Obama vs. McCain Was Afrika über die US-Wahl denkt

Noch nie wurde ein amerikanischer Wahlkampf in Afrika so enthusiastisch verfolgt wie dieser. Barack Obama ist der umjubelte Star. Dabei dürfte manches an seiner Politik den Afrikanern kaum gefallen.

Die Meldung war kurz und sagte doch sehr viel: Als der amerikanische Autor Jerome Corsi vor Kurzem in Nairobi sein Buch über "The Obama Nation" vorstellen wollte, verhafteten ihn Beamten der Einwanderungsbehörde. Der vorgeschobene Grund: ein fehlendes Arbeitsvisum.

Was tatsächlich dahinter steckte: Corsi polemisiert in seinem Buch gegen Barack Obama. Er unterstellt ihm, Drogen zu nehmen, und bringt ihn in Verbindung mit radikalen Islamisten. Corsi wurde abgeschoben - ein ziemlich einmaliger Vorgang für ein Verstoß gegen die Auflagen des Touristenvisums. Doch wer den berühmtesten Sohn Kenias beleidigt, hat offenbar kein Recht mehr darauf, im Land zu sein.

Denn als genau das gilt Barack Obama nicht nur in Kenia sondern überall auf dem Kontinent: als Sohn afrikanischer Erde. Auch wenn Obamas Wurzeln zwar afrikanisch, vor allem aber international sind. Sein schwarzer Vater stammt aus Kenia vom Stamm der Luo. Obama senior traf seine Frau auf Hawaii. Sie heirateten, Barack wurde geboren. Der Vater ging anschließend zum Studium nach Harvard. In Amerika heiratete er erneut und starb schließlich 1982 in Kenia. Kontakt zum Vater hatte Barack in diesen ganzen Jahren kaum - ebenso wenig wie zu Afrika.

Afrika im Obama-Fieber

Doch spätestens seit Obama im Vorwahlkampf Hillary Clinton besiegt hat, ist Afrika im Obama-Fieber. Wohin man auch in den letzten Monaten reiste, überall schien er präsent. Im Dschibuti am Golf von Aden, traditionell eher auf Frankreich fixiert, kleben Obama-Porträts und Sticker an den Autos. In den runtergekommenen Dorfbars im Osten Kongos wird bei großen "Primus"-Bieren darüber diskutiert, ob ein Sieg Obamas das Ende des Rassismus markiere. Allerorten wird man gebeten, seine Chancen auszuloten: bei Fischern am Viktoriasee in Tansania, in den Townships Johannesburgs, bei den Touaregs im malischen Timbuktu. In Ghana schallt sein Name sogar aus dem Radio: Der Rapper Blakk Rasta hat einen Song mit dem Titel "Barack Obama" aufgenommen, in dem er den Aufstieg des Kandidaten als "großes Zeichen" für die Schwarzen der ganzen Welt feiert. Noch nie wurde ein amerikanischer Wahlkampf in Afrika so enthusiastisch verfolgt wie heute. Und noch nie waren die Sympathien so klar verteilt. Dürfte Afrika wählen - Barack Obama würde mit 90 Prozent gewinnen.

Marc Goergen ...

... ist stern-Redakteur im Auslandsressort. Schwerpunkt seiner Berichterstattung ist der afrikanische Kontinent.

Das zeigt sich am deutlichsten in Kenia, der Heimat von Obamas Vater. Selbst seriöse Zeitungen wie der "Standard" haben hier die Neutralität längst aufgegeben. Kommentare sind durchweg Obama-freundlich; auf der Website der Zeitung gibt es sogar eine eigene Rubrik namens "Obama-Watch", in der die Leser über den verlorenen Sohn auf dem Laufenden gehalten werden. Und in Kneipen wird das Bier mit dem Namen "Senator" schon mal als "Obama" verkauft. John McCain spielt keine Rolle.

Obamas Oma ist jetzt eine Prominente

Dagegen hat Obamas Oma Sarah in Kenia mittlerweile den Status einer Prominenten. Jahrzehntelang lebte die heute 85-Jährige bescheiden in dem kleinen Dorf Kogelo, 800 Kilometer westlich von Nairobi. 2006 wurde sie dort auch von Barack besucht, noch relativ unbeachtet. Seit der Enkel aber Chancen hat, Präsident zu werden, belagern ausländische Journalisten ihre Hütte; am "Super Tuesday" im Februar waren es mehr als zehn Kamerateams. Und nachdem Diebe versucht hatten, Oma Obamas Solaranlage vom Dach zu stehlen, genießt sie sogar Polizeischutz.

"Der Blick auf Obama ist für uns deshalb so wohltuend, weil wir ihn teilweise als kenianisch ansehen können und er vieles von dem verkörpert, was die kenianische Politikerkaste gerade nicht darstellt", sagt Gladwell Otieno, Direktorin des Afrikanischen Zentrums für offene Regierungsführung in Nairobi.

Ob indes in Kenia oder Uganda, in Südafrika oder Tansania: Obamas Ruhm speist sich fast ausschließlich aus der Farbe seiner Haut. Seine Politik würde den gesellschaftspolitischen Ideen vieler Afrikaner entgegenlaufen. Obama tritt ein für die Heirat zwischen Homosexuellen, für ihr Recht, auch Kinder zu adoptieren - Vorstellungen, die vielen Afrikanern absurd erscheinen. In Kenia steht auf Homosexualität bis zu 14 Jahre Gefängnis, in Simbabwe sind es zehn, und die Regierung von Ghana lässt verlauten: "Homosexualität beleidigt die Kultur, die Moral und das Erbe des gesamten Volkes von Ghana."

Die kleinen Erfolge Bushs zählen nicht

Doch auch die Tatsache, dass die Politik von George W. Bush, also eines Parteifreunds John McCains, zumindest in Afrika einige kleine Erfolge zeigte, wirkt sich nicht positiv für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten aus. Bushs Aids-Programm ist einer der wenigen Pluspunkte seiner Bilanz. Zudem hat er die Entwicklungshilfe mehr als verdoppelt. Der Demokrat Bill Clinton blieb das schuldig. All diese Details aber zählen wenig. Obama ist eben schwarz und McCain sehr weiß.

Antworten auf die drängenden Fragen des Kontinents liefert im Übrigen keiner der beiden. Darfur, Somalia, die Demokratische Republik Kongo - weder der ersehnte Heilsbringer noch der ungeliebte Ex-Soldat kommen in Reden und Programmen über Worthülsen für die Krisenregionen hinaus. Afrika ist kein Wahlkampfstoff. Denn auch wenn sich manche afrikanische Blogger schon wünschen, Obama solle nicht den USA sondern einer ostafrikanischen Gemeinschaft vorstehen - gewählt wird am Ende eben doch in Amerika.