Die Aufständischen in Libyen sind auf ihrem Vormarsch in Richtung Westen auf die Hauptstadt Tripolis auf Widerstand getroffen. Etwa 140 Kilometer östlich der Geburtstadt von Machthaber Muammar al Gaddafi, Sirte, wurden sie bei Bin Dschwad unter Beschuss genommen. Zuvor hatten die Rebellen offenbar voreilig bereits die Einnahme der Stadt verkündet. Dagegen flog die westliche Militärkoalition erneut Luftangriffe gegen Stellungen der Truppen Gaddafis in Sirte.
Nachdem die Aufständischen den strategisch wichtigen Ölhafen Ras Lanuf rund 660 Kilometer östlich von Tripolis wieder in ihre Kontrolle gebracht hatten, war mit weiteren Kämpfen in Sirte gerechnet worden. Am Morgen berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira unter Berufung auf einen Sprecher des Nationalen Übergangsrats zwar, die Rebellen seien in der Nacht zum Montag in die Stadt eingerückt und auf keinen nennenswerten Widerstand getroffen. Doch gab es keine Bestätigung dafür, dass Gaddafi-treue Truppen die Stadt zuvor in Richtung Tripolis verlassen hätten. Westliche Reporter konnten diese Angaben nicht bestätigen. Allerdings berichteten sie auch nicht von Kämpfen in der Stadt.
Erdogan warnt vor einem "weiteren Afghanistan"
Die Nato-Staaten hatten sich am Wochenende auf die vollständige Übernahme des Kommandos für den Libyen-Einsatz geeinigt. Auch die türkische Regierung hatte nach langem Zögern letztlich eingewilligt. Dennoch will sich die Regierung in Ankara nicht mit dem Konflikt abfinden. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte der britischen Zeitung "The Guardian", Ankara sei bereit, eine baldige Waffenruhe in Libyen zu vermitteln.
Er warnte davor, dass ein langwieriger Konflikte das Land in einen "zweiten Irak" oder "ein weiteres Afghanistan" verwandeln könnte. Dies könnte verheerende Auswirkungen auf Libyen und die Nato-Länder haben, die die Militärintervention anführten. Erdogan sagte, dass Gespräche mit der Regierung des libyschen Machthabers und mit dem Nationalen Übergangsrat der Aufständischen weiterliefen.
Unterdessen haben Gaddafi und Mitglieder seines Regimes versucht, Kontakt mit der spanischen Regierung aufzunehmen. Madrid habe die Vorstöße jedoch zurückgewiesen, teilte die spanische Außenministerin Trinidad Jiménez am Montag im staatlichen Fernsehen TVE mit. Die Libyer müssten selbst einen Prozess der nationalen Versöhnung einleiten und einen funktionsfähigen Staat aufbauen.
Keine Abstimmung mit den Rebellen
Angesichts des weiteren Vorrückens der Rebellen in von Gaddafi-Truppen kontrollierte Städte sagte ein ranghoher US-Beamter am Sonntag, es gebe keine Abstimmung der internationalen Truppen mit den Aufständischen. Es gehe nicht um die Rebellen, sondern darum, Zivilisten und von Zivilisten besiedelte Gebiete vor Angriffen zu schützen. Die Luftangriffe auf Tripolis und Sirte ließen Vorwürfe laut werden, das Bündnis gehe damit über die Vorgaben der UN-Resolution 1973 hinaus, die die nötigen Maßnahmen zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung erlaubt.
Die Truppen, die Zivilisten bedrohten oder angriffen, würden genauso Ziel der Nato-Truppen werden wie zuvor der Truppen der internationalen Militärkoalition, sagte der Beamte nach der Entscheidung der Nato, das Kommando über alle Aspekte des Einsatzes zu übernehmen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte erklärt, es gehe um die Umsetzung der UN-Resolution zu Libyen: "Nichts mehr, nichts weniger." Nato-Vertretern zufolge wird die Kommandoübergabe 48 bis 72 Stunden dauern.
US-Regierung verteidigt die Intervention
Unterdessen hat die US-Regierung die Militärintervention vehement verteidigt. Gemeinsam mit US-Außenministerin Hillary Clinton trat Verteidigungsminister Robert Gates am Sonntag in verschiedenen US-Talkshows auf, um den Einsatz vor der kriegsmüden US-Bevölkerung zu rechtfertigen, am Montagabend will US-Präsident Obama sich öffentlich äußern. Zwar sei der Einsatz nicht im zentralen nationalen Interesse der USA, dennoch seien die USA an einer Lösung des Konflikts interessiert, sagte Gates dem Sender ABC.
Gates begründete den Einsatz unter anderem damit, dass es eine Massenflucht von Flüchtlingen nach Tunesien und Ägypten hätte geben können, was beide Länder destabilisiert und die Entwicklungen nach den Revolutionen dort gefährdet hätte. Clinton erklärte, die Kritiker des Einsatzes müssten sich fragen, wie die Dinge jetzt lägen, wenn die USA nicht eingeschritten wären.
Die USA sind bislang die meisten Einsätze in Libyen geflogen. Nach Pentagon-Angaben wurden allein zwischen Samstagabend und Sonntagnachmittag von 167 Lufteinsätzen 97 von der US-Luftwaffe ausgeführt. Die USA, Frankreich und Großbritannien fliegen seit mehr als einer Woche Luftangriffe gegen Libyen - zuletzt auch am Sonntagabend. Vor allem Washington hatte sich für eine schnelle Kommandoübernahme durch die Nato ausgesprochen.
Jemen: 40 Tote bei Explosion in Munitionsfabrik
Unterdessen sind bei einer Explosion in einer Munitionsfabrik im Jemen sind am Montag 40 Menschen ums Leben gekommen. Das meldete der Nachrichtensender Al Arabija. Die Fabrik in der Provinz Abjan war zuvor von Islamisten gestürmt und ausgeplündert worden.
Die Extremisten nutzen nach Informationen jemenitischer Medien den seit Wochen andauernden Machtkampf zwischen Präsident Ali Abdullah Salih und seinen Gegnern aus, um ihren Einflussbereich zu vergrößern. Vor diesem Szenario warnen US-Terrorismusexperten schon seit längerer Zeit.
Die Nachrichten-Website "Marib Press" berichtete, die Explosion habe sich ereignet, als Anwohner auf das Fabrikgelände in der Ortschaft al Hisn kamen, nachdem die "Dschihadisten" wieder abgezogen waren. Das für Patronen bestimmte Pulver, das auf dem Gelände lagerte, habe sich entzündet. Laut "Marib Press" gelang es den Extremisten nicht, eine Zementfabrik in Abjan unter ihre Kontrolle zu bringen. Dort seien sie von Angehörigen der lokalen Stämme aufgehalten worden, hieß es. Es sei ihnen aber gelungen, in der Stadt Jaar in eine Villa des Präsidenten und in die lokale Radiostation einzudringen.