Tod von Jewgeni Prigoschin Lukaschenko will Putin in Schutz nehmen – erweist ihm aber einen Bärendienst

Einst sicherte Alexander Lukaschenko Jewgeni Prigoschin absolute Sicherheit zu.
Einst sicherte Alexander Lukaschenko Jewgeni Prigoschin absolute Sicherheit zu. Jetzt will er von seinem Versprechen nichts wissen. 
© Ilya Pitalev / Sputnik Moscow Russia PUBLICATION / Imago Images
Vor zwei Monaten behauptete Alexander Lukaschenko noch, Jewgeni Prigoschin habe ihm sein Leben zu verdanken. Er habe Putin davon überzeugt, Prigoschin zu verschonen. Nun will er sich aber sicher sein, dass der Kreml-Chef nicht hinter dem Tod des Wagner-Anführers steckt. Eine Verteidigung, die viel mehr einer Anklage gleicht. 

Wie Wladimir Putin Jewgeni Prigoschin dazu gebracht hat, seinen Marsch auf Moskau abzublasen und die Wagner-Kämpfer in die entgegengesetzte Richtung zu schicken, bleibt vorerst im Dunkeln. Doch um sein Gesicht zu wahren, brauchte der russische Diktator einen Vermittler. Schließlich konnte er sich nicht offiziell mit einem Mann an den Verhandlungstisch setzen, den er wenige Stunden zuvor als Verräter gebrandmarkt und seinen Kopf gefordert hatte. Da sprang Putin ein Bruder im Geiste zur Seite: Alexander Lukaschenko. 

Mit dem belarussischen Diktator hatte Putin den perfekten Mann gefunden, der den Vermittler mimen konnte. Als Machthaber eines anderen Staates hatte er den nötigen Rang und das erforderliche Ansehen, um diese Rolle einnehmen zu können. Und er hatte noch mehr: Ein Land, das er den gescheiterten Meuterern als Zwischenbasis zur Verfügung stellen konnte. 

Und so prahlte Lukaschenko fröhlich, er habe Putin persönlich davon überzeugt, Prigoschin am Leben zu lassen. Putin habe ihn am Tag des Marsches auf Moskau angerufen und über die Situation in Kenntnis gesetzt. Der Kreml-Chef habe zu diesem Zeitpunkt bereits eine "grausame Entscheidung getroffen", erklärte ein paar Tage später Lukaschenko. Prigoschin umzubringen sei zwar theoretisch möglich, würde aber ein großes Blutvergießen nach sich ziehen, habe er Putin erklärt.

Alexander Lukaschenko verstrickt sich in Widersprüche 

Der Version von Lukaschenko zufolge habe er schließlich, sowohl Putin als auch Prigoschin zur Vernunft bringen und einen Deal aushandeln können. Im Gegenzug für Straffreiheit und sicheres Geleit nach Belarus blies Prigoschin den Aufstand ab.

Nun ist der gefallene Wagner-Chef aber dennoch tot. Und Lukaschenko will nichts von Sicherheitsgarantien wissen, die er einst aussprach. "Erstens: Ich muss nicht für Prigoschins Sicherheit sorgen", erklärte Lukaschenko bei einem Treffen mit Vertretern seiner Staatsmedien am vergangenen Freitag. "Zweitens: Wir hatten nie ein Gespräch zu diesem Thema", erklärte er, nur um sich gleich selbst zu widersprechen. "Wir garantieren Ihnen absolute Sicherheit in Belarus", habe er Prigoschin bei dem Telefon versprochen, als es darum gegangen sei, den Meuterer zum Abdrehen zu bewegen. Das Versprechen habe er gegeben, obwohl Prigoschin "der Frage nach seiner Sicherheit nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat."

Was habe er also nun mit dem Tod von Prigoschin zu tun, fragte Lukaschenko die versammelten Staatsmedien-Vertreter. "Wie konnte er in Afrika seine Sicherheit gewährleisten?", sprach der belarussische Diktator von sich selbst in der dritten Person. "Und dann landete er in Moskau und flog nach St. Petersburg. Wie konnte ich da für seine Sicherheit sorgen? Ich bin daher für solche Fragen die falsche Person. Darüber hinaus hat es noch nie ein solches Gespräch gegeben – eins, in dem die Rede davon gewesen wäre, ihm Sicherheit auf fremdem Territorium zu bieten", ergänzte Lukaschenko süffisant.

Das Kleingedruckte übersah Jewgeni Prigoschin 

Dass sein Sicherheitsversprechen nur für das Gebiet von Belarus galt, war wohl das Kleingedruckte in dem Vertrag zwischen Lukaschenko und Prigoschin, das nur der Diktator gelesen hat. Dabei erzählte Lukaschenko selbst, dass er Prigoschin beruhig habe, als er die Angst äußerte, dass der Kreml anfangen werde, die Wagner-Kämpfer zu beseitigen. "Ich sagte ihm: Sie werden nicht damit anfangen. Das garantiere ich dir. (...) Ich werde dich nach Belarus bringen und garantiere dir die völlige Sicherheit. Und deinen Jungs", erklärte Lukaschenko drei Tage nach Prigoschins Meuterei.

Nun da Prigoschin tot ist, sind diese Worte vergessen. Genauso wie die Worte von der "grausamen Entscheidung" Putins, Prigoschin zu töten. Heute kann sich Lukaschenko es angeblich nicht vorstellen, dass Putin den Befehl zur Beseitigung des Wagner-Anführers gegeben hat. "Ich kann nicht sagen, wer es getan hat. Ich werde nicht einmal für meinen älteren Bruder den Anwalt geben", erklärte Lukaschenko am Freitag und meinte damit den Kreml-Chef. "Aber ich kenne Putin. Er ist eine berechnende, sehr ruhige und sogar zögerliche Person, auch wenn es um Entscheidungen zu anderen, weniger komplexen Themen geht. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass Putin dies getan hat, dass Putin dafür verantwortlich ist. Außerdem ist es eine zu grobe, unprofessionelle Arbeit. Das sieht Putin nicht ähnlich", verkündete Lukaschenko.

Es gehört zu den Talenten des belarussischen Diktators Putin mit einem Satz einen Seitenhieb zu versetzen, während er vorgibt ihn zu verteidigen – und die Frage aufzuwerfen, wo er Putins professioneller Arbeit begegnet ist, um ein solches Urteil fällen zu können.