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Syrien nach Rakka Die USA kämpfen gegen den IS – und Putin und Assad profitieren davon

US-Marine
Ein US-Marine feuert eine M777-A2 Howitzer in Syrien ab.
© picture alliance / newscom
Donald Trump macht Ernst mit dem Kampf gegen den IS. Während sich die US-Verbündeten in verlustreichen Kämpfen in Rakka und Mossul festfressen, besetzen Assads Panzer das weite Land. 

Der Terror-Staat des IS bricht zusammen. Die Zentren des selbsternannten Kalifats in Syrien und im Irak werden von Gegnern belagert. In Mossul wird die Altstadt Haus für Haus von den Kämpfern der Goldenen Division eingenommen. Rakka in Syrien steht kurz vor der vollständigen Umfassung durch die von den USA unterstützten kurdischen Kräfte. 

Drama ohne Öffentlichkeit

Über die grausamen Kämpfe in beiden Städten erfährt man wenig, von den Untaten des IS abgesehen, der konsequent alle Zivilsten beschießt, die die Stadt verlassen wollen. Das Internet hingegen ist voll von Videos, auf denen echte oder vermeintliche IS-Kämpfer zu Tode gefoltert werden oder die Leichen von Exekutierten zu Dutzenden neben der Straße liegen. Über dem Stadtgebiet von Rakka setzen die USA sogar weißen Phosphor ein, um ihren Verbündeten beizustehen. Militärisch dient der Regen aus dem Material dazu, einen undurchdringlichen blickdichten Schleier anzulegen. Aber jeder, ob Kämpfer oder Kind, der von Spritzer des nicht zu löschenden Materials getroffenen wird, erleidet grauenhafte Verletzungen. Beide Städte verwandeln sich in Schlachthäuser - für Bewohner, Verteidiger und Angreifer.

Syrien nach Rakka: Die USA kämpfen gegen den IS – und Putin und Assad profitieren davon

Momentum für Assad

Auffällig ist allerdings, dass sich die Truppen Assads nicht an diesen kräftezehrenden Operationen beteiligen. Nach dem Fall des von Rebellen kontrollierten Teils von Aleppo widmen sich die Kräfte Assads anderen Aufgaben. Auch die Rebellenhochburg Idlib im Herzen des Landes bleibt derzeit eher unbehelligt. Assad und seine russischen Verbündeten konzentrieren sich auf die Gebietsbereinigungen in Zonen, in denen sie die Oberhand haben. Vor allem aber greift der syrische Machthaber nach den menschenleeren Gebieten, die bislang der IS kontrolliert hat.

Syrien: Die Fläche lockt

Das ist ein auffälliger Strategiewechsel in Damaskus: Zuvor und vor allem in den für ihn kritischen Phasen des Krieges, hat Assad sich an die bewohnten Zentren und die Verbindungswege zwischen ihnen geklammert. So verlor er zwar zeitweise die Kontrolle über den größeren Teil der Fläche Syriens, behielt aber stets den Großteil der Bevölkerung unter seiner Kontrolle. Die zu erwartenden schweren Kämpfe im besiedelten Idlib verschiebt das Regime auf einen späteren Zeitpunkt. Jetzt gilt es offenbar, die Fläche zu erobern, die der IS nicht mehr wirkungsvoll verteidigen kann. Erstmals seit langen richtet sich das Augenmerk auf den Süden und den Osten des Landes. Das "Rennen zu den Grenzen" ist eröffnet. Im Osten versuchen die Elitetruppen Assads einerseits von der Wüstenstadt Palmyra zu der Enklave Deir ez-Zor vorzustoßen, die seit Jahren vom IS belagert wird. In Rakka bemühen sie sich, das westliche Umland unter ihre Kontrolle zu bringen. Sollten USA und kurdische Verbündete später die Stadt erobert haben, würde deren Zone kurz nach der Stadtgrenze enden. 

Trotz der Zusammenstöße zwischen Russland und Syrien in der jüngsten Zeit, ziehen Putin und Assad maximalen Nutzen aus der Syrienpolitik der USA. Unter Präsident Trump wurde mit manchen Halbherzigkeiten der Obama-Regierung Schluss gemacht. Das bedeutet aber auch, dass die USA und ihre Verbündeten alle Hände voll zu tun haben, die verlustreichen Kämpfe in Mossul und Rakka zu beenden. Zugleich schwächen die Verluste dort den IS enorm. Den Triumph, den selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi mit einem Luftangriff zur Strecke gebracht zu haben, beansprucht allerdings Moskau für sich.

Nadelstiche werden Moskau nicht stoppen

Während sich die US-Verbündeten mühsam von Tür zu Tür weiterkämpfen, zeigen Russlands Verbündete Videos, auf denen sie mit ihren modernen T-90 Panzern durch die Wüste brettern, vorbei an zerschossenem IS-Gerät. Den USA blieb es natürlich nicht verborgen, dass ausgerechnet Assad die Ernte ihrer Anstrengungen einfahren will. Mehrmals wurden seine Truppen, Drohnen und Flugzeuge von den USA attackiert, weil sie sich in Gegenden befunden haben, die Washington den eigenen Rebellen zugedacht hat. Doch weder Damaskus noch Moskau werden den Kurs ändern, weil ein paar Dutzend Soldaten sterben. Neben verbalen Drohungen hat Moskau auch prompt reagiert: Natürlich wurde kein US-Flieger abgeschossen, es wurden Ziele des IS mit einer Welle von Kalibr-Missiles eingedeckt.

Bereit zur Eskalation

Die Waffen trafen Kommandostrukturen des IS, an die USA gerichtet ist jedoch diese Botschaft: "Wegen des Verlustes eines Jets geben wir nicht nach, wir haben die Mittel und den Willen den Krieg jederzeit zu intensivieren." Nach dem Abschuss der Raketen, stehen die USA vor einem strategischen Dilemma, analysiert die Truppenzeitschrift "Stars and Stripes" (As Russia launches missiles into Syria, US faces strategic dilemma).

Bis jetzt dient der Einsatz der USA offiziell allein dem Kampf gegen den Terror-Staat des IS – und nicht dem Einrichten eines Kurden-Staates. "Die USA müssen sich nun entscheiden, wie viel sie von Ost-Syrien für die von ihnen gelenkten Rebellen beanspruchen", sagte der Syrien-Experte Joshua Landis den "Stars and Stripes". "Die USA werden gezwungen sein, dieses Gebiet zu verteidigen, denn die Kurden haben keine Luftwaffe, Sie können ihre Gebiete nicht ohne US-Hilfe gegen die Macht der syrischen Regierung verteidigen."

Trumps Kurswechsel 

Ursache des Dilemmas ist der abrupte Kurswechsel von Präsident Trump. Im Wahlkampf versprach er an der Seite Moskaus, den IS zu bekämpfen. Weitere Interessen in Syrien hatte er nicht. Nun unter dem Einfluss des Sicherheitsberaters McMaster verwickeln sich die USA immer mehr in den syrischen Bürgerkrieg.

+++ Gerasimov vs McMaster - Vergesst Trump und Putin - diese zwei Generäle führen den Krieg in Syrien +++

Roger Shanahan, ein Experte vom Lowy Institute for International Policy schrieb dazu: "Die Planer unser Operationen werden gedacht haben, dass sie diese Probleme nacheinander angehen können. Also zuerst Rakka erobern und sich dann dem Syrien nach dem Fall von Rakka widmen. Doch Washingtons Gegner zwingen die USA, sich jetzt zu entscheiden, bis zu welchem Grade sie das Regime bekämpfen wollen, während Assad die Kontrolle über Gebiete des IS wieder erlangt."

Die nächste Phase des Bürgerkrieges

Shanahan fürchtet offensichtlich, dass die USA ähnlich wie in Vietnam ohne klare Strategie in einen Krieg hineinrutschen könnten. "Kein vernünftiger strategischer Planer würde eine Politik unterstützen, die auf die Zerstücklung Syriens hinausläuft- durch Gruppen, die ohne die Hilfe der USA nicht überleben können. Politik aus dem Stegreif heraus ist selten kohärent oder erfolgreich. Doch im Moment sieht es so aus, als wären die USA genau dazu gezwungen." 

Das Ende des IS wird nicht das Ende des Krieges in Syrien sein. Es ist nur der Gong zur nächsten Runde. Möglicherweise könnten Russland und USA ein Übereinkommen über Einflusszonen finden. Doch der Druck auf die Trump-Regierung wegen angeblicher Russland-Connections im Wahlkampf wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Russland kaum möglich machen. Offen bleibt, wie sich die anderen Akteure in dem Konflikt positionieren. Insbesondere die Türkei unter Präsident Erdogan wird sich noch weiter von den USA entfremden, sollten diese versuchen, einen echten Kurden-Staat in Syrien einzurichten.

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