Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat den in Deauville ausgehandelten deutsch-französischen Kompromiss zur Reform des EU-Stabilitätspaktes scharf kritisiert. Im Deutschlandfunk sagte er, Deauville habe "die ganze Sache schon etwas vergiftet". Deutsche und Franzosen hätten gesagt: Wir garantieren 50 Prozent des 750-Milliarden-Pakets zum Schutz des Euro. "Wenn ihr den Lissabonner Vertrag nicht ändern wollt, werden wir nach 2013 nicht mehr zur Verfügung stehen", stehe als Drohung im Raum.
"Wenn man mit dieser Keule vorgeht, dann sind alle Länder, die Probleme haben, sehr stark unter Druck." Ein Stimmrechtsentzug sei ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Staaten würden gestraft und erniedrigt. "Der europäische Geist funktioniert nicht mit einem Zweitaktmotor", so Asselborn.
Brüderle: "Das wird nicht einfach"
Vier Tage vor dem EU-Gipfel wird weiter heftig um die Verschärfung des Stabilitätspaktes und um mögliche Strafen für Defizitsünder gestritten. Bei einem Treffen der Außenminister zeichnete sich in Luxemburg keine Kompromisslinie ab. Widerstand formierte sich vor allem gegen die von Berlin und Paris geforderte Änderung des EU-Vertrages. Mit der Vertragsänderung wollen Deutschland und Frankreich Staaten, die gegen die Defizit- oder Schuldengrenzen des Stabilitätspaktes verstoßen, das Stimmrecht in der EU zeitweilig entziehen.
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte mit Blick auf angestrebte Vertragsänderungen der "Bild"-Zeitung: "Das wird nicht einfach." Mitgliedstaaten sollten bei gravierendem Fehlverhalten aber die Stimmrechte entzogen werden.
Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatten vor einer Woche in Deauville eine solche Änderung des Lissabon-Vertrages verlangt. Der EU-Gipfel soll nach dem Willen Deutschlands und Frankreichs ein Mandat beschließen, mit dem eine Änderung des Lissabon-Vertrags vorbereitet werden soll. Der im Frühjahr von der EU und dem IWF aufgespannte Rettungsschirm für angeschlagene Euro-Staaten in Höhe von 750 Milliarden Euro läuft im Jahr 2013 aus. Deutschland argumentiert, bis dahin müsse eine Regelung stehen, die eine Wiederholung der Griechenland-Krise verhindert und das Vertrauen in die Stabilität des Euros sichert.
"No-Bailout-Klausel" infrage gestellt
Um einen dauerhaften Krisenmechanismus für den Euro zu ermöglichen, ist die Bundesregierung offenbar zu einem Tabubruch bereit. Dazu stelle sie die sogenannte No-Bailout-Klausel im Lissabon-Vertrag infrage, derzufolge die EU nicht für die Verpflichtungen einzelner Staaten haftet, berichtete die "Financial Times Deutschland". Dabei beruft sich die Zeitung auf entsprechende Überlegungen in Kreisen des Bundesfinanzministeriums, der Koalition, der EU-Behörden und anderen Mitgliedsstaaten. Hintergrund ist, dass ein künftiger Krisenfonds Gelder der EU oder der Euro-Staaten verwalten würde.Ohne Änderung des Artikels 125 des Vertrages dürfte er sie aber nicht einsetzen.
Der oft als Verbot gegenseitiger Hilfen interpretierte Artikel gilt vielen Vertretern einer harten Politik gegenüber Defizitsündern als Garantie für die Euro-Stabilität. Ein hochrangiger EU-Beamter sagte der Zeitung: "Die Bundesbank wird das sicher nicht gutheißen." Das Problem ist auch Thema in der Spitze der schwarz-gelben Koalition. "Es gibt Diskussionen, was aus der No-Bailout-Klausel wird", sagte ein hochrangiger Koalitionsvertreter laut dem Bericht. Für eine endgültige Bewertung sei es noch zu früh. Alternativen wie eine Ausweitung des EU-Haushaltsrahmens wären allerdings ebenfalls problematisch.