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Kandidatur verkündet Ron DeSantis will ein "Trump ohne Drama" sein. Seine eigene Kandidatur beginnt aber mit einem Desaster

Floridas Gouverneur Ron DeSantis
Floridas Gouverneur Ron DeSantis startet mit peinlicher Technik-Panne in Kandidatur
© Paul Hennessy / DPA
Ron DeSantis will für die Republikaner ins Rennen ums Weiße Haus ziehen. Doch dafür muss Floridas Gouverneur an Donald Trump vorbei. Da hilft es nicht, dass ausgerechnet die Verkündung seiner Kandidatur zum Reinfall wird. 

Technische Aussetzer, unverständliches Gemurmel, abgebrochene Verbindung. Was sich wie ein schlechter Konferenz-Call anhört, ist nicht weniger als der desaströse Auftakt der Präsidentschaftskandidatur von Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Seine Live-Verkündung auf Twitter im Gespräch mit Tech-Milliardär Elon Musk war mit Spannung erwartet worden. Doch als der Stream am Mittwochabend startet, passiert lange Zeit: nichts.

Es dauert fast eine halbe Stunde bis der Moderator DeSantis mit den Worten "Herzlichen Glückwunsch, Sie haben das Internet zerstört" begrüßt.

DeSantis entgleitet ein gequälter Lacher. Dann darf er endlich die lang erwarteten Worte aussprechen: "Ich kandidiere für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, um unser großartiges amerikanisches Comeback anzuführen."

Zu diesem Zeitpunkt hat ein Großteil der Zuhörer den Stream bereits verlassen.

Ron DeSantis – vom aufstrebenden Parteistar zum Außenseiter

Als Floridas Gouverneur auszuführen beginnt, warum er der richtige Kandidat für das "großartige Comeback" ist, wird schnell deutlich, dass es vielmehr darum geht aufzuzeigen, wer der falsche ist. Ohne Donald Trump namentlich zu nennen brüstet sich der 44-Jährige damit "Regieren nicht als Unterhaltung" zu sehen, sondern die konservative Agenda aktiv in Gesetze zu verwandeln. Politische Versprechen seien wertlos, wenn die Republikaner weiterhin verlieren. Ein weiterer Seitenhieb in Richtung des Ex-Präsidenten.

Es ist dieselbe Botschaft, die DeSantis seit Wochen auf Spendenveranstaltungen und exklusiven Dinner-Parties verbreitet: "Ich bin wie Trump, nur ohne das Drama".

Mit seiner eigenen Hardliner-Gesetzgebung präsentiert sich DeSantis als Vorreiter. Was er als Gouverneur in Florida geschaffen hat, will er als Präsident für das ganze Land in Angriff nehmen. Stolz zählt er im Gespräch mit Musk seine politischen Errungenschaften auf: Wie er Florida als ersten Staat aus dem Corona-Lockdown geführt hat, wie er die Schulen vor der "woken linken Indoktrination" gerettet hat, wie er "Recht und Ordnung" gegen illegale Migranten hat walten lassen und wie Florida unter ihm zum "Nummer eins Ziel der Nation" geworden ist.

Immer wieder zitiert DeSantis aus seinem neuen Buch, dessen Titel wie ein Wahlkampfmotto klingt: "Floridas Blaupause für Amerikas Wiedergeburt". In der Realität sieht diese Blaupause dystopisch aus.

Im Sunshine State ist inzwischen gesetzlich geregelt, wer welche Toilette benutzen darf, welche Bücher aus Klassenzimmern verbannt werden müssen und ab wann Sexualkundeunterricht erlaubt ist (erst ab der Oberstufe). Das als "Don't Say Gay" ("Sag nicht schwul") bekannt gewordene Gesetz, das den Unterricht über Geschlechtsidentität und Sexualität verbietet, sorgt inzwischen regelmäßig für absurde Schlagzeilen. Erst letzte Woche wurde der Fall einer Lehrerin bekannt, gegen die ermittelt wird, weil sie ihrer Klasse einen Disney-Film mit homosexueller Hauptfigur gezeigt hat.

DeSantis entfachte den Kulturkrieg. An vielen Fronten verliert er ihn

Als Gouverneur hat DeSantis gehalten, was er versprochen hat. Er hat Florida einen ultrarechten Anstrich verpasst. Und doch findet er sich ein halbes Jahr nach seinem Midterms-Hoch in einer deutlich schlechteren Startposition für das Rennen ums Weiße Haus wieder. In Umfragen liegt er weit abgeschlagen hinter Trump. Führende Konservative stellen seine Wählbarkeit in Frage, während sein größter Konkurrent es schafft die Republikaner trotz Anklage um sich zu scharen. "Der DeSanctus Twitter Launch ist ein Desaster! Seine ganze Kampagne wird ein Desaster sein", spottet der Ex-Präsident am Abend auf seinem Truth-Social-Netzwerk.

Fest steht, der Pannenstart ist ein neuer Tiefpunkt für DeSantis. Doch schon in den letzten Wochen hat sein proklamiertes Selbstbild eines chaosfreien Machers Risse bekommen. Deutlich sichtbar wird dies auf seiner Buchtour, die ihm eigentlich landesweit die Bühne bereiten sollte. Statt Sympathiepunkte erntet DeSantis dort Empörungsstürme, als er die russische Invasion der Ukraine als "Territorialstreit" bezeichnet. Auch sein frisch unterzeichnetes sechswöchiges Abtreibungsverbot stößt bei republikanischen Großspendern auf Kritik. Sowohl Umfragen als auch die jüngsten Wahlergebnisse zeigen, dass extreme Abtreibungspositionen von den Wählern abgestraft werden. DeSantis vertritt sie trotzdem.

Sein Versuch sich stückweise von Trump abzusetzen, hat Floridas Gouverneur weit nach rechts schwenken lassen. So weit, dass er inzwischen selbst im Kreuzfeuer seines eigens entfachten Kulturkampfs steht. 

Mit der Eskalation seiner Disney-Fehde ist DeSantis für viele Konservative endgültig übers Ziel hinausgeschossen. Sein obsessiver Kreuzzug gegen den Unterhaltungskonzern, der es gewagt hatte das "Anti-Woke-Gesetz" zu kritisieren, lässt den Gouverneur von Tag zu Tag mehr wie einen bockigen Vierjährigen wirken. Ein Egostreit mit ganz realen Auswirkungen. Erst letzte Woche gab der Disney-CEO bekannt, dass der Konzern seine Pläne für einen neuen Campus mit 2.000 Arbeitsplätzen in Florida fallen lässt. 1:0 für Micky Maus.

Rechter als Donald Trump – und weniger charismatisch

"Politics is all about perception", lautet eine alte amerikanische Wahlkampfweisheit. In der Politik geht es in erster Linie um die Wahrnehmung. DeSantis verspricht, ein "Trump ohne Drama" zu sein. Der Blick nach Florida und der missglückte Kampagnenstart machen deutlich, dass der Gouverneur sein ganz eigenes Chaos nach sich zieht.

Der entscheidende Unterschied: Während der Ex-Präsident im Drama aufgeht, fällt es dem Mann aus Florida schon schwer genug auf der eigenen Bühne zu glänzen. Kürzlich geleakte Videoaufnahmen aus dem Gouverneurswahlkampf 2018 zeigen, wie DeSantis von seinem Team gebriefed wird, um möglichst "sympathisch" zu wirken. "Wenn du auf die Bühne gehst, schreibst du dir in Großbuchstaben 'LIKABLE' auf einen Zettel", empfiehlt ihm ein Berater. DeSantis nickt.

Fünf Jahre später scheint er die Lektion vergessen zu haben. Als ihm ein Unterstützer in Iowa vergangene Woche erzählt, dass er extra eine Stunde gefahren sei, um ihn zu sehen, bedankt sich DeSantis zwar knapp, wendet sich dann aber prompt von dem Mann ab. Bei einem Spendendinner ein paar Tage später, beschreibt ihn ein Teilnehmer als jemand, der "zu den Leuten statt mit ihnen" spricht. "DeSantis gibt einem das Gefühl, dass er deine lebenserhaltenden Maschinen abschalten würde, nur um sein Handy zu laden", bringt es das "Wall Street Journal" auf den Punkt.

Bis zu den republikanischen Vorwahlen sind es noch neun Monate. Wenn Floridas Gouverneur ernsthafte Chancen auf ein Duell ums Weiße Haus haben will, sollte er schleunigst unter Beweis stellen, dass er sowohl "dramafrei" als auch "nett" sein kann.

Denn solange DeSantis selbst als "der Mann, der das Internet zerstört hat" gesehen wird, hat ein charismatischer "Trump mit Drama" immer noch die besseren Karten.

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