Putin-Amnestie Pussy Riot und andere "Rowdys" sollen freikommen

Mit einer Amnestie will Wladimir Putin kurz vor Olympia offenbar seine Kritiker besänftigen. Kremlgegner wie die Frauen von Pussy Riot sollen freikommen. Doch Menschenrechtler bleiben skeptisch.

Im Zuge einer groß angelegten Amnestie will Kremlchef link;http://www.stern.de/politik/ausland/wladimir-putin-90306459t.html;Wladimir Putin# Tausende Gefangene in Russland freilassen, darunter wohl auch einige seiner Kritiker wie die beiden inhaftierten Frauen von der Punkband Pussy Riot. Die Staatsduma nahm am Vormittag in erster Lesung ein entsprechendes Dekret des Präsidenten einstimmig an. Die endgültige Annahme am Mittwoch gilt als Formsache.

Doch auch nach Bewilligung der Amnestie bleibt unklar, wann Nadeschda Tolokonnikowa, 24 und Maria Aljochina, 25 aus der Haft entlassen werden. Schon am Donnerstag würden sie die Straflager verlassen, twittert die Künstlergruppe Wojna. Es ist aber wohl nur eine Hoffnung auf die Folgen von Putins Dekret. Festlegen will sich in Moskau keiner.

Insgesamt bleibt der Gnadenakt aus Sicht von Menschenrechtlern und Juristen zwar deutlich hinter den Erwartungen zurück. Er ist aber wohl auch ein Zugeständnis an den Westen kurz vor der Eröffnung der ersten russischen Winterspiele in dem Schwarzmeerkurort Sotschi am 7. Februar 2014. Immerhin verzichteten aus Protest gegen die Menschenrechtslage hier bereits mehrere prominente westliche Politiker auf eine Reise zu "Putins Spielen". Bundespräsident Joachim Gauck wird ebenfalls nicht an die Riviera des Ostens reisen.

Greenpeace-Aktivisten können hoffen

Bürgerrechtler meinen, dass von der Amnestie nur "Leichtgewichte" unter den Putin-Gegnern profitieren werden - etwa wegen "Rowdytums" Angeklagte oder Verurteilte. Nutznießer sollen nicht zuletzt Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace sein. Sie hatten im September an einer staatlichen russischen Ölplattform gegen Umweltzerstörung in der Arktis protestiert. Ihre Festnahme löste international Entsetzen aus.

Inzwischen sind die 30 Männer und Frauen aus vielen Ländern zwar auf freiem Fuß, können aber wegen fehlender Visa das Land nicht verlassen. Ob die Aktivisten noch vor Weihnachten wieder zu ihren Familien können, das dürfte sich noch diese Woche entscheiden. Putin tritt am Donnerstag in einer mehrstündigen Medienkonferenz vor die Weltpresse. Der im Staatsfernsehen live gesendete Auftritt des Präsidenten ist ein beliebter Zeitpunkt für solche Nachrichten. Auch die jungen Mütter von Pussy Riot können hoffen.

Im Grunde aber haben die russischen Behörden sechs Monate Zeit, die Amnestie umzusetzen. Die Pussy-Riot-Aktivistinnen kämen auch ohne Gnadenerlass spätestens Anfang März auf freien Fuß. Der Gnadenakt sei jetzt eine elegante Gelegenheit für die Machthaber, in den als politisch kritisierten Verfahren gegen Pussy Riot und Greenpeace das Gesicht zu wahren, sagt Anwaltskammerpräsident Genri Resnik.

"Nur die Parodie einer Amnestie"

In der kremlkritischen Zeitschrift "The New Times" meint der prominente Jurist, dass die Amnestie für die Justiz ein Kompromiss sei. Ein offenes Fehler-Eingeständnis sei nicht möglich. Dabei hatte der Oberste Gerichtshof das Straflagerurteil gegen Pussy Riot in der vergangenen Woche gerügt und einen neuen Richterspruch angeordnet, der mildernde Umstände berücksichtigen soll.

Kremlgegner ärgern sich vor allem, dass Putins schärfste Kritiker weiter politisch kaltgestellt bleiben. Der seit zehn Jahren inhaftierte frühere Ölmilliardär Michail Chodorkowski kann ebenso wenig auf Gnade hoffen wie der Oppositionelle Alexej Nawalny. Dessen Urteil von fünf Jahren Straflager ist zur Bewährung ausgesetzt.

Von den ursprünglichen Vorschlägen und Plänen des Menschenrechtsrats im Kreml sei kaum etwas übriggeblieben, kritisiert die frühere Verfassungsrichterin Tamara Morschtschakowa. Auch die Chance für eine Reform des aus Sowjetzeiten stammenden menschenverachtenden Straflagersystems sei vertan. "Es besteht die Gefahr, dass dies nur die Parodie einer Amnestie wird", meint der Menschenrechtler Lew Ponomarjow in Moskau.

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mad/Ulf Mauder, DPA