Am 210. Tag des Krieges gegen das Nachbarland Ukraine hat der russische Präsident Wladimir Putin eine Teilmobilmachung der eigenen Streitkräfte angeordnet. Er habe diese Entscheidung nach einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums getroffen und das Dekret unterschrieben, sagte der Kremlchef in einer Fernsehansprache. Die Teilmobilisierung beginne noch an diesem Mittwoch. Damit will er auch Personalprobleme an der Front lösen. Zugleich kündigte Putin an, die "Referenden" in den besetzten Gebieten der Ukraine über einen Beitritt zu Russland zu unterstützen.
Teilmobilmachung Russlands betrifft Reservisten
Die Teilmobilmachung bedeutet nach Putins Worten, dass Reservisten eingezogen werden. Sie würden den gleichen Status und die gleiche Bezahlung bekommen wie die jetzigen Vertragssoldaten und auch vor dem Fronteinsatz noch einmal militärisch geschult, versicherte er. Die Reservisten, die bereits gedient hätten, verfügten über "einschlägige Erfahrungen", so Putin. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sollen 300.000 Soldaten mobilisiert werden.
Die von Moskau anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine sowie das Gebiet Cherson im Süden wollen noch in dieser Woche in sogenannten "Referenden" über einen Beitritt zur Russischen Föderation abstimmen lassen. Das teilten die Regionen am Dienstag mit. Die Scheinreferenden, die weder von der Ukraine noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden, sollen demnach vom 23. bis 27. September abgehalten werden. Sie gelten als Reaktion auf die aktuelle ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes.
Auf ähnliche Weise annektierte Russland 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim. International wurde die Abstimmung nicht anerkannt. Auch diesmal ist eine Anerkennung nicht in Sicht. Der Westen reagierte mit Sanktionen. Allerdings hatte Russland stets betont, sich durch die Strafmaßnahmen der EU und der USA nicht von seinen Zielen in der Ukraine abbringen zu lassen.
Wladimir Putin erwähnte auch Atomwaffen
Mit der Ankündigung ebnet der Kremlchef den Weg für eine weitere Eskalation des Konflikts in der Ukraine. In seiner Ansprache an die Nation warf Putin dem Westen vor, Russland "zerstören" zu wollen. Russland werde alle "verfügbaren Mittel" einsetzen, um sein Territorium zu schützen, sagte er. Er erwähnte auch die Atomwaffen. Putin hat das strategische Nukleararsenal bereits in erhöhte Bereitschaft versetzen lassen zur Abschreckung für die Nato, sich in der Ukraine einzumischen.
Die russische Politologin Tatjana Stanowaja meinte, dass Putin sich nach dem Scheitern seiner ursprünglichen Pläne, die Gebiete in der Ukraine rasch einzunehmen, zu den Beitrittsreferenden entschieden habe. Nach Aufnahme der Regionen habe er die Möglichkeit, die Territorien unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen zu verteidigen. Damit habe er seinen Einsatz in dem Krieg deutlich erhöht.
Zuletzt allerdings musste der Kreml eine empfindliche Niederlage hinnehmen, die russischen Truppen zogen sich nach ukrainischen Angriffen fast völlig aus dem Gebiet Charkiw zurück. Die Staatspropaganda warnte danach vor einer möglichen verheerenden Niederlage in dem Krieg. Dagegen betont die russische Militärführung immer wieder, dass alles nach Plan laufe und alle Ziele erreicht würden.