Reaktionen "Meine schlimmsten Träume werden wahr"

In Berlin hatten sich die Parteien schon recht bald auf vier weitere Jahre George W. Bush eingestellt. Die ersten Reaktionen von Spitzenpolitikern zur US-Präsidentschaftswahl fielen durchwachsen aus.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat dem US-Präsidenten George W. Bush zur Wiederwahl gratuliert. Wenn Meldungen zuträfen, dass Kerry seine Niederlage eingestanden habe, gratuliere er George W. Bush herzlich, sagte Schröder am Mittwochabend in Bonn nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. "Ich werde unsere enge und gute Zusammenarbeit, die wir hatten, fortsetzen." Dies diene den Interessen der USA ebenso wie denen Deutschlands und Europas.

Mubarak sagte: "Wir hoffen, dass die neue Administration von Herrn Bush in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union Einfluss nehmen könnte, dass wir in der Region [Naher Osten] zu einer friedlichen Entwicklung kommen können".

CDU-Vorsitzende Angela Merkel hofft auf eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen den USA und Europa. "Dazu sollte jede Seite ihren Beitrag leisten", sagte Merkel in Prag. Ein gutes transatlantisches Verhältnis sei Voraussetzung dafür, "dass im Kampf gegen den internationalen Terror und um bessere Wachstumsraten in der Wirtschaft Erfolg erzielt werden" könne. "Es ist auch ein Pfeiler für die weitere Entwicklung Europas", sagte Merkel und beglückwünschte Bush zu seiner Wiederwahl.

Einige hatten es ganz eilig. Während in Ohio und anderswo die Auszählung noch voll im Gange war, verkündete Innenminister Otto Schily (SPD) bereits zu früher Stunde im Fernsehen den neuerlichen Wahlsieg von George W. Bush. "Wir werden auch mit der wiedergewählten Bush-Regierung gut zusammenarbeiten, ebenso gut hätten wir mit Kerry zusammengearbeitet", hatte Schily in der ARD mit Blick auf den prognostizierten Wahlsieg von US-Präsident Bush gesagt. Weniger Begeisterung war von Hans-Christian Ströbele zu hören: "Meine schlimmsten Träume werden wahr", verriet der Spitzen-Grüne angesichts des immer deutlicher ausfallenden Abstimmungsergebnisses in Washington.

Berlin macht es sich mit Bush gemütlich

Angesichts der diesmal eindeutigeren Zahlenlage hatte man sich Berlin aber rasch auf vier weitere Jahre mit Bush eingerichtet. Anders als Russlands Präsident Wladimir Putin oder Japans Regierungschef Junichiro Koizumi, die offen für die Wiederwahl Bushs eingetreten waren, hatte sich Schröder strikte Neutralität im US-Wahlkampf verordnet. Dass er heimlich John Kerry die Daumen gedrückt hatte, gilt als wahrscheinlich, aber nicht unbedingt als zwangsläufig. Außenminister Fischer sagte: "Wir arbeiten mit jeder Regierung bestens zusammen", die internationale Politik stehe vor schwierigen Herausforderungen, die ohne eine enge Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa nicht zu bewältigen seien.

Bei einem Sieg des demokratischen Herausforderers wären auf Rot-Grün nämlich recht unangenehme Dinge zugekommen. Nicht so ganz einfach vom Tisch zu wischen gewesen wäre Kerrys Ankündigung gewesen, die Deutschen müssten im Irak stärker finanziell oder militärisch in die Pflicht genommen werden. Von Bush werden solche Forderungen kaum zu erwarten sein. Beide Seiten wissen inzwischen, was man einander zumuten kann.

Nicht schlechter, aber auch nicht besser

Es ist aber kaum damit zu rechnen, dass sich die bilateralen Beziehungen nun schlagartig wieder verbessern. Zum innigen Vertrauensverhältnis zwischen Bush und Schröder dürfte es wohl nie mehr reichen. Gut acht Monate liegt das letzte Treffen in Washington zurück und auch die Zahl der Telefonate miteinander halten sich in Grenzen. Eine "Liebesbeziehung" sei nicht nötig, in der Politik reichten vernünftige Arbeitsbeziehungen aus, sagt dazu der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose.

Dagegen sprach sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Volker Rühe (CDU) für eine Verbesserung der europäisch-amerikanischen Beziehungen aus. Wenn Bush ein erfolgreicher Präsident werden wolle, müsse "er etwas tun, um das Land zu einigen und einen besseren Dialog zwischen Europa und Amerika" forcieren, sagte Rühe im Deutschlandfunk.

Berlin spekuliert über Bushs zukünftige Strategien

Mit einiger Spannung schaut man in Berlin nun darauf, wie sich Bush positioniert. Auch an Personalentscheidungen werde der künftige Kurs ablesbar sein, heißt es im deutschen Regierungslager. Wenn etwa der pragmatische Colin Powell als Außenminister ausscheidet, könnte dies ein Signal dafür sein, dass der Einfluss der "Neokonservativen" in der neuen US-Regierung weiter zunimmt.

Der erste transatlantische Härtetest steht bereits in diesem Monat bevor. Das iranische Nuklearprogramm kommt vor die Vereinten Nationen. In Berlin gibt es Befürchtungen, dass eine durch die Wiederwahl in ihren politischen Überzeugungen noch gestärkte Regierung Bush versucht sein könnte, auch in diesem Fall die militärische Karte auszureizen. Militärische Alleingänge gegen die Mullahs könnten die Entfremdung mit den Europäern noch verstärken. Denn Bush könnte in diesem Fall nicht einmal sicher sein, seinen bislang engsten Verbündeten Tony Blair aus Großbritannien wie in Irak noch einmal an seiner Seite zu haben.

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Joachim Schucht/DPA