Rösler besucht Vietnam Zwischen Ludwig Erhard und Ho Chi Minh

Vietnam gilt als Boomregion in Südostasien. Doch deutsche Investoren klagen über viele Probleme. Wirtschaftsminister Rösler findet in Hanoi klare Worte.

Vietnams Vizepremier Nguyen Tien Nam liebt Deutschland. Elf Jahre hat er in der DDR studiert und gearbeitet, später auch seinen Sohn auf eine deutsche Universität geschickt. "Ohne das Studium wäre ich heute nicht, was ich bin", sagt Nguyen, als er sich beim Empfang der deutschen Botschafterin in Hanoi in fließendem Deutsch an die Gäste wendet. Deshalb: "Wenn deutsche Unternehmen in Vietnam irgendwelche Probleme haben, denken Sie an mich, ich werde helfen."

Diese Hilfe können deutsche Investoren durchaus gebrauchen. Rund 50 Unternehmer, größtenteils Mittelständler, sind mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nach Vietnam gekommen, um ihre Chancen auszuloten, Kontakte zu knüpfen und Probleme zu erörtern. Die sozialistische Republik gilt als Boomregion, die gerade kleineren Firmen große Chancen bietet, auch wenn sich das Wachstum in diesem Jahr mit 4,7 Prozent wohl etwas abgeflachen dürfte.

Rösler wirbt für freien Handel und fairen Wettbewerb

Die Löhne sind konkurrenzlos niedrig, der Ehrgeiz der 89 Millionen Vietnamesen groß. Doch nicht nur die schlechte Infrastruktur, der Mangel an Fachkräften und die hohen Inflationsraten - allein seit Anfang des Jahres 10,4 Prozent - machen Investoren zu schaffen. Es sind vor allem die alten Strukturen, die immer noch greifen, auch wenn es nun schon 26 Jahre her ist, dass die Kommunisten die Politik der Erneuerung ("Doi moi") ausgerufen haben.

Seither hat sich das Land zwar rasant entwickelt, mehr als die Hälfte der Unternehmen ist aber auch heute noch in Staatsbesitz. Ausländische Investoren klagen über Bürokratie und Korruption, Verträge werden oft nicht eingehalten, Rechnungen nicht bezahlt.

Deshalb ist Rösler mit einer klaren Botschaft gekommen: Planwirtschaft war gestern, heute geht es um freien Handel, fairen Wettbewerb, Vertragsfreiheit und Vertragstreue. "Unsere Unternehmer brauchen Verlässlichkeit", sagt der Wirtschaftsminister vor Studenten und Dozenten der Nationalen Wirtschaftsuniversität in Hanoi und gibt damit das Leitmotiv für seine politischen Gespräche vor.

Investoren stehen Schlange

Rösler hat Unterlagen über fünf konkrete Fälle im Gepäck, in denen Lieferverträge nicht eingehalten oder Rechnungen nicht bezahlt wurden. Als der Minister die Vorfälle bei Bin Quang Vinh, dem Minister für Planung und Investitionen, anspricht, sagt der sofort zu, sich darum zu kümmern. Drei der Unternehmer sind in der Wirtschaftsdelegation dabei, noch am selben Tag gibt es erste Gespräche, wie die Probleme zu lösen seien.

Hans Heinrich Driftmann, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), ist danach voll des Lobes. "Herr Rösler hat insistiert bei konkreten Fragen, die für uns strukturell wichtig sind", sagt er. "Die vietnamesische Seite hat zugestimmt, und zwar nicht nebulös, sondern konkret, so wie man sich das als Verantwortlicher nur wünschen kann."

Siemens, Adidas, Bosch, mehr als 230 deutsche Unternehmen produzieren in Vietnam. Laut Planungsministerium wurden bis Ende August 184 deutsche Investitionsprojekte mit einem Volumen von 904 Millionen US-Dollar genehmigt. Große Chancen bietet vor allem der Ausbau der Infrastruktur, etwa der Bau der U-Bahn-Linie 2 in Ho-Chi-Minh-Stadt, der 2013 beginnen soll. Dafür stehen die Investoren Schlange.

Deutschland als größter Handelspartner innerhalb der EU

Thomas Hundt von Germany Trade und Invest kennt gute Gründe dafür. Vietnam sei ein sehr junges, dynamisches Land, sagt der Experte. Das Durchschnittsalter liege bei 28 Jahren, der Monatslohn zwischen 80 bis 200 US-Dollar. Die Arbeitskosten seien damit bis zu 30 Prozent niedriger als im großen Nachbarland China.

Seit 2007 ist Vietnam Mitglied der Welthandelsorganisation. Das hat vieles erleichtert. Vietnams größter Handelspartner in der EU ist Deutschland, über 100.000 Vietnamesen haben in Deutschland studiert, kennen die Kultur, sprechen die Sprache.

"Das sind sehr wertvolle Ressourcen für unsere Zusammenarbeit", betont Vizepremier Nguyen im Garten der Botschaftsresidenz in Hanoi. Seinem Sohn hat er den Rat gegeben: "Wenn Du Kinder bekommst, musst Du mindestens einen Sohn oder eine Tochter nach Deutschland schicken."

DPA
Uta Winkhaus, DPA