Klimakonferenz Öldeals im Hinterzimmer? Geleakte Dokumente stellen Glaubwürdigkeit der COP28 in Frage

Sultan Ahmed Al Jaber ist Präsident der bevorstehenden Klimakonferenz (COP 28)
Sultan Ahmed Al Jaber ist Präsident der bevorstehenden Klimakonferenz (COP 28) – und leitet den staatlichen Ölkonzern der Vereinigten Arabischen Emirate
© Bryan Bedder / Getty Images / AFP
Kann das gut gehen, wenn der Chef eines Ölkonzerns die wichtigste Klimaversammlung der Welt organisiert und leitet? Dass so eine Person ohne Eigeninteressen handeln soll, konnten sich Umweltaktivisten und einige Politiker kaum vorstellen. Womöglich hatten sie recht.

Die 28. Weltklimakonferenz sollte ein "Schlüsselmoment", ein "Meilenstein" im Kampf gegen den Klimawandel werden. So wird das politische Großevent auf der Website der Konferenz beworben. Wie die Weltgemeinschaft Emissionen und Temperaturen senken kann – darum soll es in Dubai eigentlich gehen. Doch am Ende könnte das internationale Treffen zu einem Milliarden schweren Profitgeschäft für die Vereinigten Arabischen Emirate werden; genauer für den staatlichen Ölkonzern Adnoc und das Energie-Unternehmen Masdar.

Die Weichen dafür sind zumindest gestellt. Das zeigen geleakte Dokumente, die das Netzwerk Centre for Climate Reporting (CCR) gemeinsam mit dem britischen Sender "BBC" ausgewertet und geprüft hat. Demnach sollen COP28-Präsident Ahmed Al Dschaber und sein Team in den vergangenen Monaten Treffen mit internationalen Regierungs- und Wirtschaftsvertretern organisiert haben, um die (Öl-)Interessen seines Landes vor der Klimakonferenz zu festigen.

Der Klimabeauftragte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist gleichzeitig Chef beim staatlichen Ölkonzern Adnoc. Und soll die diesjährige Klimakonferenz vom 30. November bis zum 12. Dezember leiten. Das geht gar nicht, finden Greenpeace sowie mehrere EU- und US-Parlamentarier. Umweltaktivisten und Regierungsvertreter bangen um die Glaubwürdigkeit der Versammlung. Kritiker von Al Dschaber dürften sich nun bestätigt fühlen.

Al Dschaber wies sämtliche Vorwürfe bisher gelassen zurück. Unter anderem deshalb, weil er 2006 einen Staatskonzern für erneuerbare Energien gegründet hat. Aber, auch das hat Al Dschaber deutlich gemacht, auch die Interessen der fossilen Industrie gehörten bei der Klimakonferenz "auf den Tisch". 

COP28-Präsident wirbt im Ausland für Projekte mit fossilen Energien

Den ersten Anlauf hat der COP28-Präsident in den vergangenen Monaten gestartet. Zur Vorbereitung der Klimakonferenz haben Al Dschaber und sein Team von Juli bis Oktober mehrere Treffen mit Regierungs- und Wirtschaftsvertretern aus fast 30 Ländern organisiert. Die geleakten Dokumente, die Whistleblower CCR und der BBC zugespielt haben, zeigen, dass es bei den Gesprächen unter anderem darum ging, die Exporte des Staatskonzerns Adnoc zu erhöhen. Allerdings ist unklar, in wie vielen Fällen die wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) überhaupt angesprochen wurden. Mit mindestens 15 Staaten sollen die VAE allerdings Öl-Abkommen geplant haben, heißt es bei CCR.

Auf Nachfrage der Journalisten reagierten mehr als ein Dutzend der Länder gar nicht. Andere gaben an, dass die in den Briefings beschriebenen Wirtschaftsinteressen nie angesprochen wurden, während eine Minderheit die Treffen ganz leugnete. Die VAE wiesen dies zwar nicht zurück, betonten aber, dass die Gespräche privat stattgefunden hätten, berichtet die BBC.

Als Präsident der Weltklimakonferenz müsste Al Dschaber die Mitglieder der Versammlung dazu motivieren, sich von fossilen Energien zu lösen. Stattdessen biedert er sich und seinen Öl-Konzern in verschiedenen Ländern als Unterstützer für fossile Energieprojekte an – darunter Deutschland, die USA, Kolumbien, Frankreich, Kanada und Kenia. 

Kenia soll Adnoc Diesel und Kraftstoff für Flugzeuge liefern und Aserbaidschan wollen die VAE auf dem Weg zum verlässlichen Gaslieferanten für Europa unterstützen, so steht es in den von CRR und BBC verifizierten Briefings. Auch mit China wollen die VAE demnach stärker zusammenarbeiten. Die emiratische Ölgesellschaft Adnoc sei "gewillt", gemeinsam mit Peking Projekte zur Flüssiggas-Nutzung unter anderem in Mosambik, Kanada und Australien zu prüfen, heißt es in einem Besprechungsprotokoll.

Auch die UN-Generalversammlung im September in New York sollen Al Dschaber und sein Team genutzt haben, um ihre Interessen zu vertreten. Dort trafen sich die Delegierten unter anderem mit Microsoft-Mitbegründer Bill Gates, Prinz William und dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair.

Internen Mails zufolge wurde das COP28-Team zudem dazu angehalten, Interessen von Adnoc in sämtliche internationalen Gespräche mit einzubeziehen. Den Recherchen zufolge hatte das Gipfelteam den Konzern um Gesprächsthemen gebeten, die ohne Weiteres in die Briefings übernommen wurden. Dasselbe gelte auch für den Konzern für erneuerbare Energien, Masdar. Auch für ihn sei das COP28-Team eine Lobby, heißt es in den Berichten.

Ein Sprecher der Klimakonferenz wies die Vorwürfe zurück und betonte, dass die Treffen vertraulich gewesen seien: "Dr. Sultan hat eine Reihe von Positionen neben der Präsidentschaft der COP28 inne. Das ist öffentlich bekannt. Private Treffen sind privat und wir werden sie nicht kommentieren."

Team der Klimakonferenz arbeitet im Gebäude eines Ölkonzerns

Ein Sprecher der COP28-Konferenz bezeichnete die Dokumente als "fehlerhaft" und erklärte, diese seien von der COP28-Leitung "während ihrer Treffen nicht genutzt worden". Es sei "äußerst enttäuschend", dass die BBC sich auf "ungeprüfte Dokumente" stütze. Gegenüber CCR bekräftigte ein Sprecher des COP28-Teams, dass "die Mitarbeiter (...) von allen anderen Einheiten getrennt sind" und dass die "Operationen der Präsidentschaft völlig unabhängig und autonom sind". 

Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen für Klimaänderungen verpflichtet den Präsidenten der Konferenz zur Unparteilichkeit. Es wird erwartet, dass er unvoreingenommen, ohne Vorurteile und Eigeninteressen handelt. Die durchgesickerten Besprechungsprotokolle und Emails legen das Gegenteil nahe. 

Mehrere Whistleblower werfen den Mitarbeitern von Al Dschaber vor, im Gebäude des Ölkonzerns Adnoc zu arbeiten. Im Januar gab es mehrere Berichte, wonach Al Dschaber und sein Team die Konferenz im Hauptquartier in Abu Dhabi organisierten. Ein COP28-Sprecher gab dies auf Anfrage von CCR zu, räumte allerdings ein, dass das Team zu diesem Zeitpunkt noch aufgebaut werde und das Personal an verschiedenen Orten untergebracht sei. Bis die Mitarbeiter ihre eigenen Büros beziehen könnten, gebe es klare Richtlinien, damit "das Team vollkommen unabhängig von den Einrichtungen arbeiten kann, in denen sie gerade sitzen".

Mittlerweile ist die Organisationsgruppe umgezogen – Whistleblower wollen aber weiterhin regelmäßige Treffen im Hauptgebäude von Adnoc beobachtet haben. Mit den Vorwürfen konfrontiert sagte ein Sprecher: "Der COP28-Vorsitz hat konsequent die Position vertreten, dass es keinen Sinn macht, die Menschen, die am meisten über das derzeitige Energiesystem wissen, von Gesprächen über die Energiewende auszuschließen". Er zeigte sich zuversichtlich, dass in Dubai starke Ergebnisse erzielt werden könnten.

Fossile Energien Thema bei der Klimakonferenz

Mitglieder und Kritiker befürchten wohl zurecht, dass die Glaubwürdigkeit der Klimakonferenz unter den gegebenen Umständen massiv leiden könnte. Mehrere der in den Briefings genannten Projekte sollen den Berichten von CCR und BBC zufolge neue Öl- und Gaserschließungen sein. Energieexperten und Klimaforscher sind sich allerdings einig, das solche Projekte gestoppt werden müssen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Bei der Weltklimakonferenz in Dubai soll die künftige Nutzung fossiler Brennstoffe eine zentrale Rolle spielen. Unter anderem soll es darum gehen, wie bereits eingetretene Schäden und Verluste durch den Klimawandel finanziert und bewältigt werden können, insbesondere in betroffenen Entwicklungsländern.

 

Quellen: BBC, "Guardian", mit Material von DPA und AFP