Eine derart mit elementaren Emotionen aufgeladene Ausschusssitzung hat Washington selten erlebt. Eindringlich trägt die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford vor, wie der Richterkandidat Brett Kavanaugh sie einst sexuell attackiert habe. In einem der ergreifendsten Momente schildert sie, wie sie besonders das "schallende Lachen" weiter verfolge, das Kavanaugh und ein Freund dabei ausgestoßen hätten. Wenig später ist dann Kavanaugh dran: Zornig weist er alle Vorwürfe zurück, mit tränenerstickter Stimme kämpft er um seinen Ruf und um das Wohl seiner Familie, wie er sagt.
"Unauslöschbar" habe sich das Gelächter während der versuchten Vergewaltigung in ihr Gedächtnis eingegraben, sagt die Wissenschaftlerin aus Kalifornien. Der heutige Kandidat von Präsident Donald Trump für das Oberste Gericht und sein Freund hätten während der Attacke im Jahr 1982 "eine richtig gute Zeit" gehabt - "auf meine Kosten", so fasst Ford das traumatische Erlebnis zusammen.
Christine Blasey Ford: "Meine staatsbürgerliche Pflicht"
Bereits vor einigen Tagen hatte Ford in einem Zeitungsinterview detailreich geschildert, wie Kavanaugh sie während einer Teenagerparty mit seinem Freund in ein Schlafzimmer gedrängt und dann über sie hergefallen sei. Bei ihrem Auftritt vor dem Justizausschuss und einem landesweiten Fernsehpublikum geht es für sie nun darum, die Glaubwürdigkeit ihres Vorwurfs zu untermauern.
"Ich bin nicht hier, weil ich mir das wünsche. Ich habe große Angst", sagt die 51-Jährige zu Beginn der Anhörung. Doch habe sie sich zu diesem Auftritt durchgerungen, weil sie dies für ihre "staatsbürgerliche Pflicht" halte. Die extreme innere Anspannung, unter der sie steht, tritt immer wieder deutlich hervor.
Blasey Ford schließt Verwechslung aus
Die Mutter zweier Kinder spricht streckenweise mit schwerem Atem, wiederholt scheint sie den Tränen nahe - besonders als sie die Geschehnisse in einem Privathaus bei Washington vor 36 Jahren schildert. Kavanaugh habe sie auszuziehen versucht und ihr den Mund zugedrückt, damit sie nicht schreien könne. Sie habe gefürchtet, "Brett könnte mich versehentlich töten".
Dass sie den Angreifer verwechselt haben könnte, schließt die Psychologin unter Verwendung von Fachsprache kategorisch aus: Aufgrund "grundlegender Gedächtnisfunktionen" sei sie sich zu "100 Prozent" sicher, dass Kavanaugh der Täter sei.
Die Forscherin beschreibt auch die drastischen Folgen, die ihre öffentlich erhobene Anschuldigung für sie und ihre Familie habe - Mobbing im Internet, Morddrohungen, mehrfacher Wechsel des Wohnorts in den vergangenen Tagen.
Brett Kavanaugh: Erregt, zornig, schluchzend
Trotz der vielen Emotionen trägt Ford ihre Aussagen flüssig und kohärent vor, sie verliert nie die Kontrolle und bleibt weitgehend gefasst. Ganz anders Kavanaugh, der während ihrer Aussage nicht im Saal war und später vor die 21 Senatoren tritt. In erregtem Ton und mit zornigen Worten, mit verzerrtem Gesicht und manchmal schluchzend trägt er seine Widerrede vor.
"Meine Familie und mein Name sind durch diese bösartigen und falschen Anschuldigungen zerstört worden", sagt der 53-Jährige. Er wolle nicht bestreiten, dass Ford sexuell attackiert worden sei. Doch sei nicht er der Täter gewesen: "Ich habe niemals jemanden sexuell angegriffen."
"Kalkulierte und orchestrierte politische Kampagne"
Der Bundesberufungsrichter, dem insgesamt drei Frauen sexuellen Übergriffe zur Last legen, bezeichnet sich auch als Opfer einer "kalkulierten und orchestrierten" politischen Kampagne. Darin liegt er auf einer Linie mit Trump, der eine Intrige der oppositionellen Demokraten zur Verhinderung seines Supreme-Court-Kandidaten anprangert.
Ford weist jedoch eine politische Motivation zurück: "Ich bin eine unabhängige Person und ich bin niemandes Spielfigur." Es sei nicht ihre Verantwortung, darüber zu entscheiden, ob Kavanaugh das höchstrichterliche Amt verdiene: "Meine Verantwortung ist es, die Wahrheit zu sagen." Was die Wahrheit über den Richter ist - darüber wird aber auch nach dieser dramatischen Anhörung in Washington weiter heftig gestritten werden.
