Nach tagelangem Raketenbeschuss der Grenzregion hat Israel militärisch im Gazastreifen eingegriffen. Am frühen Freitagmorgen kamen bei zwei neuen israelischen Luftangriffen östlich von Gaza mindestens vier Palästinenser ums Leben. Wie der US- Fernsehsender MSNBC unter Berufung auf palästinensische Ärzte weiter berichtete, wurden sechs Palästinenser verletzt. Israelische Flugzeuge hätten beim ersten Beschuss mehrere Raketen auf bewaffnete Kämpfer der radikalislamischen Hamas abgefeuert. Unklar war, ob es bei der zweiten Attacke Opfer gegeben habe.
Unterdessen rückten israelische Panzer und Infanterie an zwei Stellen im nördlichen Gazastreifen ein, um Abschussanlagen für palästinensische Kassamraketen zu zerstören. Nach israelischen Militärangaben stießen die Soldaten nur etwa 400 Meter auf palästinensisches Territorium vor. Nach dem Bericht der Zeitung "Haaretz" sollten die Soldaten möglicherweise einige Tage dort bleiben. Das solle auch ein Warnsignal an die Adresse der Palästinenser sein, dass mit einer größeren Bodenoffensive im Falle weiterer Kassamangriffe zu rechnen sei. Wie israelische Zeitungen weiter berichteten, verlegte die Armee erstmals seit November wieder Artilleriebatterien in die Nähe des Gazastreifen.
Serie von Luftangriffen
Bereits zuvor hatte die israelische Luftwaffe eine Serie von Luftangriffen auf die radikale Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen geflogen. Dabei wurden am Donnerstag mindestens vier Hamas-Kämpfer und drei Kinder getötet. Bombardiert wurde auch das Hauptquartier der Hamas-Polizeimiliz in Gaza.
Bei Kämpfen zwischen den rivalisierenden Palästinensergruppen Hamas und Fatah kamen am Donnerstag mindestens fünf Menschen ums Leben. Seit dem Wiederaufflammen der Gefechte am Sonntag starben damit 52 Menschen bei der bislang schlimmsten Welle der Gewalt zwischen Palästinensern.
Treffen abgesagt
Unterdessen sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von der Fatah ein am Donnerstag in Gaza geplantes Treffen mit Hamas- Ministerpräsident Ismail Hanija, bei dem Chancen für eine Waffenruhe ausgelotet werden sollten, ab.
US-Außenministerin Condoleezza Rice sprach am Donnerstag telefonisch mit dem israelischen Regierungschef Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas über die Eskalation der Gewalt im Gazastreifen. Sie habe ihre Besorgnis geäußert, teilte das Außenamt in Washington mit.
Olmert soll grünes Licht für Angriffe gegeben haben
Nach einem Bericht des israelischen Fernsehens gab Olmert grünes Licht für weitere Luftschläge gegen militante Palästinenser, die Israel mit Raketen beschießen. Ein Hamas-Sprecher kündigte zusätzlich zu neuen Raketengriffen andere Gewaltakte an, ohne das zu erläutern.
Bei dem israelischen Luftangriff auf das Hauptquartier der Hamas-Polizeimiliz wurde das dreistöckige Gebäude am Donnerstag nach palästinensischen Angaben fast vollständig zerstört. Dabei starb ein militanter Hamas-Anhänger, Dutzende Menschen wurden verletzt. Kurz darauf wurden zwei Autos mit Hamas-Kämpfern und ein Wachposten vor dem Haus eines ranghohen Mitarbeiters des palästinensischen Innenministeriums angegriffen. Am Abend wurde in Rafah im Süden des Gazastreifens gezielt ein Fahrzeug bombardiert, wie Augenzeugen sagten. Drei Kinder starben. Israel erklärte, der Angriff habe sich gegen Militante gerichtet, die Raketen auf Israel abgeschossen hätten.
30 Raketen abgefeuert
Militante Palästinenser feuerten aus dem Gazastreifen erneut fast 30 Kassam-Raketen in das israelische Grenzgebiet. Mindestens drei Menschen wurden verletzt. Zahlreiche Einwohner hatten die Stadt am Vortag verlassen.
US-Präsident George W. Bush äußerte sich am Donnerstag angesichts der eskalierenden Gewalt im Gazastreifen besorgt. Die deutsche EU- Ratspräsidentschaft rief alle beteiligten Seiten zum "sofortigen Gewaltverzicht, zur Wiederherstellung der Waffenruhe und zur Rückkehr zum Dialog" auf. Zugleich verurteilte die Präsidentschaft aufsSchärfste die Raketenangriffe auf israelisches Hoheitsgebiet. Der jordanische König Abdullah II. forderte die Palästinensergruppen zur Einstellung ihrer Kämpfe auf.