Als Ende vergangenen Jahres die Meldung über die Ticker kam, dass Donald Trumps Vize Mike Pence für den 6. Januar eine Auslandsreise plane, machten schnell Witzeleien die Runde. Pence wolle sich aus dem Staub machen, um dem zu erwartenden Furor seines Chefs zu entgehen. Denn an diesem Tag kommt dem Vize-Präsidenten verfassungsgemäß die Rolle zu, vor der gemeinsamen Versammlung beider Kammern des US-Kongresses den Wahlsieger auszurufen. Freie Hand hat er dabei nicht, er muss dem Wahlergebnis folgen. Das legt für Pence den Tagesablauf am 6. Januar praktisch fest: Joe Biden als neuen Präsidenten ausrufen, Donald Trump damit vor den Kopf stoßen und dann nichts wie weg!
So weit die Witzeleien. Klar ist aber: Der Tag wird für Pence unangenehm sein. Er hat immer loyal zu seinem Chef gestanden und Donald Trump verzeiht das, was er für illoyal hält, praktisch nie. Doch am 6. Januar sind Pence die Hände gebunden. Er kann laut Verfassung nicht anders, als den politischen Gegner als Wahlsieger auszurufen. Dass ihm dies – trotz aller Vorhaben des Trump-Lagers, das Wahlergebnis im Kongress noch auf den letzten Drücker zu kippen – bewusst ist, zeigt, dass er seine Anwälte darauf drängen ließen, eine eher skurrile juristische Auseinandersetzung um seine Aufgabe während der Sitzung am 6. Januar zu beenden.
Mike Pence: Partei bringt ihn in die Zwickmühle
Der republikanische Abgeordnete Louie Gohmert aus Texas hatte versucht, Pence durch eine eigenwillige Klage juristisch dazu zu drängen, über die zeremonielle Rolle hinauszugehen, so dass Pence selbst Ergebnisse aus den Bundesstaaten für nichtig erklären könnte. Der US-Vizepräsident ließ über das Justizministerium beim zuständigen Richter beantragen, diese Klage abzuweisen – mit der Begründung, die Klage richte sich gegen den Falschen. Mehr Befugnisse für den Vizepräsidenten zu erreichen durch eine Klage gegen ihn sei ein juristischer Widerspruch. Der zuständige texanische Richter folgte dieser Argumentation und wies die Klage ab.
Pence Anwälte fanden damit eine Begründung, die das eigene politische Lager nicht vor den Kopf gestoßen hat. Im Kern aber machte Trumps Vize auf diese Weise deutlich, dass er sich verfassungskonform verhalten will. In einem ähnlichen Zwiespalt findet sich eine zunehmende Zahl von Republikanern wieder. Geplante Störaktionen mehrerer Abgeordneter bei der offiziellen Verlesung der Wahlergebnisse am 6. Januar stoßen parteiintern auf Kritik. Der republikanische Senator Ben Sasse bezeichnete die Pläne mehrerer Parteikollegen, bei der Kongresssitzung Einspruch gegen die Wahlresultate einzulegen, als "gefährlich". Nach Schätzungen aus den Reihen der Partei könnten sich mehr als 100 Republikaner aus dem Repräsentantenhaus an der Aktion beteiligen. Die dürfte das Prozedere jedoch lediglich in die Länge ziehen. Am Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl ist nicht zu rütteln. Diesen hatten etliche Neu-Auszählungen sowie Gerichte bis hin zum Supreme Court bestätigt.

Donald Trump "und seine Verbündete spielen mit dem Feuer"
In einem Beitrag, den Sasse auf Facebook veröffentlichte, zerpflückte der Senator die Wahlbetrugsbehauptungen Trumps und seiner Unterstützer. Es gebe keinerlei Belege dafür. "Der Präsident und seine Verbündeten spielen mit dem Feuer." In internen Gesprächen habe er von "keinem einzigen" Republikaner aus dem Kongress Zweifel am Wahlergebnis gehört. Sie sorgten sich nur darum, wie sie vor Trumps leidenschaftlichsten Unterstützern dastünden.
Eine Gruppe republikanischer Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus und der republikanische Senator Josh Hawley haben angekündigt, an jenem Tag Einspruch gegen die Resultate aus einzelnen Staaten einzulegen. Damit können sie erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um den Einwand zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesem folgen oder ihn zurückweisen.
Führende Republikaner sind gegen Störaktion
Nur wenn mindestens ein Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus und mindestens ein Senator schriftlich einen solchen Einwand vorbringen, wird dieser Prozess in Gang gesetzt. Und nur wenn am Ende beide Kongresskammern den Einspruch per einfachem Mehrheitsvotum annehmen, hat dieser Erfolg. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kongress gibt es daher keine Aussicht, dass die Aktion der republikanischen Politiker zu mehr führt als zu Verzögerungen. Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten die Mehrheit und können einen Einspruch aus eigener Kraft abschmettern.
Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger sagte, er rechne damit, dass rund 100 seiner Parteikollegen aus dem Repräsentantenhaus Einspruch einlegen könnten. Der Sender CNN berichtete am Freitag unter Berufung auf zwei nicht näher genannte republikanische Abgeordnete, sie erwarteten eine Beteiligung von mindestens 140 Parteikollegen aus der Kammer.
Gruppe Republikaner fordert Prüf-Kommission
Am Samstag kündigten weitere Republikaner aus dem US-Senat an, bei der anstehenden Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse im Kongress Einspruch einzulegen. Elf republikanische Senatoren teilten ihre Absicht in einer gemeinsamen Erklärung mit. Sie begründeten die Pläne mit Wahlbetrugsvorwürfen und angeblichen Unregelmäßigkeiten bei den Abstimmungen in mehreren US-Bundesstaaten - für die bisher nie ein Beleg vorgelegt werden konnte. Die Gruppe forderte, der Kongress müsse sofort eine Kommission einsetzen, die den Vorwürfen in einem Eilverfahren innerhalb von zehn Tagen nachgehe, um noch vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten am 20. Januar Klarheit zu haben. Andernfalls könnten sie die Ergebnisse nicht absegnen.
Update, 3. Januar: Vize-Präsident Mike Pence hat ungeachtet der abgewiesenen Klage die Initiative der republikanischen Senatoren gegen die Anerkennung von Wahlergebnissen in einzelnen Bundesstaaten begrüßt, so sein Stabschef. Die Senatoren hätten im Rahmen der Gesetze dazu das Recht. An seiner Rolle innerhalb des Nach-Wahl-Verfahrens ändert das grundsätzlich aber nichts.
Quellen: Nachrichtenagentur DPA, "The Hill", BBC