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Russischer Oppositionsführer Ein Jahr nach der Nawalny-Vergiftung: Merkel reist nach Moskau

Alexej Nawalny während seines Gerichtsprozesses
Noch immer ist die Vergiftung um Alexej Nawalny (Archivbild) nicht aufgeklärt. Vertraute des Oppositionsführers gehen von einem Anschlag der russischen Regierung aus, diese streitet das ab.
© Alexander Zemlianichenko / AP / DPA
Genau ein Jahr nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny reist Kanzlerin Angela Merkel nach Moskau. Während der Westen noch immer die Aufklärung des Falles fordert, wittert Russland eine Verschwörung.

Am Freitag jährt sich der Giftanschlag auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny zum ersten Mal – und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft ausgerechnet den Mann, den viele verdächtigen, den Anschlag in Auftrag gegeben zu haben: Russlands Präsidenten Wladimir Putin. 

Rückblick: Am 20. August 2020 sitzt Nawalny in einem Flugzeug von Sibirien nach Moskau. Während des Flugs verliert er das Bewusstsein. Die Maschine muss notlanden, Nawalny wird auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Omsk gebracht, wo er um sein Leben kämpft. Sein Team spricht sofort von einer Vergiftung. Merkel bietet Nawalny die Behandlung in einem deutschen Krankenhaus an.

Merkel: "versuchter Giftmord"

Es beginnen dramatische Stunden, in denen die Familie Nawalnys, Unterstützer und die Bundesregierung mit dem russischen Staat um die Verlegung des Patienten ringen. Russische Ärzte betonen, sie hätten in Blut- und Urinproben kein Gift gefunden. 

Am 22. August wird Nawalny schließlich mit einem von deutschen Aktivisten gecharterten Ambulanzflugzeug nach Berlin ausgeflogen und dort zur Behandlung in die Universitätsklinik Charité gebracht.

Am 2. September steht laut Merkel "zweifelsfrei" fest, dass Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Merkel spricht von einem "versuchten Giftmord". Labore der Bundeswehr sowie in Frankreich, Schweden und bei der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) hatten den illegalen Kampfstoff nachgewiesen. Deutschland und die EU forderten Russland zur Aufklärung des Falls auf und verhängten als Druckmittel auch Sanktionen.

Russland streitet bis heute alle Vorwürfe ab

Wörtlich sagt Merkel damals: "Alexej Nawalny ist Opfer eines Verbrechens. Er sollte zum Schweigen gebracht werden und ich verurteile das auch im Namen der ganzen Bundesregierung auf das Allerschärfste." Weiter sagt sie: "Es stellen sich sehr schwerwiegende Fragen, die nur die russische Regierung beantworten kann und muss. Die Welt wird auf Antworten warten."

Während Russland die Vorwürfe bis heute abstreitet, haben Nawalny und sein Team zahlreiche Untersuchungen und Dokumente vorgelegt, die den Anschlag beweisen sollen. Die Kremlgegner werfen einem Killerkommando des Inlandsgeheimdienstes FSB unter dem Befehl Putins vor, den Anschlag vorbereitet zu haben – was der Kremlchef zurückweist. Bis jetzt habe der Westen für seine "unentschuldbaren Anschuldigungen" keine Beweise vorgelegt, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Nawalnys Mitarbeiter reagierten entsetzt auf die Mitteilung. Die russischen Behörden hätten immer wieder andere Versionen gestreut – bis hin zur Behauptung, Nawalny sei von westlichen Geheimdiensten vergiftet worden oder habe sich selbst töten wollen.

Russland: Der Westen nutze den "Nawalny-Hype" zur Wahlbeeinflussung

Wenn Merkel am Freitag Putin trifft, wartet die Welt noch immer auf Antworten aus Russland. Persönliche Anschuldigungen gegen Putin hat der Kreml als "grundlos" zurückgewiesen. 

Offenbar bereite sich Moskau so auf den Besuch der Bundeskanzlerin vor. "Aber schlecht. Den ganzen Unsinn und die Lügen habe ich schon ausführlich in einem Video vor Monaten widerlegt", so Nawalnys Mitarbeiterin Maria Pewtschich. Der Film hatte am Donnerstagmorgen mehr als acht Millionen Aufrufe.

Vor dem Besuch Merkels hat Russland dem Westen zudem vorgeworfen, den "Hype" um Nawalny zur Wahlbeeinflussung zu nutzen. Westliche Staaten versuchten, ihn in den Nachrichten zu halten, "mit dem Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten unseres Landes einzumischen", erklärte das russische Außenministerium. Dies umfasse auch die "Beeinflussung des Wahlkampfs". In der Erklärung wurde insbesondere auf Deutschland verwiesen.

Russischer Oppositionsführer: Ein Jahr nach der Nawalny-Vergiftung: Merkel reist nach Moskau

Berlin lasse "keine Gelegenheit aus, den Hype um Nawalny" als Vorwand für "neue Angriffe auf uns" zu nutzen, heißt es in der Erklärung weiter.

Nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar 2021 wurde Nawalny sofort festgenommen, einige Wochen später wegen angeblichen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen verurteilt und im Straflager Prokow östlich von Moskau inhaftiert.

Offizielle Ermittlungen zu dem Fall haben die russischen Behörden trotz westlicher Sanktionen gegen enge Mitarbeiter Putins wegen ihrer mutmaßlichen Verwicklung in den Anschlag nie eingeleitet. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte vor dem Merkel-Besuch in Moskau: "Dieser immer noch ungelöste Fall ist eine schwere Belastung des Verhältnisses zu Russland."

pgo dpa AFP

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