Die Dauerproteste gegen die kirgisische Staatsführung wegen massiver Wahlfälschungen sind eskaliert. Gegner des Präsidenten Askar Akajew stürmten in der Hauptstadt Bischkek den Sitz der Regierung. Sowohl Verteidigungsminister Essen Topojew als auch Geheimdienstchef Kalyk Imankulow seien in der Hand der Regimegegner, teilte ein Oppositionssprecher in Bischkek nach Angaben der Agentur Interfax mit. Die festgesetzten Minister schrieben Rücktrittserklärungen, hieß es in Bischkek. Eigenen Angaben zufolge brachten die Protestierenden auch den nationalen Fernsehsender unter ihre Kontrolle. Als Zeichen ihres Triumphs schwenkten die Oppositionsanhänger die Landesfahne aus einem Fenster im zweiten Stock des Regierungsgebäudes, wo auch der Präsident sein Büro hat.
Es blieb zunächst unklar, weshalb die Polizei ihren dreifachen Kordon um den Regierungssitz gegen die Demonstranten aufgab. Auch nach dem Verlassen des Regierungssitzes seien die Regimegegner nicht von den Sicherheitskräften verfolgt worden, berichteten Augenzeugen. Seit dem Morgen hatten sich etwa 5000 Menschen auf dem zentralen Platz der Freiheit in Bischkek versammelt. Auch das Büro von Präsident Askar Akajew sei von den Demonstranten gestürmt worden. Akajew habe sich Stunden zuvor noch in dem Gebäude aufgehalten, berichteten russische Medien. Sein Verbleib blieb unklar. Aus den Fenstern würden Dokumente auf die Straße geworfen, meldete die russische Agentur Interfax aus Bischkek.
Schüsse in der Innenstadt
Zuvor war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Anhängern von Präsident Akajew gekommen. Als sich die rund 5000 Demonstranten dem Sitz des Präsidenten näherten, wurden sie von Männern, die blaue Armbinden trugen, mit Steinen beworfen und mit Schlagstöcken bedroht. Die Oppositionsanhänger warfen daraufhin ihrerseits Steine auf die Gegenseite.
In der Innenstadt waren mehrere Schüsse zu hören, wie ein Reuters-Korrespondent berichtete. Zunächst war unklar, wer diese abfeuerte. Mehrere hundert Anhänger von Präsident Askar Akajew seien mit Stöcken und selbst-gebauten Schutzschilden in die Menge der etwa 10.000 Demonstranten gedrungen, berichtete Korrespondent Dmitry Solovyov. "Es ist eine unberechenbare Situation, die Menschen rennen in alle Richtungen und jagen sich mit Stöcken und werfen Steine", berichtete der Korrespondent.
Vorwurf der Wahlmanipulation
Die Demonstranten werfen Akajew Fälschung bei der Parlamentswahl vor und fordern seinen Rücktritt. Redner forderten die Staatsführung auf, die Verantwortung für Manipulationen bei der Parlamentswahl Ende Februar auf sich zu nehmen. "Der Präsident, die Regierung, die Wahlleitung und die Gebietsgouverneure, die den Wahlverlauf gestört haben, müssen zurücktreten", rief der Anführer der oppositionellen Volksbewegung Kirgisiens, Ex-Regierungschef Kurmanbek Bakijew. Akajew-Gegner halten Teile Südkirgisiens unter Kontrolle, darunter auch die zweitgrößte Stadt des Landes, Osch.
Der neue Innenminister Keneschbek Duschebajew appellierte im Vorfeld der Demonstration an die Opposition, friedlich zu bleiben. Er werde der Polizei niemals die Anweisung geben, auf friedliche Demonstranten zu schießen, sagte er.
Chefideologe bietet Rücktritt an
Der kirgisische Staatssekretär Osmonakun Ibraimow hat unterdessen seinen Rücktritt angeboten. Er gilt als der Chefideologe des Präsidenten und ist bei den Oppositionsanhängern eine der meistgehassten Figuren in der Regierung. Präsident Akajew lehnte einen Rücktritt bislang ab. Es gab zunächst keine Informationen über seinen Aufenthaltsort.
Die Polizei hatte am Mittwoch kleinere Proteste der Opposition in Bischkek gewaltsam beendet. Im Süden des Landes haben die Demonstranten zu Wochenbeginn die beiden Städte Jalal Abad und Osch unter ihre Kontrolle gebracht. Dabei kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen mindestens vier Polizisten zu Tode geprügelt wurden.