Die weißen Liegestühle am Strand der Hotelanlage in Port el-Kantaoui nahe der Mittelmeerstadt Sousse sind längst zum Symbolbild für die Bluttat geworden. Einige der Plastikliegen wurden mit einem gelb-schwarzen Band zu einer Art Zaun zusammengebunden, um den Tatort abzusperren. Inzwischen liegen dort viele Blumen. Ein Ball wurde zurückgelassen und auch ein Buch. Urlauber sind dort kaum noch zu sehen, und am Strand sind nur vereinzelt Touristen. Eine Gruppe Anzugträger und Mitarbeiter der Spurensicherung in weißer Schutzmontur besichtigen den Abschnitt.
Nach dem warten noch einige wenige Deutsche darauf, nach Hause gebracht zu werden. Unter ihnen ist auch die Familie Schneider aus der Nähe von Stuttgart. "Deutschland hat uns richtig im Stich gelassen", sagt die Urlauberin Anna Schneider. Sie möchte keine Minute länger an diesem Ort bleiben, der sie an die schrecklichen Ereignisse erinnert. Doch sie hat bei einem kleinen Reiseveranstalter gebucht, sagt sie, und muss noch zwei Tage länger ausharren.
"Ich bin ohnmächtig geworden, als die Schüsse fielen", erzählt sie. Die Menschen seien in Panik geraten, hätten alles liegenlassen und seien barfuß geflüchtet. "Der Strand sah aus wie ein Schlachtfeld." Seitdem möchte sie nur noch fort. "Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen." An Urlaub ist für sie nicht mehr zu denken. "Ich kann nicht mehr am Strand liegen, ich kann nicht mehr am Pool liegen, weil die Verbrecher und Terroristen sind vom Strand gekommen."
Nur wenige Touristen bleiben
Hinter der Schranke zum Hotel stehen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte - und einige der wenigen Urlauber, die nach dem Attentat nicht wie die meisten anderen abgereist sind, sondern beschlossen haben zu bleiben. Noch immer ist nicht ganz klar, was genau am Freitag geschah, als der 24-jährige Seifeddin R., ein Student aus der ärmlichen nordtunesischen Provinz Siliana, in der Hotelanlage eine Waffe zückte und Urlauber erschoss, die am Strand oder am Pool lagen. Manche sagen, er sei auf einem Surfbrett angepaddelt gekommen. Andere wiederum betonen, er sei zu Fuß gewesen, die Waffe habe er in einem Sonnenschirm versteckt. Da er ausgesehen habe wie ein Tourist, sei keiner der Wachleute misstrauisch geworden. Am Ende waren Dutzende Menschen tot - die Bilanz des schlimmsten Angriffs auf Touristen in der Geschichte Tunesiens.
Nach Einschätzung der Regierung hätte der Attentäter wesentlich früher gestoppt werden können. Der Sicherheitsservice des Hotels habe nicht sofort die Polizei informiert, sagte Innenminister Mohamed Najem Gharsalli dem Radiosender Mosaique FM in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview. Durch eine bessere Koordination der Sicherheitskräfte hätte der Angreifer früher getötet werden können, sagte er.
Kaum noch Urlauber in der Innenstadt
Wie es in dem beliebten Ferienort 120 Kilometer südlich der Hauptstadt Tunis nun weitergeht, ist offen. Vorerst jedenfalls ist die gerade begonnene Touristensaison wohl beendet.Der Souvenirhändler Najeh ist wenig hoffnungsvoll, dass die Europäer bald wiederkommen.
"Die Innenstadt ist normalerweise voll", sagt er. Nach der Tat sieht man dort kaum noch Urlauber. Najeh hat goldfarbene Teller angefertigt, die bemalt sind mit Palmen und Kamelen. Auf einen Teller ist neben der tunesischen Fahne auch die algerische gemalt. "Wir haben immer mehr Touristen aus Algerien", sagt Najeh. "Die mögen das."
Nachdem die meisten Zeugen des Blutbads abgereist sind, kehrt allmählich eine Art Normalität in den Hotels ein. Animateure singen und tanzen am Abend in einer der nahe gelegenen Anlagen mit den Kindern. Dann geht ein Hotelmitarbeiter auf die Bühne und bittet um eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer. Die Gäste stehen auf und halten inne. Für viele Mitarbeiter der Hotels dürfte die Saison mit dem tödlichen Übergriff gelaufen sein. Denn die meisten Angestellten werden nur bei Bedarf angeheuert. Und wenn die Gäste fortbleiben, haben sie keine Arbeit mehr.