Wenn auch vieles ungewiss ist in dem seit neun Monaten andauernden Krieg Russlands gegen sein Nachbarland Ukraine, eines ist sicher: Der anstehende Winter wird für die Menschen dort hart, sehr hart.
Spätestens seit die russische Armee im Oktober begonnen hat, vor allem Ziele der Infrastruktur anzugreifen, sind die Folgen der Kämpfe auch in Regionen spürbar, die bisher von den russischen Bomben verschont geblieben sind. Die Raketen zerstören oder beschädigen Strom- und Wärmekraftwerke, Gasleitungen, Wasserrohre.
Immer wieder fällt in dem riesigen Land der Strom aus, bleiben Wasserhähne trocken, geben Heizungen keine Wärme ab. Das Ziel Russlands ist klar: Die ukrainische Bevölkerung soll durch immer neue Härten zermürbt werden. Längst ist in der ukrainischen Regierung vom "Terrorstaat Russland" die Rede, Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagt in der "Bild"-Zeitung. "Das ist der schlimmste Winter seit dem Zweiten Weltkrieg." Doch er und Präsident Wolodymyr Selenskyj glauben, dass die Menschen im Land durchhalten werden, sogar noch entschlossener werden.
Russland bombt die Ukraine in die Finsternis

Um die Moral zu stärken, aber auch um das Überleben zu sichern, plant die Regierung, mehrere Tausend Wärmestuben einzurichten – oder, um es mit Selenskyjs Worten zu sagen, "Unbesiegbarkeitszentren".
Wärmestuben für Ukrainerinnen und Ukrainer
Sollte Russland die Ukraine weiter in die Dunkelheit und in die Kälte bomben, sollen Männer, Frauen und Kinder dort Zuflucht und Versorgung finden. Mehr als 4000 dieser Notzentren kündigt Präsident Selenskyjs an. Sie sollen in Ämtern, in Schulen oder in Bahnhöfen ihre Türen öffnen, wenn die Versorgung länger als 24 Stunden unterbrochen ist. Es ist ein Kraftakt für die Regierung und die kommunalen Verwaltungen, die Wärmestuben einzurichten – einen Eindruck des Ausmaßes verschafft ein Blick auf eine Karte, die die Regierung veröffentlicht hat. Die "Unbesiegbarkeitszentren" sind über die ganze Ukraine verteilt. In den Großstädten, in Kleinstädten und auf dem Land.

Jede dieser Wärmestuben soll für 40 bis 500 Menschen Platz bieten und sie mit dem Nötigsten zum (Über-)Leben versorgen "Alle grundlegenden Dienstleistungen werden dort bereitgestellt", sagt Selenskyj in einer Videoansprache. "Dazu gehören Strom, mobile Kommunikation und Internet, Wärme, Wasser, Erste Hilfe. Völlig kostenlos und rund um die Uhr." Die "Unbesiegbarkeitszentren" sollen "Inseln der Sicherheit, Stabilität, Wärme und unserer Einheit" im Alltag des Krieges sein, verspricht die Regierung. Bei Bedarf können die Anlaufpunkte nach Angaben der Behörden binnen wenigster Stunden aktiviert werden.
Da sich die Ukraine über mehrere Klimazonen erstreckt, können die Temperaturen in einigen Regionen im Winter bis zu minus 20 Grad erreichen – doch auch in anderen Regionen kann die klirrende Kälte gefährlich werden. Die Regierung der ruft daher auch die ukrainische Gesellschaft auf, aktiv zu werden. So können sich Tankstellen, Geschäfte, Apotheken oder Restaurants ebenfalls als Wärmestube registrieren lassen oder auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten anderweitig helfen, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Generatoren für das Aufladen von Smartphones.
Doch so grausam es klingt: In der bizarren Logik des Kreml könnten auch die "Unbesiegbarkeitszentren" Ziele für russische Bomben werden, das weiß auch Selenskyj. Bei weitem nicht alle Standorte von Wärmestuben werden daher öffentlich bekanntgegeben, insbesondere in der Nähe der Kampflinie im Osten und Süden des Landes müssen Anwohnerinnen und Anwohner die Standorte erfragen. Ansonsten gelte: Es gebe "Handlungsanweisungen" für die Wärmestuben für den Fall von Luftalarm.
Trotz der anstehenden Härten für sein Volk zeigt sich der ukrainische Präsident zuversichtlich: "Ich bin sicher, dass wir diesen Winter gemeinsam überstehen werden, wenn wir uns gegenseitig helfen."
Weniger optimistisch äußert sich Hans Kluge, der Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation. De Nachrichtenagentur AFP sagt er: "Dieser Winter wird für Millionen von Menschen in der Ukraine lebensbedrohlich sein." Es gehe ums Überleben.
Quellen: Wärmestuben der ukrainischen Regierung, Vitali Klitschko in der "Bild"-Zeitung, Nachrichtenagenturen DPA und AFP.