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US-Raketenabwehrschild Putin verblüfft mit Alternativplan

Russlands Präsident Putin hat am Rande des G-8-Gipfels einen überraschenden Vorschlag gemacht: Die USA könnten eine Radaranlage in Aserbaidschan mitnutzen, um den Iran zu überwachen. Der geplante US-Raketenschirm wäre so überflüssig. US-Präsident Bush nannte die Idee "interessant."

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den USA im Streit um die amerikanischen Raketenabwehrpläne vorgeschlagen, ein Radarsystem in Aserbaidschan gemeinsam zu nutzen. Damit könnten mögliche iranische Raketenangriffe auf Europa überwacht werden und dafür könne aus russischer Sicht auf das geplante US- Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa verzichtet werden. Diesen Vorschlag erläuterte Putin nach einem Zwiegespräch mit US-Präsident George W. Bush am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm.

Bush nannte das Angebot, Seit' an Seit' mit Putin stehend, eine "interessante Idee". Nun sollen bilaterale Arbeitsgruppen der Verteidigungs- und Außenministerien das Thema erörtern.

Der Streit um die Raketenabwehr hatte in den vergangenen Tagen Erinnerungen an Zeiten des Kalten Krieges geweckt. Zunächst hatte Putin in einem Interview gedroht, Russland könnte seine Raketen auf neue Ziele in Europa ausrichten. US-Präsident George Bush kritisierte daraufhin die Demokratie in Russland als mangelhaft. Die USA begründen die Raketenabwehr-Pläne mit Bedrohungen aus so genannten "Schurkenstaaten". Russland bestreitet, dass es tatsächlich solche Bedrohungen für Europa gibt.

Putin: Mehrere Jahre Zeit

Erste Stufe des Plans wäre laut Putin die gemeinsame Nutzung der bereits bestehenden aserbaidschanischen Radaranlage Gabala. Der Aufbau eines automatischen Raketenabwehrsystems sollte nach Vorstellungen Putins nicht sofort erfolgen. Sobald ein Land, zum Beispiel der Iran, eine Langstreckenrakete teste, würden dies Russen und Amerikaner mitbekommen. "Vom ersten Test einer Rakete bis zur Indienstnahme werden mindestens drei bis fünf Jahre vergehen. Diese Zeit reicht, um jedes Raketenabwehrsystem aufzubauen", sagte der Kremlchef. Mit der Annahme des russischen Vorschlags könne man "auch ausschließen, dass Trümmer von Raketen auf europäische Länder fallen, da sie im Meer niedergehen würden", sagte Putin. Es blieb zunächst offen, ob die mögliche Raketenabwehranlage in Aserbaidschan nach Moskauer Vorstellung eine russische oder eine gemeinsame sein soll. Die noch im Kalten Krieg 1985 gebaute Radarstation Gabala wird derzeit von Russland bei Aserbaidschan gemietet. "Ich habe gestern mit dem aserbaidschanischen Präsidenten darüber gesprochen. Sein Einverständnis würde es uns erlauben, die Station gemeinsam zu nutzen", sagte Putin.

Hadley hält Angebot für "Brücke"

US-Sicherheitsberater Stephen Hadley sagte, für die USA sei wichtig, dass damit Putin die Notwendigkeit eines Abwehrsystems grundsätzlich akzeptiere. "Der russische Präsident sagte zum US-Präsidenten, dass sie eine potenzielle Gefahr anerkennen und dass wir einen Dialog über die Natur der Gefahr brauchen". Russland hatte bislang jegliche absehbare Raketengefahr für Europa aus dem Iran verneint und sich durch die amerikanischen Raketenabwehrpläne bedroht gesehen. Damit ist Putins Vorschlag eine überaus überraschende Wendung. Das Angebot bilde eine "Brücke" über die bisherigen bilateralen Differenzen, sagte der US-Sicherheitsberater.

Bush sagt, es sei gut, dass man miteinander rede. Er werde, sagte er, Putin Anfang Juli auf dem Anwesen der Bush-Family in Kennebunkport im neuenglischen US-Bundesstaat Maine empfangen. Diese Geste gilt ebenfalls als Versuch der US-Regierung, Moskau Gesprächsbereitschaft zu signalisieren.

Der tschechische Regierungschef Mirek Topolanek nahm das Angebot Putins mit Zurückhaltung auf. Sollten die USA im Gegenzug auf die derzeit geplante Stationierung einer Radaranlage in Tschechien verzichten, könnte dies ein Versuch von Putin sein, Mitteleuropa als russische Einflusssphäre wiederzugewinnen, sagte Topolanek in Prag. Grundsätzlich aber sei die Bereitschaft von Putin, mit Bush über das umstrittene System zu verhandeln, ein Durchbruch, sagte der Ministerpräsident.

AP/DPA AP DPA

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