Luftangriff in Afghanistan Merkel verspricht rasche Aufklärung

Angesichts deutlicher Kritik von allen Seiten will Kanzlerin Angela Merkel den verheerenden Luftschlag in Afghanistan zügig untersuchen lassen. Zudem fordert sie eine neue Konferenz der Uno.

Der Luftangriff auf zwei in Afghanistan entführte Tankwagen mit Dutzenden Toten bringt die Bundesregierung immer stärker in Erklärungsnöte. Unter Druck gerät vor allem Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), dem neben der Opposition auch der Koalitionspartner SPD eine miserable Informationspolitik vorwirft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte mittlerweile zu, dass die Umstände des von der Bundeswehr befohlenen Angriffs zügig aufgeklärt würden.

Merkel versprach nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Gordon Brown in Berlin, Deutschland werde der Nato-Untersuchungskommission alle relevanten Informationen bereitstellen. Es gehe ihr darum schnell aufzuklären, ob es auch zivile Opfer gegeben habe. Falls diese zu beklagen seien, bedauere sie das zutiefst. Zugleich betonte sie, dass die deutschen Soldaten und internationalen Truppen in Afghanistan unter sehr schwierigen Bedingungen arbeiten. "Mir ist es sehr wichtig, dass die Soldaten wissen, dass wir hinter ihnen stehen und sie unsere politische Unterstützung haben."

Angeblich mindestens zwei Dutzend zivile Opfer

Der Vorfall in der Nacht zum Freitag hat auch die Debatte über einen Rückzug der Bundeswehr neu entfacht. Berichte, wonach bei dem Luftangriff 125 Menschen - darunter auch Zivilisten - getötet worden sein sollen, wies Jung erneut zurück. Ein Bericht des Gouverneurs von Kundus weise 56 Tote und 12 Verletzte aus, sagte er. "Der Bericht sagt, dies seien Taliban", so Jung. Die "Washington Post" hatte unter Berufung auf ein Nato-Untersuchungsteam in Kundus von 125 Toten berichtet. Mindestens zwei Dutzend der Opfer seien keine Taliban gewesen.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte es entscheidend, dass der Vorfall schnellstmöglich und rückhaltlos aufgeklärt werde. "Wir müssen deutlich machen, dass wir alles tun, um zivile Opfer zu vermeiden", sagte er der "Berliner Zeitung". Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Ulrike Merten (SPD), sagte: "Der Minister täte gut daran, nicht nur die Obleute des Verteidigungsausschusses, sondern das gesamte Parlament über den Vorfall zu informieren. Schließlich ist es das Parlament, das über die Einsätze der Bundeswehr entscheidet."

Europäische Union spricht von einer "Tragödie"

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, warf Jung vor, er habe außen- und sicherheitspolitischen Schaden angerichtet. "Frau Merkel muss die Verantwortung für dieses fatale Vorgehen übernehmen.", sagte Trittin. Deshalb erwarte seine Fraktion noch in dieser Woche eine Regierungserklärung zu dem Vorfall nahe Kundus.

Auch international steht die Bundesregierung nach dem verheerenden Luftangriff in der Kritik. Die Europäische Union sprach von einer "Tragödie". Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte für die EU-Ratspräsidentschaft: "Wir gewinnen diesen Krieg nicht, indem wir töten." Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner sprach von einem "großen Fehler". "Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten statt sie zu bombardieren", sagte er.

Zu einer stärkeren politischen Zusammenarbeit hatten am Sonntagabend auch Merkel und Brown aufgerufen. Sie forderten eine neue Afghanistan-Konferenz der Vereinten Nationen noch in diesem Jahr. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wolle man eine entsprechende politische Initiative zum weiteren Vorgehen am Hindukusch starten. Dabei gehe es auch um die Frage, wie die afghanische Regierung schrittweise die Verantwortung für das Land übernehmen könne. "Es muss jetzt ganz verbindlich festgelegt werden, in welchem Zeitraum wollen wir welche Ziele erreichen", sagte Merkel.

Merkel fordert überprüfbare Ziele

Nach den Worten Browns sollen bei der Konferenz die nächste afghanische Regierung, UN, Nato und alle Partnerstaaten zusammenkommen, um die nächste Phase des Engagements in Afghanistan zu planen. Dabei werde es vor allem um die Bereiche Sicherheit, Demokratisierung und wirtschaftliche Entwicklung gehen. Zudem müsse gewährleistet werden, dass die dafür nötigen Ressourcen bereitgestellt würden.

Merkel betonte, es müssten "Benchmarks gesetzt werden, und wenn die nach einer überschaubaren Zeit nicht erfüllt sind, dann muss sozusagen auch mal Tacheles geredet werden, warum ist das nicht der Fall und wie können wir wirklich vorankommen“, sagte die Kanzlerin. Auf die Frage nach einem Zeitpunkt für einen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan sagte Merkel, dies müsse international und gemeinsam geklärt werden.

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