Russland Nach Nawalny-Urteil geht Polizei massiv gegen Proteste vor

Alexej Nawalny, schärfster Gegner von Kremlchef Putin, muss für Jahre ins Gefängnis. Das facht den Zorn seiner Anhänger in Russland an. Die Polizei geht erneut brutal gegen Demonstranten vor. Aus dem Ausland kommt harsche Kritik an dem Urteil.

Kurz nach der Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny zu Haft in einem Straflager sind die russischen Sicherheitskräfte massiv gegen Demonstranten in mehreren Städten vorgegangen. Mehr als 1300 Menschen wurden bei Protesten gegen Staatschef Wladimir Putin festgenommen, wie die Nichtregierungsorganisation OVD-Info mitteilte. Zu den Demonstrationen hatten Anhänger des wichtigsten Putin-Widersachers unmittelbar nach der Urteilsverkündung aufgerufen. 

Bei Protestzügen durch das Zentrum Moskaus skandierte die Menge "Freiheit" und "Putin ist ein Dieb!". Die Demonstranten warfen Präsident Wladimir Putin vor, ihnen demokratische Freiheiten zu rauben. Die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die zumeist jungen Protestierenden vor und nahmen viele von ihnen über Stunden fest. Bereits an den zwei vergangenen Wochenenden hatten im ganzen Land zehntausende Menschen gegen den Staatschef demonstriert. Zuletzt waren bei Kundgebungen nach Angaben des Portals OVD-Info landesweit mehr als 5500 Menschen festgenommen worden.

Polizei in Moskau prügelt auf Demonstranten ein

Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten, wie in Moskau Polizisten mit Gummiknüppeln auf Demonstranten einprügelten. Von russischen Medien veröffentlichte Videos zeigten, wie Demonstranten von der Polizei durch die Straßen und auch in die U-Bahn hinein verfolgt wurden. In Videos war auch sehen, dass Protestierende von Polizisten aus Taxis gezerrt wurden.

Allein in Moskau nahm die Polizei nach Angaben von OVD-Info 1116 Protestierende fest, in St. Petersburg gab es demnach 246 Festnahmen. Auch in anderen Städten fanden Proteste statt und wurden Menschen in Gewahrsam genommen. OVD-Info bezifferte die Gesamtzahl der Festnahmen in der Nacht zum Mittwoch auf 1377. Einige Stunden zuvor hatte die Organisation noch eine Gesamtzahl von rund 1170 Festnahmen genannt.

Ein Moskauer Gericht entschied zuvor, dass der nach einem Giftanschlag in Deutschland behandelte Nawalny eine bereits verhängte Bewährungsstrafe nun in einer Strafkolonie ableisten muss. Von der dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe wurde ihm ein früherer Hausarrest abgezogen. Laut Nawalnys Anwältin Olga Michailowa läuft dies auf "ungefähr" zwei Jahre und acht Monate Haft hinaus. Sie kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

Das Urteil rief international Empörung hervor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Nawalnys sofortige Freilassung und das "Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten". Das Nawalny-Urteil sei "fernab jeder Rechtsstaatlichkeit", schrieb Merkels Sprecher Steffen Seibert im Onlinedienst Twitter. Auch US-Außenminister Antony Blinken erklärte, Nawalny müsse "umgehend und bedingungslos" freikommen. 

Kreml weist Kritik an Urteil gegen Alexej Nawalny zurück

Die russische Regierung wies die internationale Kritik an dem Urteil als "Einmischung" zurück. Die Forderungen "westlicher Kollegen" nach Freilassung Nawalnys seien "von der Realität abgekoppelt", zitierten russische Nachrichtenagenturen eine Sprecherin des Außenministeriums.

Nawalny hatte sich in der Gerichtsanhörung vehement gegen seine Verurteilung gewehrt und die Russen zum Widerstand gegen Putin aufgerufen. Er machte den Staatschef erneut für den auf ihn verübten mutmaßlichen Anschlag verantwortlich. 

Der auf Nachforschungen zu Korruption spezialisierte Oppositionelle war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Nun wurde dem 44-Jährigen unter anderem vorgeworfen, er habe sich während seines Aufenthalts in Deutschland nicht zweimal monatlich bei den Behörden gemeldet.

Der Kreml-Kritiker bestritt vor Gericht, gegen die Bewährungsauflagen verstoßen zu haben. Er habe den russischen Behörden seine deutsche Adresse mitgeteilt, sagte er. Nach Deutschland war Nawalny nach dem in Sibirien verübten Giftanschlag gebracht worden, durch den er beinahe getötet worden wäre. 

Alexej Nawalny Opfer eines Mordanschlags

Nawalny war im August in Sibirien Opfer eines Mordanschlags mit dem Nervengift Nowitschok geworden, für den er ein "Killerkommando" des Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl verantwortlich macht. Putin und der FSB weisen das zurück. Der Kreml-Kritiker wurde dann direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland am 17. Januar am Flughafen in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Es war eine von bereits mehreren kürzeren Haftstrafen gegen Nawalny, lange Zeitstrecken wie die nun drohenden fast drei Jahre war er aber noch nie in Haft.

DPA · AFP
nik