Die Ukraine und der Westen haben mit Empörung und großer Sorge auf den russischen Beschuss von Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja reagiert. Die USA warfen Moskau bei der UNO in New York eine Gefährdung von Zivilisten in ganz Europa vor. Nach dem Brand in der Nacht, der gelöscht werden konnte, besetzte die russische Armee am Freitag das Gelände des AKW. Moskau bestreitet den Beschuss und macht ukrainische "Saboteure" dafür verantwortlich.
Als Reaktion "auf die russische Aggression", die durch die belarussische Regierung ermöglicht worden sei, werde die G7-Gruppe "weitere strenge Sanktionen verhängen", hieß es in einer vom Auswärtigen Amt in Berlin veröffentlichten gemeinsamen Erklärung nach einer Sondersitzung der G7-Staaten in Brüssel. Darin forderten die G7-Minister auch ein sofortiges Ende der russischen Angriffe in der Ukraine, insbesondere im unmittelbaren Umfeld der ukrainischen Kernkraftwerke.
Russische Armee setzt Bombenangriffe auf ukrainische Städte fort
Die russische Armee hatte die Anlage in der Nacht mit Panzern angegriffen und dort einen Brand ausgelöst. Nach Angaben der ukrainischen Atomaufsicht gerieten ein Schulungsgebäude und ein Labor in Brand, der von der ukrainischen Feuerwehr gelöscht werden konnte. Experten zufolge wurden keine radioaktiven Stoffe freigesetzt. Nach Angaben des ukrainischen AKW-Betreibers Energoatom wurden drei ukrainische Soldaten bei dem Angriff auf das Atomkraftwerk getötet. Die Anlage von Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk Europas und verfügt über sechs Reaktoren. Aktuell läuft nur ein Reaktor mit reduzierter Leistung.
Unterdessen setzte die russische Armee ihre Bombenangriffe auf ukrainische Städte fort. Bei Angriffen auf Wohngebiete in Tschernihiw im Norden der Ukraine wurden nach ukrainischen Angaben 47 Menschen getötet. Die Kämpfe dort dauerten am Freitag an. In der zweitgrößten Stadt Charkiw wurden den ukrainischen Behörden zufolge wahllos Wohngebiete bombardiert.

In der Stadt Ochtyrka setzten die örtlichen Behörden die Lage mit "der Hölle" gleich, in Sumy sei die Lage "kritisch". Beide Städte liegen etwa 350 Kilometer östlich von Kiew.
Der Bürgermeister der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol sagte dem britischen Rundfunksender BBC, die humanitäre Situation sei nach 40-stündigem Beschuss und Angriffen auf Schulen und Krankenhäuser "furchtbar".
Wladimir Putin beharrt auf seinen Forderungen
Der russische Präsident Wladimir Putin bekräftigte in einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ein Ukraine-Friedensdialog sei nur dann möglich, wenn "alle russischen Forderungen" erfüllt würden. Beide Seiten planen am Wochenende eine dritte Verhandlungsrunde.
Bei der zweiten Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland hatten sich beide Seiten am Donnerstag auf die Schaffung humanitärer Korridore verständigt, um Zivilisten aus Kampfgebieten herausholen zu können.
Baerbock droht mit weiteren Sanktionen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Putin zudem mit weiteren Sanktionen gedroht. "Über die drei scharfen Sanktionspakete hinaus, die wir bereits beschlossen haben, werden wir weitere Maßnahmen ergreifen, die gezielt in das Machtzentrum Putins treffen", kündigte Baerbock am Freitag vor Beratungen mit ihren Nato- und EU-Kollegen in Brüssel an. Im Gespräch sind nach Brüsseler Angaben Strafmaßnahmen gegen die russische Gas- und Ölindustrie.

Der UN-Menschenrechtsrat hat mit überwältigender Mehrheit für eine internationale Untersuchung zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine nach dem russischen Angriff auf das Land gestimmt. 32 Mitglieder des Gremiums votierten für die Resolution zur Schaffung einer Kommission, die mutmaßlichen Verletzungen der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts in der Ukraine nachgehen soll. Nur Russland und Eritrea stimmten gegen die Untersuchung, 13 Staaten enthielten sich, darunter Russlands traditionelle Verbündete China, Venezuela und Kuba.