Der pakistanische Militärmachthaber Pervez Musharraf hat den Ausnahmezustand über sein Land verhängt und den obersten Verfassungsrichter des Landes ausgewechselt. Auf den Posten des bisherigen Obersten Richters und prominenten Musharraf- Kritikers Iftikhar Chaudhry sei noch am Samstagabend der Jurist Abdul Hamid Dogar vereidigt worden, meldete der Staatssender PTV. Der Präsident habe die Verfassung ausgesetzt. In der Anordnung Musharrafs zum Ausnahmezustand werden allen pakistanischen Gerichten Urteile gegen den Präsidenten untersagt. Die Entscheidung Musharrafs wurde mit der instabilen Lage im Land begründet.
Das Verfassungsgericht in Islamabad stand kurz vor einer Entscheidung darüber, ob Musharraf bei der Präsidentenwahl Anfang Oktober überhaupt hätte antreten dürfen, weil er zugleich Armeechef ist. Musharraf hatte die von der Opposition boykottierte Wahl klar gewonnen. Am 15. November hätte seine Amtszeit als Präsident geendet, dann hätte er neu vereidigt werden müssen. Mit der Verhängung des Ausnahmezustands bleibt Musharraf zunächst Armeechef und Präsident.
Zahlreiche Festnahmen
In der Anordnung des Präsidenten wird das Verfassungsgericht kritisiert, weil es die Regierung durch "ständige Einmischung" unter anderem im Anti-Terror-Kampf geschwächt habe. In der Hauptstadt Islamabad zogen Sicherheitskräfte unter anderem um den Präsidentenpalast und das Verfassungsgericht herum auf. Private Nachrichtensender wurden aus dem Kabelnetz genommen. Nach Angaben aus der Opposition wurden zahlreiche Musharraf-Gegner festgenommen.
Ein Sprecher der Volkspartei PPP von Benazir Bhutto sagte, die Oppositionsführerin wolle am Sonntag von einem Familienbesuch in Dubai nach Pakistan zurückkehren. Bhutto hat angekündigt, den Ausnahmezustand nicht akzeptieren zu wollen. Sie war am Donnerstag nach Dubai gereist. Erst zweieinhalb Wochen zuvor war sie nach acht Jahren im Exil zurück nach Pakistan gekehrt. Bei einem Selbstmordanschlag auf ihren Konvoi und ihre feiernden Anhänger nur wenige Stunden später wurden rund 140 Menschen getötet.
Regierung unter Druck
Ein Mitarbeiter Musharrafs, der anonym bleiben wollte, sagte, die Entscheidung für den Ausnahmezustand sei in einem mehrstündigen Spitzentreffen getroffen worden. An dem Gespräch hätten mehrere Kabinettsminister, führende Politiker der regierenden Muslim-Liga (PML-Q) und Rechtsexperten teilgenommen. Musharrafs Regierung hatte in den vergangenen Wochen mehrfach mit der Verhängung des Ausnahmezustands gedroht. Als Grund war die instabile Lage genannt worden. Muslimische Extremisten und die Opposition setzen die Regierung zunehmend unter Druck.
Oberster Richter unter Hausarrest
Der abgesetzte Oberste Richter Chaudhry sei von Sicherheitskräften de facto unter Hausarrest gestellt worden, hieß es. Er und sechs weitere Richter hätten sich geweigert, der Anordnung Musharrafs Folge zu leisten. Musharraf hatte Chaudhry bereits im März suspendiert und damit wütende Proteste in der Bevölkerung ausgelöst. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts musste Chaudhry wieder ins Amt eingesetzt werden.
PTV berichtete, auch unter dem Ausnahmezustand blieben der Premier- und die Bundesminister sowie die Ministerpräsidenten und Gouverneure der vier Provinzen im Amt. Das gelte auch für alle Provinz-Parlamente bis auf das in der Nordwest-Grenzprovinz, das vom islamistischen Parteienbündnis MMA dominiert wird. Die Nordwest- Grenzprovinz grenzt an Afghanistan. Dort sind muslimische Extremisten besonders aktiv. Entgegen einer früheren PTV-Meldung sollte das Parlament in Islamabad offenbar nicht aufgelöst werden.
Musharraf will sich in einer Ansprache an die Nation wenden. Der General hatte sich 1999 unblutig an die Macht geputscht. In den vergangenen Monaten hat er dramatisch an Beliebtheit eingebüßt. Musharraf hatte die Präsidentenwahl Anfang Oktober klar gewonnen, weil die Parlamente in den Provinzen und in Islamabad abstimmten, in denen er über eine Mehrheit verfügt. Die Opposition hatte die Wahl zudem boykottiert.
Die Parlamente sollten ursprünglich bis zum 15. Januar neu gewählt werden. Dabei wurde mit großen Stimmengewinnen der Opposition gerechnet. Unter den Regeln des Ausnahmezustands kann Musharraf die Wahl nun um ein Jahr verschieben.