Griechenland-Krise Gönnt Tsipras einen kleinen Triumph!

Ein Kommentar von Andreas Petzold
Ein Kompromiss in der Griechenland-Krise käme einem Triumph für die Gläubiger gleich. Doch die Athener Regierung um Alexis Tsipras wäre am Ende - und Chaos in Griechenland die Folge. So weit darf es nicht kommen, findet stern-Herausgeber Andreas Petzold. Die Lösung: Eine Umstrukturierung der Schulden.

Wir erleben gerade ein Drama, das die Grundfesten der EU zum Einsturz bringen könnte. Die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen, scheint den Akteuren in Brüssel abhanden zu kommen. Verzichten wir einmal auf die üblichen Schuldzuweisungen und schauen ganz nüchtern auf den Stand der Dinge: Ein Unentschieden zwischen Griechenland und den Gläubigern wird es wohl nicht geben. Sollte tatsächlich ein "Agreement" unterschrieben werden, dann stünde es 1:0 für die Kreditgeber. Dann wurden die Regeln halbwegs eingehalten, und einige Regierungschefs der Eurozone könnten ihre Standfestigkeit Zuhause in steigende Umfragewerte ummünzen.

Aber der Preis dafür: Chaos in Athen. Das Land könnte sich dann zwar knapp über Wasser halten, weil nach einer Einigung die 18,2 Milliarden aus dem zweiten Rettungsprogramm fließen würden. Aber die Regierung von Alexis Tsipras wäre am Ende. Seine Signatur unter dem aktuellen Gläubiger-Dokument könnte er aller Voraussicht nach nicht mit der eigenen Koalitionsmehrheit durch das Parlament bringen. Der linke Syriza-Flügel, etwa 40 Abgeordnete, würden ihre Rolle als linksradikale Fundamentalisten spielen und sich den "Erpressungen des Großkapitals" nicht beugen. So sehen sie das.

Da Tsipras nur über eine Mehrheit von zwölf Abgeordneten verfügt, läge es in den Händen der Oppositionsparteien, das Reformpaket durchzuwinken. Und wie es aussieht, würden sich die linksliberale To Potami und die konservative Nea Demokratia nicht verweigern. Resultat: In den kommenden zwei Monaten bis zu einer Neuwahl wäre Griechenland beschlussunfähig, es gäbe keinen verlässlichen Verhandlungspartner für Brüssel. Und das in einer Zeit, in der Griechenland in zwei Tranchen insgesamt sieben Milliarden Euro Tilgung an die EZB überweisen muss (20. Juli und 20. August).

Politische Stabilität muss gewonnen werden

Den Umfragen nach zu urteilen könnte Tsipras mit einer Wiederwahl rechnen. Dann würde der Irrsinn der vergangenen Monate in die Verlängerung gehen. Zwar könnte Tsipras, einer ungewöhnlichen Regel der griechischen Verfassung folgend, bei einer Neuwahl innerhalb von 15 Monaten eine Parteiliste mit gefügigen Abgeordneten aufstellen und wählen lassen. Aber das wäre das Ende von Syriza, und den meisten Wählern wäre das wohl auch kaum zu vermitteln. Die Gläubiger hätten gewonnen und dem Gegner nicht nur den Rasen zertrampelt sondern auch das Team krankenhausreif gefoult.

Nein, so geht das nicht! Tsipras muss die Einigung mit der eigenen Mehrheit durchs Parlament bringen können, damit zumindest etwas politische Stabilität gewonnen wird und neonazistische Bewegungen wie die Goldene Morgenröte keinen Boden gut machen. Um dieses Kunststück fertig zu bringen, benötigt der Syriza-Chef eine repräsentative Beute, die er seinen europäischen Kollegen abgetrotzt hat. Sonst verweigert ihm der harte Syriza-Kern die Gefolgschaft. Das kann nur eine Umstrukturierung der Schulden sein, also Verlängerung von Laufzeit und erneute Senkung der Zinsen oder ein konditionierter Schuldenrabatt, was Reformen gegen Senkung der Verpflichtungen bedeutet.

160 Milliarden stehen für Frankreich und Deutschland auf dem Spiel

Der Internationale Währungsfonds drängt ohnehin auf diese Lösung, da ansonsten die Schuldentragfähigkeit Griechenlands in den Sternen steht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen könnten in der Kürze der Zeit so einen Beschluss allerdings nicht mehr fassen, denn auch für diesen Akt ist die Zustimmung von nationalen Parlamenten der Gläubiger zwingend.

Aber unter diesem Vorbehalt könnten sie Tsipras zumindest mit auf den Weg nach Athen geben: Das ist unser gemeinsames Ziel, wir ebnen dir den Weg dahin! Mit diesem noch nicht unterschriebenen Versprechen könnte der Regierungschef vor seine Abgeordneten treten und die Trophäe schwenken. Eine eigene Mehrheit dürfte ihm dann sicher sein, es stünde 1:1. Natürlich, dieses Verfahren widerspräche allen juristischen und politischen Regeln. Aber darin kennen sich Europas Politiker nur zu gut aus wenn es darum geht, Kompromisse zu finden.

Und was, wenn die Gläubiger den Griechen ohne Unterschrift nach Hause fahren lassen? Dann wird das Land zahlungsunfähig, ein Grexit steht ins Haus, alleine für Deutschland und Frankreich stünden 160 Milliarden Euro auf dem Spiel. Und man sähe sich dann im Pariser Club wieder, um einen Schuldenschnitt zu verhandeln, das ließe sich ohnehin nicht vermeiden.  Wäre es da nicht besser, gleich jetzt einen Nachlass zu verabreden, mit Griechenland, einem Mitglied der Eurozone?