Dreht sich die Situation in Bachmut etwa doch noch zugunsten der Ukraine? Vor kurzem hatte der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, kundgetan, mehr als 80 Prozent der umkämpften Stadt zu kontrollieren. Doch seit ein paar Tagen gelingt es den ukrainischen Streitkräften immer häufiger, russisches Militär zurückzudrängen. Die Kiewer Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar schrieb am Sonntag bei Telegram: "Heute haben unsere Einheiten mehr als zehn feindliche Stellungen am nördlichen und südlichen Stadtrand von Bachmut eingenommen." Wieviel Propaganda hinter der Erfolgsmeldung steckt ist unklar, aber wie wichtig dieser Ort mittlerweile geworden ist, zeigen irritierende Äußerungen von Wagner-Chef Prigoschin.
So soll er zu Beginn des Jahres angeblich bereit gewesen sein, den Ukrainern die Positionen russischer Stellungen zu verraten, wenn die sich wiederum aus Bachmut zurückziehen würden. Das berichtet die "Washington Post" unter Bezug auf die geleakten Dokumente. Daraus gehe auch hervor, wie die Ukrainer auf dieses Angebot reagierten: Sie hätten abgelehnt, so die "Washington Post".
Umfassende Spionage der Amerikaner
Die Information stammt aus Unterlagen der Discord Leaks, die im Frühjahr öffentlich wurden. Der 21-jährige Jack Teixeira, IT-Mitarbeiter bei der US-Nationalgarde, hatte unzählige Geheimdienstdokumente bei der Gaming-Plattform Discord hochgeladen. Darin ist vor allem zu lesen, wie die USA den Krieg in der Ukraine einschätzen. Umstritten ist, wie kritisch und sensibel die Daten tatsächlich sind. Allerdings zeigen sie, wie umfassend die Amerikaner russische Truppen und die Wagner-Gruppe ausspioniert.

Den Informationen der "Washington Post" zufolge, "verschickte Prigoschin das Angebot über seine Kontakte zum ukrainischen Militärgeheimdiensts (HUR), mit dem er auch während des Kriegs eine geheime Kommunikation aufrecht erhalten hat". Dem Blatt zufolge haben zwei Ukrainer bestätigt, dass Prigoschin häufiger mit dem HUR gesprochen habe. Angeblich habe der Wagner-Chef sein Bachmut-Angebot sogar mehr als einmal unterbreitet, doch die ukrainische Seite "vertraut ihm nicht und glaubt, sein Vorschlag ist eine arglistige Täuschung", so die "Post". In der US-Hauptstadt teile man die Befürchtung.
Prigoschin drohte mit Abzug aus Bachmut
Jewgeni Prigoschin spielt im Ukraine-Krieg sein eigenes Spiel. Auf der einen Seite genießt er das Vertrauen von Kremlchef Wladimir Putin, oder genoss es zumindest lange, andererseits liefert er sich einen öffentlichen Streit mit dem russischen Verteidigungsministerium. Der Moskauer Militärführung wirft er vor, ihn und seine Söldner nicht genug zu unterstützen. So beklagte er in mehreren Videos die fehlende Bereitschaft, ausreichend Munition zu liefern. Vor kurzem drohte er deshalb sogar damit, seine Truppen vollständig aus Bachmut abzuziehen. Er änderte aber seine Meinung, nachdem das Verteidigungsministerium signalisiert hat, seine Forderung zu erfüllen.
Die Schlacht im "Fleischwolf" Bachmut ist die bislang längste und blutigste in dem Krieg. Russland als auch die Ukraine versuchen dort, den jeweiligen Gegner extrem hohe Verluste zuzufügen, um ihn so zu schwächen. Die Gruppe Wagner hatte bis vor einiger Zeit dazu Häftlinge aus russischen Gefängnissen freigekauft, die als "Wegwerfsoldaten" massenhaft an der Front verheizt worden. Der früher einmal 70.000 Einwohner zählende Ort gleicht mittlerweile einer Trümmerwüste. Militärstrategisch ist Bachmut wichtig, aber längst nicht so entscheidend wie als Symbol für den ukrainischen Widerstandgeist.
Sarkastische Reaktion des Wagner-Chefs
Die "Washington Post" berichtete weiter, Prigoschin habe sich mit Vertretern des ukrainischen Militärgeheimdienstes in einem afrikanischen Land getroffen. Prigoschin selbst reagierte noch am Sonntagabend sarkastisch auf den Bericht. Er könne das Treffen mit dem Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, in Afrika bestätigen. "Wir befinden uns bis jetzt mit Budanow in Afrika", sagte er auf seinem Telegram-Kanal – was ganz offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Er hatte sich zuletzt mehrfach aus Bachmut gemeldet.
Quellen: DPA, AFP, "Washington Post"