Für viele in den USA hat die Rückkehr der Basketballerin Brittney Griner einen bitteren Beigeschmack. Während US-Präsident Joe Biden vergangene Woche strahlend die Freilassung der Sportlerin aus russischer Gefangenschaft verkündete und die sozialen Netzwerke mit Glückwünschen überschwemmt wurden, kritisierten vor allem Republikaner den Preis für ihre Freiheit als zu hoch.
Nach monatelangen Verhandlungen – von denen Washington gehofft hatte, auch den Ex-Marine-Soldat Paul Whelan freizukriegen – musste die US-Regierung im Gegenzug für Griner den russischen Waffenhändler Viktor But gehen lassen. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich anschließend offen für weitere Gefangenenaustausche. Doch Kritiker befürchten, dass sich die USA dadurch angreifbar machen würden.
Die Frage, ob nun weitere Deals folgen könnten, rückt ein altbekanntes Dilemma in neues Licht: Bringen Gefangenenaustausche mehr Schaden als Nutzen?
Kritik an Biden-Regierung nach Griner-But-Deal
Der Fall Griner zeigt nur allzu deutlich, dass es keine Austausche ohne Kompromisse gibt. Auf der einen Seite steht die 32-jährige Basketballerin, die vor knapp zehn Monaten wegen geringer Mengen Cannabisöl am Moskauer Flughafen festgenommen worden war. Auf der anderen Seite Viktor But, 55, einer der weltweit führenden Waffenhändler. Der sogenannte "Händler des Todes" saß in den USA bereits seit mehr als zehn Jahren hinter Gittern, für seine Freilassung hatte sich Putin persönlich eingesetzt.
Ein fairer Tausch? Wohl kaum, kritisieren führende Kongressmitglieder. "Die Russen und andere Regime, die amerikanische Bürger als Geiseln nehmen, können nicht vortäuschen, dass es Gleichwertigkeit zwischen den Brittney Griners der Welt und Leuten wie Viktor But (...) gibt", bemängelt Senator Bob Menendez, demokratischer Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Senat. "Wir müssen aufhören, diktatorische und schurkische Regime dazu einzuladen, Amerikaner im Ausland als Verhandlungsmasse zu benutzen."
Noch schärfere Worte fallen vor allem von Seiten der Republikaner. Buts Freilassung sei ein "Geschenk" für Putin, schimpft Kevin McCarthy, Führer der Konservativen im Repräsentantenhaus. "Paul Whelan dafür zurückzulassen ist unverantwortlich." Auch Ex-Präsident Donald Trump bezeichnete den Austausch als "unpatriotische Blamage".
Doch die Biden-Regierung weist die Kritik zurück. "Es ging nicht darum, dass wir uns zwischen Griner und Whelan entscheiden mussten", erklärt der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price. Vielmehr sei es darum gegangen, lieber einen als keinen Gefangenen freizubekommen. Die Russen hätten alle Vorschläge zur Freilassung des ehemaligen Marine-Soldaten, der 2018 in Russland verhaftet und wegen angeblicher Spionage verurteilt worden war, blockiert. Ebenso habe das Weiße Haus ein Gesuch aus Moskau abgelehnt, den wegen des Tiergarten-Mordes in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilten Russen Vadim Krasikow zu befreien.
Putin offen für weiteren Gefangenenaustausch
Trotz der seit dem Ukraine-Krieg extrem gespannten Beziehung zwischen Washington und Moskau schließt man auch im Kreml den Austausch weiterer Häftlinge nicht aus. "Sind andere (Häftlingsaustausche) möglich? Ja, alles ist möglich", verkündet Putin Ende der Woche. Zuständig sei der Inlandsgeheimdienst FSB, die Gespräche gingen weiter. Der nun erfolgte Austausch sei "das Ergebnis von Verhandlungen und der Suche nach Kompromissen."
Doch es ist die Art von Kompromiss, die vielen in den USA Sorgen bereitet.
Das Internierungslager Manzanar erzählt ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte

Von der Gefangennahme des Piloten Francis Gary Powers durch die Sowjetunion in den 1960er Jahren über die Geiselkrise im Iran in den 70er Jahren bis hin zu den jüngeren Inhaftierungen von US-Bürgern in Nordkorea, Iran und China, standen die jeweiligen US-Regierungen stets vor der Frage, verhandeln – ja oder nein. Problematisch wird es vor allem dann, wenn Staaten scheinbar willkürliche Festnahmen als Verhandlungstaktik einsetzen.
Ein solcher Fall ist der des amerikanischen College-Studenten Otto Warmbier, der 2016 in Nordkorea wegen einer angeblich geklauten Flagge festgenommen wurde. Zur gleichen Zeit lieferte sich das Land mit der internationalen Gemeinschaft eine handfesten Streit über nicht genehmigte Raketenstarts. Warmbier starb nur wenige Tage nach seiner Rückkehr in die USA.
"Ich denke, man sollte mit Terroristen nicht verhandeln, es ist ein gefährlicher Weg, der nicht gut endet", sagt Robert Zachariasiewicz, ein ehemaliger Agent der Strafverfolgungsbehörde der "Nachrichtenagentur Reuters". Er selbst half dabei jenes Team zu leiten, dass den Waffenhändler But damals hinter Gitter brachte. "Ich habe mit vielen Menschen auf allen Ebenen im Justizministerium gesprochen. Sie sind frustriert, sie sind enttäuscht, sie fühlen sich entmachtet."
Auch die Biden-Regierung erkennt die Schwierigkeiten an. "Verhandlungen über die Freilassung von zu Unrecht Inhaftierten sind oft sehr schwierig – das ist einfach eine Realität – zum Teil wegen des Preises, der gezahlt werden muss, um Amerikaner zu ihren Lieben nach Hause zu bringen, und zum Teil, weil sich die unmittelbaren Ergebnisse unfair oder willkürlich anfühlen können", erklärt Karine Jean-Pierre, Sprecherin des Weißen Hauses.
Mehr als 60 Amerikaner weltweit zu Unrecht in Haft
Zwar gibt es aus dem Weißen Haus keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Amerikanerinnen und Amerikaner im Ausland festgehalten werden. Doch laut der "James W. Foley Legacy Stiftung" – benannt nach einem amerikanischen Journalisten, der in Syrien entführt und getötet wurde – sind derzeit mehr als 60 US-Bürger in 18 Länder unrechtmäßig inhaftiert.

Für Paul Whelan heißt es, weiter auszuharren. Der US-Präsident und sein Team müssten sich nun überlegen, was wertvoll genug für die Russen sei, um eine Freilassung zu erzielen, bringt es der gefangene Ex-Marine im Gespräch mit "CNN" auf den Punkt. Große Hoffnungen auf neue Verhandlungen hege er nicht. "Und um ehrlich zu sein, wer weiß, wie ich unter diesen Bedingungen zurückkommen werde. Oder ob ich überhaupt zurückkommen werde." "Bewahre den Glauben, wir kommen dich holen", heißt es aus dem Außenministerium.
Für sie hingegen sind die dunklen Tage vorbei. Zurück in Freiheit hat Brittney Griner zum ersten Mal seit zehn Monaten wieder Basketball gespielt. Ob die zweifache Olympiasiegerin ihre Karriere fortsetzen wird, steht derzeit noch nicht fest. "Sie hat keinen Druck", sagt ihre Beraterin Colas.
Quellen: "NY Times", "BBC", "The Hill", "DW", "Reuters", mit AFP-Material