Es ging um 40.000 Menschen. Asylberechtigte vor allem aus Syrien und Eritrea. 40.000 Flüchtlinge, die von Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten verteilt werden mussten. Die Staats- und Regierungschefs haben sich letztlich geeinigt, doch zuvor haben stundenlang hitzig diskutiert, wie es heißt, oder deutlicher gesagt: Sie haben sich gezofft!
Gestritten vor allem, ob die Umverteilung der 40 000 Asylberechtigten auf Basis freiwilliger Zusagen oder verpflichtender Verteilschlüssel erfolgen sollte. Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte über die Debatte: "Es gab Momente der Spannung." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach von "einer schwierigen Diskussion".
"Dann könnt Ihr es lassen..."
Italien hatte mehr verlangt. Premier Matteo Renzi begrüßte nach dem Gipfel die Zusagen nur als "ersten Schritt". Renzi hatte in der Gipfelrunde mit scharfen Worten eine verpflichtende Quote gefordert. Diplomaten zitierten den Italiener mit den Worten: "Wenn Ihr mit der Zahl von 40.000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden. (...) Wenn das Eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt Ihr es lassen." Er fuhr fort: "Entweder es gibt Solidarität - oder verschwendet nicht unsere Zeit."
Insbesondere die osteuropäischen und baltischen Staaten, die bislang nur selten das Ziel von Migranten sind, beharrten auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Hintergrund ist, dass nach dem Dublin-Abkommen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen und dort bleiben müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben.
"Da wird noch viel Arbeit sein"
"Alle Staaten haben Zusagen gemacht", sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk am frühen Freitagmorgen in Brüssel trotz allem - um gleich wieder Einschränkungen zu machen. Ungarn und auch Bulgarien seien ausgenommen. "Diese beiden Länder unterliegen schon einem großen Migrationsdruck und werden deshalb als Sonderfälle behandelt", so Tusk. Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte den Beschluss dennoch als "eine gute Botschaft." Sie fügte mit Blick auf die Differenzen aber auch hinzu: "Da wird also noch viel Arbeit sein."
Die Staats- und Regierungschefs vereinbarten zudem, dass sich alle Staaten an der Umsiedlung von 20.000 anerkannten Flüchtlingen aus Lagern etwa rund um Syrien beteiligen. "Das gibt 60 000 Menschen eine Lebensperspektive", fasste Juncker die Gipfel-Ergebnisse zusammen und kritisierte dies zugleich als eine "bescheidene Wirkung".
Los geht's erst im Spätsommer
Zumal die Beschlüsse nicht sofort umgesetzt werden. Nach Angaben von Diplomaten kann die Verteilung frühestens im Spätsommer beginnen. "Die Innenminister werden das Verfahren bis Ende Juli abschließend klären", sagte Tusk. Bis dahin sollen in Italien und Griechenland Aufnahmelager entstehen, wo Flüchtlinge registriert und identifiziert werden.
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann unterstützte die Quote und sagte: "Ich bin für eine Quote, ich bin für eine Verpflichtung, ich bin für eine gemeinsame Asylpolitik."
"Ohne Opferbereitschaft reine Heuchelei"
Gipfelchef Tusk sagte: "Solidarität ohne Opferbereitschaft ist reine Heuchelei." Allerdings müsse mehr gegen illegale Einwanderung getan werden. "Alle, die keine legitimen Asylbewerber sind, haben keine Garantie, dass sie in Europa bleiben können."
Merkel hatte vor dem Treffen vor Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern in der Flüchtlingspolitik gewarnt: "Das können wir uns in Europa nicht leisten."
In vielen Ländern gibt es weiter Widerstand gegen die Umverteilung. Ungarn lehnt dies grundsätzlich ab und beklagt seine eigene Überlastung. Der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban sagte in Brüssel: "Wir sind nicht herzlos, aber auch nicht hirnlos, man muss beides im Gleichgewicht halten." Man dürfe "weder der Versuchung schöner Worte erliegen, noch dem Mitgefühl".