Russlands Angriff auf die Ukraine hält die Welt in Atem. Bilder von Zerstörung und Leid gingen bereits am ersten Tag nach dem Einmarsch durch die Medien. Ein Blick auf die Reaktionen der internationalen Presse.
USA:
"New York Times": "Was jetzt klar ist, ist, dass Putin Europa in den gefährlichsten Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg gestoßen hat (...). Er hat eine Fortsetzung des Kalten Krieges begonnen, eine möglicherweise gefährlichere, weil seine Behauptungen und Forderungen keinen Boden für Verhandlungen bieten und weil Russland mit seinem nuklearen Arsenal in der Lage ist, einen massiv zerstörerischen Cyberkrieg zu beginnen. (...) In seinen beiden Fernsehansprachen in dieser Woche zeigte Biden die Entschlossenheit und Ruhe eines erprobten Anführers und das westliche Bündnis demonstrierte angesichts des russischen Angriffs eine seltene Einigkeit. Der Westen ist am stärksten, wenn er für seine gemeinsamen Werte und gegen einen gemeinsamen Feind zusammensteht. Wie schwierig es auch sein mag, unser Schmerz wird nichts im Vergleich zu den Qualen des ukrainischen Volkes durch eine einmarschierende Armee sein."
"Washington Post": "Der Konflikt mag – für den Moment – auf die östlichen Gebiete Europas begrenzt sein. Aber Russlands Krieg könnte sich allzu leicht ausbreiten und weltweit destabilisierende Auswirkungen haben. Und wieder einmal werden die Vereinigten Staaten aufgefordert, zu reagieren. Biden kann und muss Putin entschieden entgegentreten. Zu verhindern, dass dieser Kontinent unter die Herrschaft eines feindlichen Hegemonen gerät – wie es 1914, 1939 und während des Kalten Kriegs fast der Fall war – ist seit Jahrzehnten ein essenzielles Interesse der USA. (...) Tatsächlich könnten die Folgen schädlicher und dauerhafter sein als jeglicher Aufruhr, der sich aus den wirtschaftlichen Sanktionen, begrenzten Truppeneinsätzen und anderen Maßnahmen ergibt, die Biden angekündigt hat."
"USA Today": "Wladimir Putins Krieg gegen die freie, demokratische Nation der Ukraine sollte ein Moment sein, in dem die Amerikaner ihre Parteipolitik zurückstellen und sich zusammenschließen, sich der russischen Aggression entschieden entgegenzustellen. Doch selbst während Raketen auf ukrainische Städte regnen, nutzen führende Politiker der Republikaner diese sich immer noch zuspitzende internationale Krise als Gelegenheit, politisch zu punkten, indem sie Amerikas Oberbefehlshaber (Präsident Joe Biden) als schwach abkanzeln. (...) Der Weg aus diesem dunklen Wald ist noch nicht erkennbar. (...) So müssen auch die Amerikaner zusammenhalten, selbst wenn die Aktienmärkte einbrechen und die Benzinpreise zu Hause steigen. Dies ist nicht der Moment für innenpolitische Angriffe. Es ist eine Zeit für parteiübergreifende Einigkeit und nationale Entschlossenheit."
Frankreich:
"Le Parisien": "Nach dem 11. September 2001 wird der 24. Februar 2022 als das zweitwichtigste Datum in die Geschichte des 21. Jahrhunderts eingehen: als Datum der Rückkehr des Krieges in Europa. So etwas hat man seit 1945 nicht mehr erlebt. Niemand wollte glauben oder sehen, dass der russische Präsident Wladimir Putin so weit gehen würde. (...) Es wurde vergessen, wie wertvoll und zerbrechlich Frieden und Stabilität sind."
Spanien:
"La Vanguardia": "Die Ukraine befindet sich im Schockzustand. Die kommenden Tage und Wochen könnten höllisch sein. Das Ausmaß und die Intensität der russischen Offensive lassen darauf schließen, dass Putin die Hauptstadt Kiew schnell erreichen will, um die Kontrolle über sie und das Land zu übernehmen (...) Die wirtschaftlichen Sanktionen müssen besonders streng sein. Es gibt keinen Platz für Schwäche in diesem Bereich. Und sie müssen so lange aufrechterhalten werden, bis die russische Wirtschaft einen Rückschlag erleidet."
"El Mundo": "Es ist noch zu früh, um zu wissen, was der Plan von (Kremlchef Wladimir) Putin ist. Er tritt einmal mehr das Völkerrecht mit Füßen, verstößt gegen alle Kriegskonventionen und zeigt sich von der schlimmsten Seite eines Führers, der keine Skrupel hat. Er ist in das perverse Banner des Ultranationalismus gehüllt und fest entschlossen, einen neoimperialistischen Kurs zu verfolgen, bei dem man den Traum des Kremls erkennen kann, die sowjetische Vergangenheit wiederaufleben zu lassen. Der brutale militärische Angriff von gestern hat sich ja nicht auf die Provinzen des Donbass beschränkt (...) Auch wenn Putin versichert, dass er nicht die Absicht habe, die Ukraine zu besetzen, bestätigt das die schlimmsten Befürchtungen. Es handelt sich für den gesamten Westen um eine Herausforderung, wie sie es seit dem Kalten Krieg nicht mehr gegeben hat."
Großbritannien:
"The Times": "Die Ukraine ist kein Mitglied der Nato und kann sich nicht auf Artikel 5 berufen, der alle Mitglieder dazu verpflichtet, einem angegriffenen Nato-Land zur Hilfe zu eilen. Das hindert die Nachbarländer der Ukraine jedoch nicht daran, jede erdenkliche Unterstützung zu leisten. Sogar Deutschland, das bisher zögerte, Waffen zu schicken, hat zugegeben, dass es das Ausmaß von Putins Doppelzüngigkeit und seines Strebens unterschätzt hat. Berlin gehört nun zu denjenigen, die auf die härtesten Maßnahmen dringen, um dem russischen Staat politischen und wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. (...) Wenn Putin glaubt, dass die Ukraine nur der erste Schritt zur Ausdehnung Russlands auf seine zaristischen Grenzen einschließlich Finnlands ist, muss ihm jetzt gezeigt werden, dass die Nato genauso bereit ist, ihn zurückzuweisen, wie sie es bei Stalin und seinen Nachfolgern war. Die wichtigste Konsequenz aus Putins zynischen Täuschungen kann nur die sofortige Stärkung der Nato sein."
"The Guardian": "Großbritannien und die EU haben "massive" Sanktionen versprochen, aber noch Stunden nach dem Einmarsch stritten sich die Staaten darüber, wie weit sie gehen sollten. Ein weiterer Anstieg der Energiepreise könnte die Länder in eine galoppierende Inflation und möglicherweise in eine Rezession stürzen, mit der Gefahr einer politischen Destabilisierung und einer weiteren Spaltung, wenn die Bürger darum kämpfen müssen, über die Runden zu kommen. Putin hat Grund zu der Annahme, dass er die Reaktion überstehen kann."
Irland:
"The Irish Times": "Durch Wladimir Putins Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren, die mitten in der Nacht verkündet wurde, als russische Panzer einrollten, tritt Europa in eine neue dunkle Ära und eine seiner schlimmsten Sicherheitskrisen seit dem Zweiten Weltkrieg ein. Eine atomar bewaffnete Diktatur hat einen massiven und unprovozierten Angriff gegen einen wichtigen demokratischen Staat in Europa begonnen. (...) Russlands Angriff auf die Ukraine sollte Europa aus seiner Selbstgefälligkeit nach dem Kalten Krieg wachrütteln. Es ging davon aus, dass die Globalisierung Kriege zwischen Staaten verhindern würde. Es dachte, Putin sei ein rationaler Akteur mit begrenztem Risikoappetit. In beiden Punkten lag es falsch.
Australien:
"The Australian": "In gewisser Weise ist China der Gewinner dieses Konflikts, weil Putin abhängiger von (Chinas Präsident) Xi wird. China wird Russlands wirtschaftliche Lebensader sein, wenn (und falls) Sanktionen greifen und eine langfristige Besetzung der Ukraine Russland ausblutet. Genau wie Nordkorea hat Peking jetzt einen zweiten umherirrenden "kleinen Bruder", der ständig im Geheimen schreckliche Bosheiten plant. Aber China will die Weltordnung besitzen und sie nicht wie Putin zerstören. Die widersprüchlichen Weltanschauungen der beiden Länder werden sie dem anderen gegenüber nervös machen."
Schweiz:
"Neue Züricher Zeitung": "Russland muss geschwächt und international so weitgehend wie möglich isoliert werden – politisch und wirtschaftlich. Es gilt, der russischen Bevölkerung und erst recht den Wirtschaftsmagnaten und der übrigen Moskauer Elite die verheerenden Folgen von Putins inakzeptablem Tun deutlich zu machen. Dazu gehört eine langfristig angelegte Politik des Westens, die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zu verringern. Denn die Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Erdgas haben es dem Kreml maßgeblich ermöglicht, seine Streitkräfte auszubauen und zu einer Gefahr für ganz Europa zu machen. Russland hängt wirtschaftlich stärker vom Westen ab als umgekehrt – und diese Abhängigkeit macht den Kreml verletzlich. Isoliert von der Welt und um Teile seiner Einnahmen gebracht, kann dieses Regime nicht überleben. So düster die Lage derzeit in der Ukraine ist, besteht dennoch die Hoffnung, dass Putins Plan nicht aufgeht. Sein skrupelloser Angriff wäre dann nicht der Vorbote eines Triumphs, sondern der Anfang vom Ende seiner Herrschaft."
Dänemark:
"Politiken": "Wer Macht hat, hat Recht. So vereinfacht scheint Wladimir Putin zu denken. Russlands Invasion ins Nachbarland Ukraine ist die erste größere Landoffensive in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, und mit seiner verwerflichen und rechtswidrigen Entscheidung hat Putin sowohl sein eigenes Land als auch den Rest der Welt in eine gigantische Krise gestürzt. Auf kurze Sicht ist es unmöglich, Russlands Invasion zu stoppen. Aber umso wichtiger ist es, dass Putins primitiver Gewaltlogik auf lange Sicht nicht gestattet werden darf, zu gewinnen. Der Angriff auf die Ukraine ist nämlich nicht nur ein Angriff auf ein einzelnes Land. Es ist ein Angriff auf die gesamte regelbasierte Weltordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg mühsam aufgebaut wurde. Russland muss gezwungen werden, seine Aggression einzustellen und ukrainischen Boden zu verlassen. Wird das einfach? Nein. Wird das Zeit brauchen? Vermutlich. Es ist ein Kampf, den wir nicht verlieren dürfen. Die Alternative wäre Chaos und das Recht des Stärkeren."

Belgien:
"De Standaard": "Der russische Präsident hat zahllose europäische Spitzenpolitiker zum Narren gehalten, eine List nach der anderen ersonnen und seinen Krieg genau zu dem Zeitpunkt begonnen, als der UN-Sicherheitsrat eine Krisensitzung abhielt. Ein zynischerer Umgang mit der internationalen Rechtsordnung ist kaum denkbar. Und doch ist es nur allzu leicht, führende Politiker wie Emmanuel Macron und Olaf Scholz als leichtgläubige Narren abzutun. Als die Chamberlains des 21. Jahrhunderts. Die harte Realität ist, dass Putin nie nach denselben Regeln spielen musste wie seine westlichen Gegner. Ein Staatschef, der sich nicht vor seinem Volk verantworten muss, der seine Kritiker in den Kerker wirft und über eine schlagkräftige Armee verfügt, kann es sich leisten, zu lügen, Friedensvereinbarungen zu verletzen und 200.000 Soldaten gegen ein Nachbarland einzusetzen."
Russland:
"Nowaja Gaseta": "Krieg ist ein Verbrechen. Die Ukraine ist kein Feind. Russland bezahlt einen hohen Preis für diese Wahl, die Putin getroffen hat. Der Krieg ist binnen weniger Stunden von diesem einen Menschen vom Zaun gebrochen worden. Für jeden einzelnen von uns wird der Weg zum Frieden nun zu einer Herausforderung."
Rumänien:
"Adevarul": "Es geht im Grunde um die Stärke und die Glaubwürdigkeit des Westens, der jetzt vor einer großen Herausforderung steht, die plötzlich bestätigt, wie schnell sich dieser Kalte Krieg, in dem wir uns noch befinden, in einen offenen Konflikt verwandeln kann – wobei alles zunichte gemacht wird, was wir wussten und hofften, gestützt auf die Versprechen, auf denen die Welt aufgebaut wurde, in der wir leben."
Slowakei:
"Pravda": "Auch wenn die Ukraine nicht so nahe wäre, sondern am anderen Ende der Welt, würden die Ereignisse trotzdem unumkehrbar auch uns betreffen. Wir können uns die Folgen noch gar nicht vollständig vorstellen. Es geht nicht nur um die Preise von Gas, Benzin, Diesel oder Lebensmitteln bei uns. Um unsere Sicherheit und Verteidigung, selbstverständlich auch um die Hilfe, die wir leisten können, um die Vorbereitung auf eine Flüchtlingswelle aus dem überfallenen Nachbarland. Um den üblichen Umgang mit Konflikten in der zivilisierten Welt."
Griechenland:
"Kathimerini": "Niemand weiß, wie stark, lang und tief das Erdbeben sein wird, das die gestrige Invasion Russlands in die Ukraine erzeugt. Sicher ist nur, dass die Welt sich tiefgreifend ändern wird. (...) Der 24. Februar hat die Illusion zerstört, dass starke Länder trotz Meinungsverschiedenheiten das Gleichgewicht untereinander halten könnten. (...) Es ist nun klar, dass es keine Rückkehr zu der Welt gibt, wie wir sie kannten. Entweder wird die internationale Gemeinschaft zusammenrücken, um Wladimir Putin zu stoppen, oder wir kommen in eine Periode der Instabilität und Barbarei, wo jedes stärkere Land das internationale Recht zu Lasten der Schwächeren zertrampelt. Das letzte Mal, als es solche Zustände gab, wurde Europa in das Jahr 1939 (in den Zweiten Weltkrieg) geführt."
Indonesien:
"Jakarta Post": "Wir sind sicherlich überrascht von dem, was passiert ist; dass auch heute noch, im 21. Jahrhundert, der Einsatz von militärischer Stärke zur Besetzung des Gebiets einer anderen Nation Realität ist. In den kommenden Tagen müssen wir auch mit Cyberangriffen rechnen, die das Leben von Millionen Menschen beeinträchtigen könnten. Aber abgesehen von diesen kurzfristigen wirtschaftlichen Problemen und der damit verbundenen humanitären Krise können wir davon ausgehen, dass die globalen Spannungen im Falle eines ausgewachsenen Kriegs ein Allzeithoch erreichen – etwas, das wir seit dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr erlebt haben. Womöglich handelt es sich um eine Neuauflage des Kalten Kriegs."