Kurdenkonflikt Erdogan droht mit Irak-Einmarsch

Nach dem Scheitern der Krisengespräche mit dem Irak hat der türkische Ministerpräsident Erdogan nun offen mit dem Einmarsch ins Nachbarland gedroht. Die USA wollen dennoch nicht gegen die kurdischen Rebellen im Irak vorgehen.

Der türkische Ministerpräsident hat die Entschlossenheit seiner Regierung bekräftigt, Rebellen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) auch im Nordirak militärisch zu bekämpfen. Recep Tayyip Erdogan sagte am Sonntag in einer Rede zum Vorabend des 84. Jahrestags der türkischen Republikgründung: "Ich möchte noch einmal erklären, dass der Kampf mit Entschlossenheit fortgesetzt wird, den wir gegen verräterische, separatistische Terrorangriffe führen, die darauf abzielen, unsere Einheit und verfassungsmäßige Ordnung zu zerstören."

USA wollen nicht gegen PKK vorgehen

"Wir brauchen niemanden um Erlaubnis zu bitten", sagte Erdogan in Izmit vor einer Menschenmenge, die ihm begeistert zuwinkte. Am Sonntag töteten türkische Soldaten 20 PKK-Kämpfer bei einem Einsatz im Osten der Türkei, wie aus Militärkreisen verlautete. Die US-Regierung drängte die Türkei unterdessen zu einem weiteren Dialog mit dem Irak über ein Vorgehen gegen die PKK-Kämpfer im Nordirak, die im Zentrum der Krise stehen.

Der türkische Außenminister Ali Babacan distanzierte sich bei einem Besuch in Teheran allerdings von der Behauptung seines iranischen Kollegen Manutschehr Mottaki, Israel und die USA unterstützten die kurdischen Separatisten im Nordirak. Er denke nicht, dass Washington hinter den Rebellenangriffen stecke, Ankara werde aber das Notwendige tun, um sie zu stoppen, sagte Babacan.

Iran sagte Unterstützung zu

Mottaki sowie der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad sagten der Türkei ihre Unterstützung im Kampf gegen die PKK zu, äußerten sich aber nicht zu Einzelheiten. Die US-Streitkräfte im Irak erklärten unterdessen, dass sie nicht gegen PKK-Kämpfer vorgehen würden. Dies sei nicht Aufgabe seiner Truppen, erklärte General Benjamin Mixon. Die türkischen Streitkräfte haben im Grenzgebiet zum Irak örtlichen Medienberichten zufolge 100.000 bis 150.000 Soldaten für einen Einsatz gegen die PKK zusammengezogen. In dem Gebiet werden bis zu 4.000 PKK-Kämpfer vermutet, die auch Stützpunkte im Nordirak haben sollen.

Gespräche zwischen der türkischen und der irakischen Regierung über Maßnahmen gegen die Rebellen wurden am Freitag ergebnislos beendet. In mehreren türkischen Städten demonstrierten am Wochenende tausende Menschen gegen die PKK und kritisierten die ihrer Ansicht nach mangelnde Unterstützung des Auslands. Auch ein 15-Kilometer-Lauf über die Bosporusbrücke in Istanbul wurde am Sonntag zur Anti-PKK-Protestveranstaltung. Die Läufer riefen: "Nieder mit der PKK" und "Jeder Türke ist ein geborener Soldat".

PKK will gefangene Soldaten frei lassen

Eine Kundgebung von etwa 150 Anhängern der PKK im Istanbuler Stadtteil Ökmeydani löste die Polizei unter Einsatz von Tränengas rasch auf. Einige der jugendlichen Demonstranten bewarfen Polizisten mit Steinen. In den vergangenen Wochen haben PKK-Kämpfer nach türkischen Angaben bei Anschlägen mindestens 42 Menschen getötet, darunter 30 Soldaten. Acht Soldaten wurden gefangengenommen. Die Rebellen zeigten sich inzwischen zu deren Freilassung bereit. PKK-Sprecher Abdul Rahman al Khaderkhi sagte in der nordirakischen Stadt Sulaimanije, seine Gruppe arbeite an einer entsprechenden Erklärung.

Das Parlament in Ankara hat die Regierung im Kampf gegen die PKK zu einem militärischen Einmarsch im Nordirak ermächtigt. Eine Entscheidung darüber dürfte aber erst nach einem Treffen Erdogans mit US-Präsident George W. Bush am 5. November in Washington fallen, wie Generalstabschef Yasar Büyükanit andeutete. Erdogan betonte allerdings, die Türkei werde sich das Datum von niemandem vorschreiben lassen. Bei Kämpfen in der südosttürkischen Provinz Tunceli wurden am Sonntag 15 Rebellen getötet, wie die Nachrichtenagentur Dogan meldete. Das Gouverneursamt der nicht an den Irak angrenzenden Provinz bestätigte bewaffnete Zusammenstöße, aber nicht die Zahlenangaben.

Israel entschuldigt sich für Luftraumverletzung

Unterdessen hat Israel erstmals zumindest indirekt den mysteriösen Angriff auf Syrien Anfang September eingeräumt. Bei einer Kabinettssitzung am Sonntag bekundete Ministerpräsident Ehud Olmert sein Bedauern gegenüber der Türkei, sollte deren Luftraum verletzt worden sein. Es habe keinerlei Absicht bestanden, die Souveränität Ankaras in Frage zu stellen oder zu unterminieren, hieß es in einer Erklärung aus Olmerts Büro. Demnach hat sich Olmert schon in der vergangenen Woche in einem Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei der türkischen Regierung und dem türkischen Volk für den Zwischenfall entschuldigt.

Die Türkei hatte sich seinerzeit darüber beschwert, dass israelische Kampfflugzeuge Treibstofftanks über türkischem Territorium abgeworfen hätten. Zu dem Angriff selbst äußerte sich Olmert weiterhin nicht. Es gibt Vermutungen, dass am 6. September möglicherweise ein im Bau befindlicher syrischer Atomreaktor zerstört wurde. Syrien hat jedoch dementiert, eine Nuklearanlage zu besitzen, und erklärt, es sei lediglich ein leerstehendes Gebäude der Streitkräfte getroffen worden.

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