator sich selbst noch um die Präsidentschaftskandidatur bemühte, machte er die Kluft zwischen Arm und Reich zu seinem zentralen Thema. "Kein Kind darf mehr in Amerika abends hungrig zu Bett gehen", beschwor er in jeder Rede und rührte damit so manchen Zuhörer. Zwar ist auch Edwards längst Millionär, dank einer erfolgreichen Karriere als Rechtsanwalt. Doch wuchs er in bescheiden Verhältnissen auf. Wie er selbst damals müssten junge Leute auch heute die Chance haben, den Traum vom besseren Leben zu verwirklichen, fordert er. Die Demokraten wollen den Mindestlohn erhöhen, Versicherungskosten senken und Bildungschancen schaffen.

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Christiane Oelrich und Hans Dahne/DPA