Krach um Beutekunst in Petersburg Merkel und Putin wenden Eklat ab

Es sah nach deutsch-russischen Krach aus: Erst sagen Kanzlerin und Präsident den Besuch der Beutekunst-Ausstellung ab. Dann die Kehrtwende - und Merkel fordert die Rückgabe von Kunstgegenständen.

Am Ende des Tages ist zwar nicht alles gut, aber Angela Merkel und Wladimir Putin haben einen Eklat abgewendet. Geholfen hat wie häufig im Leben ein direktes Gespräch.

Noch vor Merkels Abflug nach St. Petersburg war die geplante gemeinsame Eröffnung der Beutekunst-Ausstellung am Abend #link;htthttp://www.stern.de/politik/ausland/eklat-um-grusswort-merkel-sagt-ausstellungsbesuch-mit-putin-ab-2028114.html;in der Eremitage mit Putin abgesagt worden#. Merkel hatte sich auf die Schau mit dem vielversprechenden Titel "Bronzezeit - Europa ohne Grenzen" gefreut. Denn sie zeigt erstmals überhaupt öffentlich Kunstschätze, die sowjetische Soldaten im Zweiten Weltkrieg auf Geheiß Moskaus aus Deutschland mitgenommen haben. Und die Kanzlerin empfand die Idee der gemeinsamen Eröffnung als großen Fortschritt und positives Zeichen für das Verhältnis Moskau-Berlin.

Es entwickelte sich ein Streit um Merkels Grußwort. Darin wollte die Kanzlerin die Rückgabe zumindest eines Teils der Werke fordertn. Das ist seit Jahren die deutsche Position. Die Bundesregierung beklagt, dass während des Zweiten Weltkrieges eine Million Kunstgegenstände gestohlen worden seien. Das bedeute einen schmerzvollen Einschnitt in die eigene kulturelle Entwicklung. Moskau argumentierte dagegen stets, sowjetische Soldaten hätten mit ihrem Blut für die Kunstwerke bezahlt.

Was ist Beutekunst?

Unter Beutekunst versteht man Kulturgüter, die Staaten oder Privateigentümern kriegsbedingt abhanden gekommen sind. Der Begriff steht heute vor allem für die Verschleppung von Kunstwerken aus Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Damals transportierten die siegreichen Alliierten eine unübersehbare Zahl von Kunstschätzen aus Deutschland ab. Auch heute lagern noch viele dieser Kulturgüter in ausländischen Staaten, darunter in Russland.

Die deutsche Haltung: Kein Grußwort - kein Besuch

Daraufhin hieß es, die russische Seite habe sich öffentliche Kritik von Merkel nicht antun und auf beide Grußworte verzichten wollen. Schweigend hätte sich Merkel die Kunst aber nicht angesehen, die vor 70 Jahren aus Deutschland verschleppt wurde - wie der Eberswalder Goldschatz, der größte deutsche Goldfund aus der Bronzezeit. Also verzichtete sie. Die Stimmung war dahin und das deutsch-russische Verhältnis drohte Schaden zu nehmen.

Möglicherweise unterschätzte Putin die Wirkung der Absage des Grußwortes. Jedenfalls wurde während des ganzen Tages genau das zum Thema gemacht, was er vermeiden wollte: Die Debatte um die Beutekunst. Am Abend bei der gemeinsamen Pressekonferenz verkündete Putin dann, dass sie doch gemeinsam in die Eremitage gehen wollten. Gar nichts sei abgesagt worden. Es habe nur Terminfragen gegeben. Die seien geklärt.

Die Erlösung erfolgte nach einem persönlichen Gespräch zwischen der Kanzlerin und Putin. Merkel sagte: "Ein direktes Gespräch mit dem Präsidenten und mir hat dazu geführt, dass wir die Ausstellung eröffnen." Putin mahnte noch: "Eine sehr heikle Frage für die Gesellschaften beider Länder. Wir müssen nach Lösungen suchen, nicht das Thema aufblasen. Wir dürfen nicht gegeneinander aufrechnen, sondern sollten den Weg der Kunstexperten gehen." Beide bekräftigten, die Ausstellung gemeinsam besuchen zu wollen.

Und so sprach die Kanzlerin am Abend ihr Grußwort und forderte darin die Rückgabe von 600 erbeuteten Kunststücken: "Wir sind der Meinung, dass diese Ausstellungstücke wieder zurück nach Deutschland kommen sollen." Sie sollten den Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgern zurückgegeben werden. Die Kanzlerin betonte, Deutschland und Russland hätten nach dem Krieg so viel geschafft. Deshalb sei sie hoffnungsfroh, dass auch dieses Problem gelöst werde. Den Leuten sei es doch egal, wo die Kunst zu sehen sei, konterte Russlands Präsident: "Was macht es einem ganz normalen Bürger aus, wo die Kulturgüter zu sehen sind - in Berlin, Sankt Petersburg, Moskau oder in der Türkei."

Die weiße Nacht zur Sommersonnenwende in St. Petersburg nahm für Merkel und Putin letztlich ein gutes Ende - das Ringen um die Beutekunst aber geht weiter.

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