Am Sonntag um 18.13 Uhr Ortszeit setzen sich Polizei und Rettungskräfte in Sankt Petersburg in Bewegung. In einem Café am Newa-Ufer hat es eine Explosion gegeben (der stern berichtete). Bei dem Sprengstoffanschlag stirbt ein bekannter Militärblogger. Was ist in dem Lokal passiert? Und wer steckt hinter der Explosion? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem tödlichen Vorfall in der russischen Ostsee-Metropole:
Was ist im Sankt Petersburger Café "Streetfood-Bar No.1"passiert?
Russische Nachrichtenagenturen berichten unter Berufung auf Sicherheitsbehörden, dass eine Frau im Rahmen einer Veranstaltung eine Statuette an das spätere Todesopfer überreicht habe. In der Figur soll sich ein Sprengsatz befunden haben, der kurz nach 18 Uhr Ortszeit explodiert sei. "Sie hat es ihm gegeben", und später "gab es plötzlich eine Explosion", sagte Augenzeugin Alissa Smotrowa der französischen Nachrichtenagentur AFP. Es habe "Blut und Glasscherben" gegeben. Wladlen Tatarski sei auf der Stelle tot gewesen, heißt es weiter.

Wer ist für den Anschlag verantwortlich?
Polizei und Rettungsdienste eilten mit einem Großaufgebot zu dem Café. Örtliche Medien berichten, dass die Übergeberin der Figur sich noch in die hinteren Zuschauerreihen gesetzt habe, aber nach der Explosion verschwunden sei. Sie war auf Aufnahmen der Veranstaltung in dem Café erkennbar. Eine Verdächtige wurde laut AFP inzwischen festgenommen. Nach Angaben des Anti-Terror-Komitees handelt es sich um eine 26-Jährige. Sie soll mit der Anti-Korruptions-Stiftung des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny in Verbindung stehen. Zu möglichen Drahtziehern des Sprengstoffanschlags ist noch nichts bekannt. Die Polizei leitete Mordermittlungen ein. Es würden "alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die beteiligten Personen zu identifizieren", erklärten die Ermittler.
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Was ist über den Tatort bekannt?
Das Café "Streetfood-Bar No.1" liegt im Zentrum der Fünf-Millionen-Einwohner-Metropole an einer belebten Hauptverkehrsstraße entlang des Flusses Newa. Nach eigenen Angaben gehörte das Lokal früher dem Anführer der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Er habe es jedoch "patriotischen" Aktivisten überlassen. Unabhängig überprüfen ließ sich dieses Information nicht. Die Gruppierung "Cyber Front Z", die sich als "Russlands Informationssoldaten" bezeichnet, gab an, das Café am Sonntagabend für einen "patriotischen Abend" genutzt zu haben.

Wer ist das Opfer Wladlen Tatarski?
Wladlen Tatarski, 40 Jahre alt, heißt eigentlich Maxim Fomin. Der kremltreue Propagandist stammt ursprünglich aus dem Donbass in der Ukraine. 2014 soll er mehrere Monate an der Seite prorussischer Separatisten gekämpft haben, ehe er sich der Kriegsberichterstattung zuwandte. Seinen Telegram-Kanal haben mehr als 500.000 Menschen abonniert. Seit Beginn des russischen Einmarsches in das Nachbarland nahm die Popularität Tatarskis weiter zu. Er berichtete vorwiegend über das Frontgeschehen im Kriegsgebiet und gab zuletzt russischen Soldaten Ratschläge, wie sie sich in der Kampfzone verhalten sollen. Tatarski galt als Unterstützer des russischen Angriffskrieges. Nach jüngsten Angaben wurden durch die Explosion mindestens 25 weitere Menschen verletzt.

Wie sind die Reaktionen auf den Anschlag?
"Cyber Front Z" erklärte: "Unser Beileid an alle, die den exzellenten Kriegsberichterstatter und unseren Freund Wladlen Tatarski kannten." Man habe zwar Sicherheitsmaßnahmen für die Veranstaltung ergriffen, "aber es waren nicht genug". In Russlands Machtapparat löste der Anschlag Entsetzen aus. Eine Sprecherin des russischen Außenministerium nannte den getöteten Blogger einen "Verteidiger der Wahrheit" und schob Kiew indirekt und unbelegt die Verantwortung für dessen Tod zu. Er sei für die Ukraine "gefährlich" geworden. Russische Journalisten fühlten sich "ständig von Repressalien des Kiewer Regimes bedroht". Es sei den "russischen Kriegsberichterstattern zu verdanken, dass die Welt wahre, operative Bilder" sehe und erfahre, "was in der Ukraine geschieht", sagte die Sprecherin. Wagner-Chef Prigoschin erklärte dagegen: "Ich denke, dass eine radikale Gruppe agiert, die kaum eine Beziehung zur Regierung (in Kiew) haben dürfte." In einer ersten Reaktion erklärte der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak, es sei "eine Frage der Zeit", wann "der inländische Terrorismus ein Instrument des innenpolitischen Kampfes" werde.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde nach seiner Erstveröffentlichung um weitere Angaben zu der festgenommenen Frau ergänzt.